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Wirtschaftsausblick I Armenien

Sonderkonjunktur in Armenien hält an

Armeniens Wirtschaft profitiert weiter vom Russland-Ukraine-Krieg. Weitere Wachstumstreiber sind der Privatverbrauch, Investitionen, das Baugewerbe und Reexporte.

Von Uwe Strohbach | Eriwan

Top-Thema: Armenien ist attraktiver Standort für IT-Outsourcing

Der IT-Sektor ist die am schnellsten wachsende Branche Armeniens. Der Umsatz stieg 2023 gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent auf 2,1 Milliarden US-Dollar (US$), so das Beratungsunternehmen Modex. Kunden aus dem Ausland standen für 1,9 Milliarden US$ der Erlöse. 

Ein Großteil des Umsatzes und auch der Exporte entfielen auf die Entwicklung von kundenspezifischen und exportorientierten Softwareprodukten. Diese Sparte bietet viele Anknüpfungspunkte für Kooperationen mit internationalen Unternehmen.

Ende 2023 waren im IT-Sektor gut 7.800 Wirtschaftssubjekte aktiv. Hinter dem aktuellen Boom stehen zu einem großen Teil russische IT-Firmen und Einzelunternehmen, die ihren Standort nach Armenien verlagern oder sich dort neu ansiedeln.

Wirtschaftsentwicklung: Armenien profitiert stark vom Russland-Ukraine-Konflikt 

Die Regierung Armeniens erwartet 2024 ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent. Die Zentralbank rechnet mit einem Plus von bis zu 6,4 Prozent. Ähnliche Zuwächse seien für 2025 zu erwarten. Geberbanken wie die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung prognostizieren für 2024 Wachstumsraten von 5 bis 5,7 Prozent.

Die Aussichten sind angesichts der Zuwächse von im Schnitt 9 Prozent in den drei Vorjahren respektabel. Das anhaltende Wachstum basiert auf positiven Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges auf die Wirtschaft und einer generellen Konjunkturbelebung im Land.

Positive Effekte des Ukraine-Krieges ergeben sich aus: 

  • der Fluchtmigration und einem hohem Kapitalzufluss aus Russland, 

  • einem boomenden Reexport zwischen Russland und anderen Staaten,

  • einer starken Belebung vieler Dienstleistungsbranchen.

Der Nettozufluss aller Geldtransfers natürlicher und juristischer Personen aus Russland nach Armenien betrug 2022 und 2023 jeweils 3,3 Milliarden. Das ist viermal mehr als in den Vorkriegsjahren. In den Jahren 2022 und 2023 wurden durch russische Bürger rund 4.000 Firmen und 7.000 Einzelunternehmen in Armenien registriert. 

Für die meisten Branchen erwartet die Zentralbank auch für 2024 wieder hohe Zuwächse, darunter 11 bis 13 Prozent im Bausektor sowie jeweils 7 Prozent in der Dienstleistungswirtschaft und in der Industrie. Die Landwirtschaft soll um 2,5 Prozent zulegen.

Schwierig bleibt das geopolitische Umfeld des Landes. Die Beziehungen zum Nachbarn Aserbaidschan sind nach der Eroberung der Konfliktregion Berg-Karabach äußerst angespannt. Die weiterhin geschlossene Grenze zur Türkei behindert Armenien zudem, sich als attraktiver Wirtschaftspartner im Südkaukasus zu positionieren.

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Investitionen seit 2021 im Aufwind 

Die öffentliche Hand will mit Hilfe internationaler Geber in den Jahren 2024 bis 2026 rund 6 Milliarden US$ in die Wirtschaft investieren. Sie rechnet für 2024 und 2025 mit einem realen Wachstum der Investitionen von jeweils 17 Prozent. Im Fokus stehen die Sektoren Straßenbau, Bildung, Gesundheit, Energie-, Wasser- und Landwirtschaft sowie Landesverteidigung. 

Für die privaten Bruttoanlageinvestitionen erwartet die Regierung 2024 und 2025 ein Plus von jeweils 13 Prozent. Die Gelder fließen vorrangig in den Wohnungsbau, touristische Projekte und die Versorgungsinfrastruktur. Im Jahr 2023 stiegen die Gessamtinvestitionen auf 5 Milliarden US$. Bemessen in US-Dollar, ist das fast doppelt so viel wie 2021.

Soziale Lage der Bevölkerung bleibt angespannt  

Der Privatverbrauch im Land verharrt auf einem recht geringen Niveau, wenn man den Konsum der russischen Kurzzeit- und Dauertouristen außen vor lässt. Hauptgründe sind die hohe Armutsquote (2023: 23 Prozent) und Arbeitslosenrate (12 Prozent), die inoffiziell sogar noch höher ausfallen dürften.

Die meisten Haushalte müssen bis zu zwei Drittel ihrer Einnahmen für Ernährungsgüter ausgeben. Kommunale Dienste verschlingen ein weiteres Viertel des Budgets. Für Nonfood-Güter und Dienstleistungen bleibt kaum Geld übrig. Händler und Dienstleister haben dennoch Hoffnung auf bessere Umsätze: Sie setzen auf die steigenden Touristenzahlen.

Neues Sanktionspaket könnte starken Außenhandel belasten 

Die zentralen Planer Armeniens erwarten für die Jahre 2024 und 2025 ein reales Wachstum der Ex- und Importe um jeweils etwa 10 Prozent, gegenüber mehr als 30 Prozent im Vorjahr. Sie verweisen dabei auf die von der EU beschlossenen neuen Sanktionen gegen Russland, welche unter anderem die Sanktionsumgehungen durch Drittländer eindämmen sollen. 

Im Jahr 2023 schlugen sich Reexporte deutlich im Außenhandel nieder. So florierten die Ausfuhren, da über Armenien Reexporte von Russland in die VAE und Honkong umgeschlagen wurden. Die Importdynamik basiert auf einer steigenden Binnennachfrage nach Gütern aller Art und auf Mehrbezügen für den Reexport, vorwiegend nach Russland. Die Aufwertung des armenischen Dram gegenüber dem US-Dollar (um ein Fünftel gegenüber 2021) verlieh dem Importgeschäft 2023 zusätzlichen Rückenwind. 

Hauptbezugsländer waren 2023 Russland (Importanteil: 33 Prozent), China (8 Prozent) und Georgien (vorwiegende georgische Reexporte; 8 Prozent). Hauptlausfuhrländer waren Russland (Exportanteil: 41 Prozent) und die VAE (26 Prozent). 

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Deutsche Perspektive: Kleiner Markt mit Geschäftschancen in vielen Nischen

Ungeachtet seiner kleinen Marktgröße lohnt sich für deutsche Firmen ein Blick auf das Geschäfts- und Kooperationspotenzial in Armenien. Geschäftschancen ergeben sich beim Ausbau der Versorgungsinfrastruktur (Strom, Wasser/Abwasser), im Straßenbau, beim geplanten Ausbau der Metro in Eriwan sowie bei einigen Großprojekten für den Hochbau (Hotels, Wohnsiedlungen, Ausbau des neuen Ingenieur- und IT-Parks in Eriwan).

Großen Investitionsbedarf gibt es in der Ernährungswirtschaft. Bei der Projektierung mehrerer geplanter neuer Wasserspeicher ist das Land auf ausländisches Know-how angewiesen. Ein wichtiges Kooperationsfeld bleibt die Softwareentwicklung. 

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