Branche kompakt | Vereinigten Arabischen Emirate | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Die Chemieindustrie der VAE ist stark staatlich geprägt, verzeichnet aber eine zunehmende internationale Beteiligung und eine deutliche Ausweitung der Produktionskapazitäten.
07.11.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Von der gesamten installierten petrochemischen Produktionskapazität von rund 156 Millionen Tonnen entfallen etwa 74 Prozent auf Saudi-Arabien, das damit die mit Abstand größte Produktionsbasis in der Golfregion stellt. Das Königreich deckt den überwiegenden Teil der Basis- und Zwischenprodukte ab und bildet das industrielle Zentrum des Sektors.
Mit einem Anteil von rund 8 Prozent beziehungsweise 12 Millionen bis 13 Millionen Tonnen belegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) laut GPCA den dritten Platz hinter Saudi-Arabien und Katar (10 Prozent). Obwohl die emiratische Produktionsbasis kleiner ist, wächst sie kontinuierlich: Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR 2013 – 2024) liegt mit über 5 Prozent leicht über dem regionalen Durchschnitt von 4,7 Prozent. Der Kapazitätsausbau steht im Einklang mit der nationalen Industriestrategie "Operation 300bn" und der Initiative "Make it in the Emirates", die den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2031 von derzeit rund 8,4 Prozent auf etwa 15 Prozent erhöhen soll.
| Land | Anteil an der gesamten GCC-Kapazität (%) | Produktionskapazität (Mio. t) | CAGR 2013–2023 (%) | Bemerkungen |
|---|---|---|---|---|
| Saudi-Arabien | 74,2 | 116 | 6,8 | Marktführer der Region mit breiter Produktpalette in Petrochemie, Düngemitteln und Spezialchemie |
| Katar | 10,6 | 16,6 | 5,4 | Schwerpunkt auf Düngemitteln und Gasderivaten (Harnstoff, Ammoniak, Polyethylen) |
| Vereinigte Arabische Emirate | 8,1 | 12,7 | 5,2 | Fokus auf Polyolefine (Borouge) und Düngemittel (Fertiglobe); Diversifizierung in Richtung Methanol und Vinylprodukte |
| Oman | 4,3 | 6,7 | 3,4 | Ausbau industrieller Cluster in Duqm und Salalah (Petrochemie, Ammoniak, Methanol) |
| Kuwait | 2,0 | 3,1 | – 4,6 | Rückgang seit der Ausgliederung der Agri-Nutrients-Sparte 2018; kaum neue Projekte |
| Bahrain | 0,9 | 1,4 | 1,6 | Kleinere Spezialchemie- und Methanolanlagen im Industriepark Sitra |
Ziel: Breiter aufgestellte Produktionsstruktur
Die Chemieproduktion der VAE wird laut GPCA im Jahr 2023 auf rund 7 Milliarden US-Dollar (US$) geschätzt, während die Chemieimporte 2023 nach UN Comtrade 25,1 Milliarden US$ erreichten. Damit deckt die inländische Produktion nur etwa 28 Prozent des gesamten Chemiebedarfs – eine Importabhängigkeit von rund 72 Prozent – und betrifft vor allem Spezialchemikalien, pharmazeutische Erzeugnisse und Zwischenprodukte. Eine detaillierte Aufschlüsselung der emiratischen Chemieproduktion liegt nicht vor; Schätzungen zufolge entfällt der Großteil auf Basischemikalien und Massenkunststoffe, insbesondere Polyolefine und Stickstoffdünger. Hauptakteure sind Borouge in Ruwais mit einer Jahresproduktion von über 5 Millionen Tonnen Polyethylen und Polypropylen sowie Fertiglobe, ein führender Exporteur von Ammoniak und Harnstoff.
Mit neuen Großprojekten wie Borouge 4 (Investitionsvolumen: 6,2 Milliarden US$) und der TA’ZIZ Industrial Chemical Zone (5 Milliarden US$) erweitern die VAE ihr Produktionsspektrum um Methanol, Chlor-Alkali-Produkte und Spezialchemikalien. Diese Investitionen unterstützen die nationale Strategie, die Industriebasis durch nachgelagerte Wertschöpfung zu verbreitern und die Abhängigkeit von zyklischen Basischemikalien zu verringern.
Das Industriezentrum Ruwais gilt laut ADNOC Chemicals als wichtigster Standort der emiratischen Chemieproduktion. Hier betreiben ADNOC Chemicals und Borouge ein integriertes Produktions- und Exportnetzwerk für Polyolefine. Die Freizonen KEZAD (Abu Dhabi) und Jebel Ali (Dubai) ergänzen diese Struktur durch Kapazitäten in der Zwischenproduktfertigung und Logistik.
Wettbewerb verlangt Spezialisierung
Der emiratische Chemiesektor wird von staatlich kontrollierten Großunternehmen dominiert, die über nahezu die gesamte Wertschöpfungskette integriert sind – allen voran ADNOC sowie deren Beteiligungen Borouge (Polyolefine) und Fertiglobe (Ammoniak und Harnstoff). Diese Konzerne verfügen über privilegierten Zugang zu Rohstoffen, Energie und Infrastruktur und prägen damit das Wettbewerbsumfeld der Grundstoffchemie. Der Einstieg in dieses Segment ist für ausländische Anbieter nur über strategische Partnerschaften oder Joint Ventures realistisch, erklären Branchenexperten in Gesprächen mit der GTAI.
In der nachgelagerten Spezialchemie und bei industrieorientierten Anwendungen besteht dagegen ein offeneres Wettbewerbsumfeld. Hier sind lokale Mittelständler und internationale Anbieter aktiv, darunter BASF (Deutschland), Dow Chemical (USA) und Akzo Nobel (Niederlande) mit Niederlassungen und Joint Ventures in den VAE.
| Unternehmen | VAE-Präsenz |
|---|---|
| BASF | Vertriebsbüros in Dubai und Abu Dhabi |
| Linde | JV mit ADNOC zur Industriegasproduktion |
| Borouge | Großanlage in Ruwais (JV von ADNOC & Borealis) |
| Jotun | Produktion & MENA-HQ in Dubai & Abu Dhabi |
| Fertiglobe | Düngemittelproduktion in Ruwais (mit OCI) |
Der Wettbewerb erfordert zunehmend technologische Spezialisierung. Chancen bestehen vor allem in wertschöpfungsintensiven Nischen wie Spezialchemikalien, Additiven, nachhaltigen Kunststoffen oder Recyclingtechnologien. Unternehmen, die innovative Verfahren oder neue Produktanwendungen einbringen, können sich langfristig differenzieren, betonen Branchenexperten.
Wichtige Branchenplattformen
- ArabPlast (Dubai) – größte Kunststoff- und Petrochemie-Messe der Region, zweijährlich
- ADIPEC (Abu Dhabi) – internationale Leitmesse für Energie-, Chemie- und Wasserstoffwirtschaft, jährlich im Oktober
- Gulf Coatings Show (Sharjah) – regionale Fachmesse für Farben, Lacke und Oberflächentechnik
Eine Messebeteiligung über den German Pavilion wird von der AHK VAE und dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) koordiniert.