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KroatienKonjunktur / Kaufkraft, Konsumverhalten / Coronavirus / Tourismus
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick | Kroatien
Die Pandemie wird in Kroatien tiefe Spuren hinterlassen. In der Krise rächt sich die starke Abhängigkeit vom Tourismussektor. Erst 2021 wird sich die Wirtschaft wieder erholen.
30.11.2020
Von Waldemar Lichter | Zagreb
Die kroatische Wirtschaft hat 2020 einen schweren Rückschlag erlitten. Die Coronapandemie hat die seit 2015 anhaltende Erholung nach jahrelanger Rezession abrupt gestoppt. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und andere Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie haben Industrieunternehmen und den Dienstleistungssektor stark getroffen. Die Wirtschaftsleistung brach im 2. Quartal 2020 um 14,9 Prozent ein.
Die Folgen der Coronakrise sind in Kroatien deutlich stärker zu spüren, als in den meisten anderen Ländern des Westbalkans und Mittelosteuropas. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im Gesamtjahr 2020 um 9,6 Prozent schrumpfen. In keinem anderen Land der Region ist der Rückgang höher. Dafür wird Kroatien nach Prognosen der Europäischen Kommission 2021 kräftiger wachsen als alle anderen mitteleuropäischen Länder der Europäischen Union (EU). Das Vorkrisenniveau von 2019 wird Kroatiens Wirtschaft aber frühestens 2023 wieder erreichen.
Der starke BIP-Rückgang in Zeiten der Coronapandemie ist im besonderen Maße der wenig ausgewogenen Struktur der kroatischen Wirtschaft geschuldet. Der Tourismus trägt fast ein Fünftel zum BIP bei. Das „Wohlergehen“ des Sektors ist für zahlreiche andere Branchen von großer Bedeutung, etwa für die Dienstleistungen, aber zum Beispiel auch für die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie. Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit wirken sich unmittelbar negativ auf das Hotel- und Gastgewerbe aus und ziehen Probleme in anderen Zweigen nach sich.
Für 2021 gehen die meisten Prognosen wieder von einer deutlichen Erholung der Wirtschaft aus. Während die Europäische Kommission von einem realen BIP-Plus von 5,7 Prozent ausgeht, rechnet die kroatische Regierung mit einem Wachstum von 5 Prozent. Für 2022/23 liegen die Prognosen bei 3,4 Prozent beziehungsweise 3,1 Prozent. All das ist jedoch davon abhängig, ob es gelingt, die Pandemie ohne erneuten Lockdown zu bekämpfen. Von großer Bedeutung wird auch die Entwicklung in der EU. Vor allem Deutschland, Österreich und Italien zählen zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Kroatiens.
Indikator | 2018 | 2019 | Vergleichsdaten Deutschland 2019 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 52,0 | 54,2 | 3.449,1 |
BIP pro Kopf (Euro) | 12.700 | 13.340 | 41.508 |
Bevölkerung (Mio.) | 4,1 | 4,1 | 83,1 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... Kuna) | 7,42 | 7,42 | - |
Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Pandemie und die Konjunkturentwicklung bremsen die Investitionsaktivitäten der Unternehmen aus. Kroatische oder ausländische Investoren stellen wegen der ungewissen Geschäftsaussichten manche Vorhaben auf den Prüfstand. Das betrifft vor allem Projekte im Tourismussektor, aber auch in der Industrie. Vorhaben mit einem mittelfristigen Planungshorizont, wie etwa Modernisierungsprojekte in Raffinerien, scheinen bisher nicht infrage gestellt zu werden.
Weiter vorangetrieben werden dagegen Investitionen des Staates, insbesondere, wenn sie über eine Kofinanzierung aus Fonds der Europäischen Union verfügen. Dazu gehören Projekte im Verkehrsbereich, im Abfall-, Abwasser- oder Energiesektor. Mittel aus dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU für 2021 bis 2027 und aus dem Corona-Wiederaufbaufonds dürften die Investitionen in Kroatien weiter antreiben.
Im Zeitraum 2014 bis 2020 standen dem Land nach Angaben der Regierung insgesamt 10,7 Milliarden Euro an EU-Mitteln zur Verfügung. In der neuen Finanzperiode rechnet Kroatien mit 12,6 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt. Weitere 9,4 Milliarden Euro kommen aus dem neuen Finanzierungsinstrument Next Generation EU, davon 5,9 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen.
Erhebliche Mittel sind für den Wiederaufbau der Infrastruktur nach dem starken Erdbeben im März 2020 im Großraum Zagreb vorgesehen. Die Europäische Kommission bot Kroatien 683,7 Millionen Euro als Hilfe aus dem Europäischen Solidaritätsfonds an, wovon ein Teil bereits im August als Vorschuss nach Zagreb geflossen ist.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand *) | Projektträger |
---|---|---|---|
Eisenbahnstrecke Rijeka - Zagreb | 2.500 | ST, zum Teil AS | |
Pelješac-Brücke | 526 | DF | |
Schwimmendes Flüssiggas-Terminal Omisalj/Insel Krk | 234 | DF | |
Straßentunnel Učka: zweite Röhre | 200 | DF | Konzessionär: Bina-Istra d.d. |
Seehafen Rijeka: intermodale Umschlaginfrastruktur | 133 | DF | |
Wasserkraftanlage Kosinj-Senj: Senj II (412 MW), Tunnel durch das Velebit-Gebirge und Stausee Kosinj | 450 | ST, zum Teil AS |
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Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie haben den privaten Verbrauch schwer getroffen. Die Schließung von Geschäften und Restaurants ließ die Umsätze der Handels- und Gastronomiebetriebe sinken. Die fehlenden Touristen haben ein Übriges zur misslichen Lage des Sektors beigetragen. Die Unsicherheit über die weitere Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung dämpfen die Konsumlust der Bevölkerung zusätzlich.
Nach einer Phase von fünf Jahren Wachstum werden die Einzelhandelsumsätze 2020 nach Schätzungen um 4 bis 6 Prozent zurückgehen. Deutlich zugelegt hat der ohnehin schon stark expandierende Onlinehandel (Januar bis September 2020: +11,4 Prozent). Der private Verbrauch wird nach Ende der Krise wieder zulegen, die Erholung wird jedoch 2021 und 2022 (Prognosen der Regierung: 4,5 sowie 3 Prozent) gedämpft ausfallen.
Unter den durch Corona verursachten Einschränkungen haben die Dienstleistungsexporte (Tourismus) besonders stark gelitten. Die Europäische Kommission schätzt den Rückgang der Ausfuhren von Gütern und Dienstleistungen 2020 auf fast 30 Prozent. Aufgrund der schwachen Konjunktur bei den wichtigsten Handelspartnern in der EU werden dort auch weniger kroatische Güter nachgefragt. Davon besonders betroffen war 2020 die kroatische Holzindustrie, deren Hauptexportmarkt Italien ist.
Auf der anderen Seite sinken wegen der schwachen Binnenkonjunktur auch die Importe Kroatiens. Das weggebrochene Tourismusgeschäft und die geringeren Investitionen lassen den Bedarf nach Erzeugnissen aus dem Ausland sinken. Sowohl für die Exporte als auch für die Importe wird aber ab 2021 wieder ein zweistelliger Anstieg erwartet - vorausgesetzt, die Pandemie ist dann überwunden.
2018 | 2019 | Veränderung 2019/2018 | |
---|---|---|---|
Importe | 23.887 | 25.154 | 5,3 |
Exporte | 14.751 | 15.530 | 5,3 |
Handelsbilanzsaldo | -9.136 | -9.804 | - |