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E-Auto-Boom käme deutschen Ingenieurdienstleistern zugute

Potenzielle Kunden sind nicht nur eingesessene Autobauer oder Ladeinfrastrukturanbieter. Die Anzahl autonomer Elektrofahrzeuge soll bis 2026 um 17 Prozent pro Jahr wachsen.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Ab 2022 sollen im Volkswagen (VW)-Werk in Tennessee das Kompakt-SUV ID.4 und im Mercedes-Benz-Werk in Alabama vollelektrische SUV vom Band rollen. Weitere E-Modelle in den USA zu bauen, haben deutsche Autobauer bisher zwar noch nicht geplant. Doch gibt die US-Autoindustrie, die bis 2020 allenfalls halbherzig auf Elektromobilität umgeschwenkt ist, nun selbst tüchtig Gas: General Motors (GM) und Ford wollen bis 2025 jeweils zweistellige Milliardenbeträge in die Entwicklung von E-Mobilen investieren. Deutschen Servicedienstleistern für die Branche erwachsen dort große Chancen: „Ob Hybrid oder rein batterieelektrisch: Unser US-Geschäft wächst nachhaltig“, sagt Ronald Grosse, Executive Vice President der US-Niederlassung des Entwicklungsdienstleisters Bertrandt.

„Neben den E-Offensiven der Erstausrüster wird dabei künftig auch der Ausbau und die Absicherung des Ladenetzes eine wichtige Rolle spielen“, fügt der gelernte Maschinenbauingenieur hinzu. So will US-Präsident Joe Biden bis 2030 eine halbe Million neue öffentliche Ladestationen errichten. Vor allem mangelt es in den USA an Schnellladepunkten im Vergleich zu Normalladesäulen. Für viele Vorhaben, darunter zur Förderung der E-Mobilität, wird Biden indes die Unterstützung der Opposition brauchen. Bundesstaaten wie Kalifornien und Massachusetts bieten zwar schon hohe Anreize für den Kauf von E-Fahrzeugen. Bevor Unternehmen aber stärker in den Ausbau der US-weiten Ladeinfrastruktur investieren, werden sie sorgfältig beobachten, wie stark die E-Mobilität in Zukunft durch die Politik im Weißen Haus gefördert wird.

Hersteller autonomer Fahrzeuge rücken ins Visier

Der Ausbau wird unter anderem Zulieferern in den Bereichen Ladezeitverbesserung, Ladekomfort und induktive Ladesysteme neue Chancen eröffnen. Mit dem Strategieschwenk der US-Autoindustrie hin zur E-Mobilität können auch Anbieter hochqualitativer Werkstoffe oder flexibler Integrationslösungen auf Aufträge hoffen. Dabei sind die Kunden nicht immer nur die Traditionsautobauer oder Netzwerke wie Electrify America. Da immer mehr US-Bundesstaaten den Betrieb von selbstfahrenden Autos auch zur Personenbeförderung erlauben, rücken darüber hinaus Hersteller autonomer Fahrzeuge ins Visier. Gerade bei selbstfahrender Technologie setzen US-Fahrdienstvermittler stark auf externe Partner: So wird Ford bis Ende des Jahres zusammen mit Lyft und Argo AI eine autonome Fahrzeugflotte in Miami und Austin starten. In Phoenix unterhält Waymo einen Fahrdienst mit Robotertaxis.

„Deutschen Unternehmen können dadurch neue Geschäftschancen erwachsen“, meint Julian Bartsch von Zoox. Und zwar nicht nur als Technologie-, sondern auch als Serviceanbieter. Denn Firmen wie Cruise, Waymo und Zoox, die autonome Fahrzeuge bauen, managen auch ihre eigenen Fahrzeugflotten.

Die Technologien und Konzepte werden von diesen Firmen entwickelt. Deutsche Unternehmen, die Fertigungs- oder Servicekapazitäten für diese speziellen Technologien anbieten können, sind für diese Dienstleistungen gut positioniert. Viele Zulieferer sind im Sog der deutschen Autobauer bereits in die USA nachgezogen, darunter Benteler, Bosch, Brose, Continental, Hella, Schäffler und ZF. ZF wird zum Beispiel Insassenschutzsysteme und Fahrwerksmodule für das neue Robotertaxi von Zoox liefern. Neben Fertigungsstandorten unterhalten einige Zulieferer dort auch Zweigstellen für Aftermarket- und andere Servicelösungen.

Auch Ride-Hailing-Dienste unterhalten eigene Flotten

Da nun auch die großen US-Fahrdienstvermittler für ihr eigenes Wartungsgeschäft verantwortlich sind, wächst dieser Markt noch. Denn Lyft und Uber expandieren zusehends über ihr Kerngeschäft hinaus in Bereiche wie Fahrräder und Scooter, aber auch Mietwagen für ihre eigenen Fahrer. Dabei kooperieren die Erzrivalen nicht nur mit traditionellen Mietwagenfirmen, sondern unterhalten auch eigene Flotten. Lyft hat eine Abteilung “Lyft Rentals”, die eigene Mietflotten in Los Angeles und San Francisco betreibt, und damit auch eigene Servicezentren für sein Flottenmanagement und den Wartungsbetrieb.

Um große Ride-Hailing-Dienste oder Fahrzeugentwickler als Kunden zu gewinnen, schauen sich Unternehmen auch unter US-amerikanischen Firmen nach potenziellen Übernahmekandidaten um. Denn es wird für Zulieferer immer wichtiger, ihr Portfolio lokal zu erweitern. Bosch und ZF zum Beispiel haben sich stark auf den neuen Mobilitätssektor fokussiert.

Bei der Software setzen Deutsche auf Partner

Die Marktforscher von Mordor Intelligence bezifferten den US-Markt für autonome Autos 2020 auf gut 3 Milliarden US-Dollar (US$) und erwarten bis 2026 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von rund 17 Prozent auf dann 8 Milliarden US$. Während sich deutsche Autobauer mit ihren E-Offensiven zwar immer näher an Tesla heranpirschen, gilt es gegenüber Waymo noch viel aufzuholen: Der Branchenprimus beim autonomen Fahren ist der Konkurrenz um mindestens ein Jahr voraus. Doch holen sich die Deutschen bei der Softwareentwicklung immer mehr Partner ins Boot: Daimler hat sich mit dem US-Chipriesen Nvidia zusammengetan, VW und Ford jeweils Milliardenbeträge in das Start-up Argo AI investiert. Die Zulieferer Bosch und Continental sind beim Silicon-Valley-Start-up Recogni eingestiegen, das Hochleistungschips entwirft, die auch mit künstlicher Intelligenz arbeiten.

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