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Markttrends
Die Chemiebranche der VAE verzeichnete einen Umsatzrückgang, schnitt jedoch besser ab als die meisten Golfstaaten. Neue Großprojekte stärken die Wettbewerbsposition langfristig.
07.11.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Die Chemieindustrie der Golfstaaten stand 2024 unter erheblichem Preisdruck. Sinkende Weltmarktpreise für Kunststoffe und Düngemittel, eine schwächere Nachfrage in Asien sowie zunehmende Konkurrenz aus den USA belasteten die Branche. Laut der Gulf Petrochemicals & Chemicals Association (GPCA) sanken die Umsätze der Chemieunternehmen im Golfkooperationsrat (GCC) – dem Zusammenschluss von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Katar, Kuwait, Oman und Bahrain – auf rund 85,8 Milliarden US-Dollar (US$). Der Branchenumsatz der Unternehmen in den VAE ging um etwa 10 Prozent auf 7 Milliarden US$ zurück.
Geschätzter Branchenumsatz der Chemieindustrie 2024 in den VAE
Immerhin: Für 2025 erwartet die GPCA eine weitgehend stabile Entwicklung. Ab 2026 sollen neue Produktionskapazitäten dann wieder für moderates Wachstum sorgen. Die Auslastung der Anlagen in der gesamten Region lag 2024 bei etwa 80 Prozent, die Gesamtkapazität erreichte 156 Millionen Tonnen. Mittel- bis langfristig setzt die Branche zunehmend auf Spezialchemikalien, wasserstoffbasierte Produkte und Kreislauflösungen, um ihre Abhängigkeit von Basischemikalien zu verringern
ADNOC treibt globale Expansion
Dass die Branchenumsätze 2026 wieder steigen sollen, liegt in in erster Linie an der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Das Unternehmen verfolgt eine ambitionierte M&A-Strategie, um sich unter den führenden Chemiekonzernen weltweit zu etablieren. Mit dem Kauf will ADNOC gezielt Kompetenzen in der Kreislaufwirtschaft sowie bei Hochleistungspolymeren aufbauen. Das Angebot für den deutschen Spezialchemiehersteller Covestro beläuft sich auf 16,3 Milliarden US-Dollar. Ein strategischer Schritt zur Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette.
Parallel dazu vereinbarte ADNOC im März 2025 mit dem österreichischen Energiekonzern OMV die Zusammenführung ihrer Beteiligungen an Borouge (Abu Dhabi) und Borealis (Österreich). Borouge ist ein Gemeinschaftsunternehmen von ADNOC und Borealis und zählt zu den führenden Produzenten von Polyolefinen in der Golfregion. Borealis wiederum gehört mehrheitlich zu OMV und gilt international als bedeutender Anbieter von Basischemikalien, Düngemitteln und hochwertigen Kunststofflösungen.
Die neue Holding Borouge Group International soll künftig zu gleichen Teilen von ADNOC und OMV kontrolliert und an der Abu Dhabi Securities Exchange (ADX) gelistet werden. Mit dieser Struktur entsteht ein integrierter Chemiekonzern mit globaler Reichweite und starker Präsenz in den Wachstumsmärkten Asiens und Europas. Zusätzlich übernimmt die Gruppe den kanadischen Polyolefinhersteller Nova Chemicals für 13,4 Milliarden US$ (einschließlich Schulden). Durch die Transaktion entsteht ein Unternehmen mit einem kombinierten Wert von rund 60 Milliarden US$ – der weltweit viertgrößte Produzent von Polyolefinen.
Großprojekte sichern Wachstum
Das wichtigste Einzelvorhaben ist Borouge 4, die vierte Ausbauphase des Polyolefin-Komplexes im Industriezentrum Ruwais. Mit Investitionen von 6,2 Milliarden US$ entsteht dort eine zusätzliche Polyethylen-Kapazität von 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Der kommerzielle Betrieb ist für Ende 2025 vorgesehen, die Vollauslastung wird ab 2026 erwartet. Das Projekt stärkt die Position der Emirate als führender Produzent hochwertiger Kunststoffvorprodukte in der Golfregion.
Noch umfassender angelegt ist das TA’ZIZ Industrial Chemical Zone-Programm, ein Gemeinschaftsunternehmen von ADNOC und dem Staatsfonds Abu Dhabi Developmental Holding Company - ADQ. In der ersten Bauphase (2024 bis 2028) entstehen dort Anlagen für Methanol, kohlenstoffarmen Ammoniak, Polyvinylchlorid (PVC), Ethylenchlorid und Natronlauge. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf rund 5 Milliarden US$, die geplante Jahreskapazität beträgt 4,7 Millionen Tonnen.
Auch Fertiglobe – ein Joint Venture von ADNOC und OCI – stellt sich neu auf. Mit 6,6 Millionen Tonnen Jahreskapazität zählt der Konzern zu den größten Exporteuren von Ammoniak und Harnstoff weltweit. Ein neues Projekt für Blue Ammonia in Ruwais (1 Million Tonnen pro Jahr, Start 2027) soll den CO₂-Fußabdruck deutlich senken.
| Projektname | Investitionsvolumen | Projektstatus | Betreiber / Auftraggeber |
|---|---|---|---|
| Borouge 4 Polyolefins Complex, Ruwais | 6,1 | Im Bau | Borouge PJSC (ADNOC / Borealis) |
| TA’ZIZ Industrial Chemical Zone – Phase 1 | 5,0 | Angebotsphase | ADNOC / ADQ (Joint Venture) |
| Hydrogen and Blue Ammonia Plant, Ruwais | 2,7 | Machbarkeitsstudie | ADNOC / Fertiglobe / Masdar |
| Ruwais Petrochemicals Expansion Project | 2 | Angebotsphase | ADNOC Refining |
| Low-Carbon Ammonia Plant, TA’ZIZ Zone | 2 | Im Bau | TA’ZIZ / Fertiglobe / ADQ |
Deutschlands Chemieexporte stagnieren
Laut UN Comtrade importierten die Emirate im Jahr 2023 (letzte verfügbare Daten) Chemieprodukte der SITC-Warengruppe 5 – also des gesamten Chemiesektors einschließlich pharmazeutischer Erzeugnisse und Kunststoffe – im Wert von 25,1 Milliarden US$, nach 24,3 Milliarden US$ im Jahr 2022. Wichtigste Lieferländer waren China (3,3 Milliarden US$), Saudi-Arabien (2,7 Milliarden US$) und die USA (3,1 Milliarden US$). Deutschland lieferte Chemieerzeugnisse im Wert von 1,9 Milliarden US$ und lag damit auf Rang fünf hinter Frankreich (2,2 Milliarden US$).
Zwischen 2019 und 2023 haben die Emirate ihre Chemieimporte aus nahezu allen wichtigen Lieferländern deutlich gesteigert. Besonders stark wuchs der Bezug aus China, das sein Liefervolumen mehr als verdoppelte und seine Marktposition als zentraler Handelspartner weiter ausbaute. Auch die USA und Frankreich konnten ihre Exporte deutlich erhöhen. Deutschland verzeichnete zwar ebenfalls ein Plus von rund 24 Prozent, verlor jedoch relativ an Gewicht, da andere Wettbewerber ihre Marktanteile dynamischer ausbauten.
| Land | Importwert 2023 | Veränderung 2019–2023 |
|---|---|---|
| China | 3,4 | 142 |
| USA | 3,1 | 40 |
| Frankreich | 2,2 | 61 |
| Deutschland | 1,9 | 24 |
Neben dem Eigenbedarf spielt Dubais Rolle als Handelsdrehscheibe eine zentrale Rolle. Über die Freizone Jebel Ali werden nicht nur die arabischen Nachbarstaaten, sondern auch Märkte in Iran, Pakistan, Russland, Ostasien und Afrika beliefert. Eine genaue Quantifizierung dieser Reexporte ist jedoch wegen lückenhafter Statistik kaum möglich.