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Chinas Abhängigkeit von Arzneimittelimporten bleibt sehr hoch

Deutschland ist Chinas führender Pharmalieferant, andersherum ist China der weltweit größte Wirkstoffhersteller. Investitionen vor Ort könnten künftig sinken.

Von Roland Rohde | Bonn

China ist einer der weltweit größten Hersteller und Exporteure von aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen (API). Aus deutscher Sicht gibt es zwar in einzelnen Produktsparten eine hohe Abhängigkeit von chinesischen Zulieferern. Doch vielfach handelt es sich dabei um einfache Präparate, sodass sich relativ rasch auf andere Bezugsquellen ausweichen ließe. Hinzu kommt, dass das Reich der Mitte seinerseits bei Fertigarzneimitteln im hohen Maße auf Importe, insbesondere aus Deutschland, angewiesen ist. Deutschland ist der weltweit größte Arzneimittelexporteur.

Impfstoffe im Ausland kaum gefragt

Die pharmazeutische Industrie der Volksrepublik profitierte 2021 durch die Entwicklung und Produktion von Corona-Impfstoffen von einer Sonderkonjunktur. So stieg ihr Umsatz nach Angaben des Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) um satte 20 Prozent auf umgerechnet 460 Milliarden US-Dollar (US$). Der Gewinn legte sogar um mehr als drei Viertel auf knapp 100 Milliarden US$ zu.

Die Sonderkonjunktur lief jedoch 2022 aus. In den ersten drei Quartalen sank der Branchenumsatz wieder um 2 Prozent zum Vorjahr. Der Gewinn ging sogar um fast 30 Prozent zurück. Speziell das Auslandsgeschäft brach ein. So hatten sich die Pharmaausfuhren 2021 noch nahezu verdreifacht, weil China zahlreiche Länder mit seinen Vakzinen versorgte. Als sich jedoch herausstellte, dass diese nicht so effektiv waren wie Präparate von BioNTech oder Moderna, brachen die Exporte in den ersten neun Monate 2022 wieder um mehr als 60 Prozent ein.

Produktionsstörungen durch Null-Covid-Politik

Zudem kam es in Folge der strikten Null-Covid-Politik im Inland zu erheblichen Produktionsstörungen. Immer wieder kommt es zu Teil-Lockdowns in unterschiedlichen Städten. Der innerchinesische Transport funktioniert dadurch nicht mehr richtig. Die Regierung hat bislang keinerlei Anzeichen erkennen lassen, dass sie von ihrer Coronapolitik, die der Wirtschaft schweren Schaden zugefügt hat, abrücken will.

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Dennoch dürfte die Pharmabranche weiter auf Wachstumskurs bleiben. Einerseits besteht bei der medizinischen Versorgung noch Nachholbedarf. Der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Gesundheitsausgaben belief sich 2019 nach Angaben des nationalen Statistikamtes NBS (National Bureau of Statistics) auf 6,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Industrieländer kommen in der Regel auf eine doppelt so hohe Quote. Die Regierung wird daher den Gesundheitssektor weiter ausbauen. Andererseits nimmt die Lebenserwartung weiter zu. Der Bedarf an Medikamenten zur Behandlung von altersbedingten Krankheiten dürfte in Zukunft rasant steigen.

Industrie mit Schwächen im Forschungsbereich

Die Pandemie hat allerdings auch die Achillesferse der chinesischen Pharmaindustrie zutage gefördert. Sie ist nur sehr bedingt in der Lage, moderne Arzneimitteln in Eigenregie zu entwickeln. So ist es dem Reich der Mitte in drei Jahren trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, einen auf der mRNA-Technologie basierenden Impfstoff auf den einheimischen Markt zu bringen. Ein RNA-Vakzin sei lediglich für Indonesien zugelassen worden. Für viele Krankheiten stehen nur Importpräparate zur Verfügung. Die chinesischen Konsumenten hegen zudem einen gewissen Argwohn gegenüber einheimischen Produkten, was Reinheit und Wirksamkeit der Präparate betrifft.

China setzt auf Abschottung und mehr staatliche Kontrolle. Das ist Gift für die Innovationskultur und dürfte die Pharmabranche hart treffen.

Zwar will das Land bei Arzneimitteln unabhängiger werden. Doch China schottet sich immer stärker vom Rest der Welt ab und setzt auf weniger internationale Zusammenarbeit. Ausländische Fachkräfte haben infolge der Null-Covid-Politik in Scharen das Land verlassen. Die Regierung fährt zunehmend eine wirtschaftsfeindliche Politik. Die Innovationskraft und -freude scheint insgesamt abzunehmen.

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Letztendlich spiegelt sich das auch in den Handelsstatistiken wider. Nach Angaben des International Trade Centre (ITC) stiegen die Arzneimitteleinfuhren (Fertigwaren, ohne API) der Volksrepublik 2021 um ein Fünftel auf knapp 42 Milliarden US$. Gegenüber 2016 hatten sie sich damit verdoppelt. Das Geschäft normalisierte sich 2022, verharrte aber auf einem hohen Niveau. Laut chinesischer Zollstatistik sanken die Brancheneinfuhren in den ersten neun Monaten um rund 1 Prozent zum Vorjahreszeitraum.

Deutschland wichtigstes Lieferland

Deutsche Anbieter liegen traditionell auf Rang eins der Importstatistik. Die chinesischen Arzneiwareneinfuhren "Made in Germany" summierten sich 2021 laut Zollbehörde auf 9,5 Milliarden US$, ein Plus von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch für 2022 zeichnet sich auf Basis der Daten für die ersten drei Quartale ein deutlicher Rückgang ab.

Dennoch stellt sich die Frage nach der Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom chinesischen Markt. Laut Destatis war die Volksrepublik im Pharmasektor lediglich ein mittelgroßer Absatzmarkt. Die Lieferungen nach Belgien, in die Niederlande oder die Schweiz etwa fielen jeweils deutlich größer aus.

Chinas Pharmaeinfuhren nach Lieferländern (in Milliarden US$) 1)

Land

2021

20222)

Deutschland

9,5

8,0

USA

6,2

6,4

Irland

5,2

7,2

Frankreich

3,0

3,1

Italien

2,5

2,4

Schweiz

2,3

2,6

Japan

1,7

1,5

Schweden

1,7

1,2

Vereinigtes Königreich

1,7

1,5

1) HS-Position 30 (pharmazeutische Erzeugnisse); 2) Hochrechnung auf Basis der ersten drei QuartaleQuelle: Chinesische Zollstatistik

Gemäß dem R&D-based Pharmaceutical Association Committee (RDPAC) kaufen Patienten über 70 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente über Krankenhäuser. Etwa 20 Prozent werden über den Einzelhandel (in erster Linie über Apotheken) und nur rund 5 Prozent online abgesetzt. Allerdings dürften Internetanbieter ihren Marktanteil künftig ausbauen.

Angesichts des weiter wachsenden Pharmabedarfs haben ausländische Unternehmen bislang kräftig im Reich der Mitte investiert. Doch nun kündigt sich eine Trendwende an. Die Risiken rücken stärker in den Fokus. Diese sind durch Chinas Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg und die militärische Einschüchterung Taiwans deutlich gestiegen. Zugleich müssen sich deutsche Firmen in ihrer Heimat zunehmend für ihr China-Engagement rechtfertigen.

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