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Branchen | Ägypten | Bauwirtschaft

Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

Rund 600.000 Wohnungen pro Jahr benötigt Ägypten, um den Bedarf der wachsenden Bevölkerung decken zu können. Auch die Nachfrage nach Flächen für Einzelhandel und Büros wächst.

Von Marcus Knupp | Kairo

Das Ende der Devisenknappheit hat für viele Unternehmen 2024 eine Entspannung der wirtschaftlichen Lage gebracht. Ausstehende Zahlungen wurden nach der Freigabe des ägyptischen Pfundes in vielen Fällen ausgeglichen. Für Lieferanten steigt damit in der Tendenz die Sicherheit im ägyptischen Markt. Belastungen sind demgegenüber für einheimische Unternehmen durch die deutliche Abwertung der Währung entstanden. Importierte Baumaterialien haben sich verteuert.

Stabilisierung der Baukonjunktur

Die Zahl der fertiggestellten Wohneinheiten ging in den vergangenen Jahren zurück. Unsicherheiten mit Blick auf den Wechselkurs und ein hohes Zinsniveau haben Investoren verunsichert. Die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Lage und der massive Zustrom ausländischen Kapitals vor allem in großangelegte Immobilienprojekte haben die Perspektive 2024 verändert. Die reale Zunahme der Wertschöpfung in der Bauindustrie hat sich nach vorläufigen Angaben der ägyptischen Zentralbank im Finanzjahr 2023/24 auf 5,7 Prozent erhöht (Vorjahr: 5,2 Prozent). Sie liegt bei rund 10 Prozent des ägyptischen Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Hoher Anteil von Luxuswohnungen

Mit einem Wachstum der Einwohnerzahl von jährlich 1,6 Prozent sorgt allein die demografische Entwicklung für einen stetig zunehmenden Bedarf an Wohnraum in Ägypten. Das Ministerium für Wohnungsbau, Versorgung und Urbanisierung geht von einem jährlich nötigem Zubau von 600.000 Wohneinheiten aus. Diese Rate wird aktuell nicht erreicht. Das spiegelt sich in steigenden Preisen für Mieten und Wohneigentum. Berechnungen der American Chamber of Commerce in Egypt (AmCham) zeigen eine Zunahme der durchschnittlichen Quadratmeterpreise im Großraum Kairo zum Stichtag 1. August 2024 zwischen 7 und 77 Prozent je nach Wohnlage.

Die aus den 1960er Jahren stammende Klassifizierung von Wohnungen in Ägypten unterscheidet Wohneinheiten nach Größe und Ausstattung. Als "economic" werden Wohnungen mit bis zu drei Räumen und 90 Quadratmetern bezeichnet. "Medium housing" (average und above average) umfasst nach Angaben der Statistikbehörde CAPMAS Wohnungen mit einer Fläche von 100 bis 150 Quadratmetern. Als "luxurious" gelten Wohneinheiten mit besonderen Dienstleistungen, etwa in Gated Communities mit Sicherheitsdienst. Getrennt erfasst werden Wohneinheiten in größeren Investitionsprojekten, ohne dass eine genaue Zuordnung nach Größe oder Ausstattung erfolgt.

Viele Wohnungen im oberen PreissegmentAnteil der fertiggestellten Wohneinheiten nach Kategorien in Prozent 2022/23
Kategorie

Anteil an Investitionen

Anteil an der Zahl der Wohneinheiten

Low Cost

0,1

0,3

Economic

29,5

37,4

Average

13,5

20,8

Above Average

4,3

3,4

Luxurious

24,7

13,3

Investment

27,8

24,9

Quelle: CAPMAS 2024

Aus den Zahlen geht hervor, dass ein hoher Anteil der Investitionen in den Wohnungsbau in die oberen Kategorien fällt. Lediglich 38 Prozent der rund 240.000 im Jahr 2023 fertiggestellten Wohnungen entfielen auf die Kategorien economic und low cost. An anderer Stelle wird die Zahl von 47.107 Sozialwohnungen ausgewiesen; diese können außer in der Kategorie economic auch in investment housing enthalten sein. Insgesamt geht das Angebot an Wohnraum am Bedarf vorbei, was sich in den oberhalb der Inflationsrate steigenden Mieten zeigt. AmCham nennt für die Neubaugebiete 6th of October City und New Cairo Mietzunahmen von 42 und 43 Prozent im 1. Quartal 2024.

Ein Grund für das Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage ist der Umstand, dass der Staat der mit Abstand größte Grundeigentümer im Land ist und kraft seines Quasi-Monopols Grundstücke zu hohen Preisen an Immobilienentwickler veräußert. Zur Steigerung der Margen fokussieren sich Immobilienentwickler auf das hochpreisige Segment. Dies führt zu einer Wohnungskrise, die sich durch das Entstehen von illegalen Wohnsiedlungen (ashwa’ijat) äußert - vor allem in Ballungsräumen wie Kairo.

Neue Büros entstehen vor allem in neuen Städten

Der Großraum Kairo ist der mit Abstand wichtigste Bürostandort in Ägypten. Mit der Verlagerung von Ministerien und Regierungsinstitutionen in die neue Verwaltungshauptstadt östlich von Kairo und der gezielten Ansiedlung von Gewerbe in den neu geplanten Städten wie 6th of October City und Sheikh Zayed westlich von Kairo sowie in New Cairo östlich der Hauptstadt entstehen hier Büroräume im hochpreisigen Segment. Gleichzeitig ergeben sich im Stadtzentrum mit dem Wegzug von Unternehmen und Institutionen neue Nutzungspotenziale.

Nach Schätzungen des Immobilienunternehmens JLL sind im Großraum Kairo 2024 circa 600.000 Quadratmeter hochwertige Büroflächen zusätzlich auf den Markt gekommen. Gleichzeitig zeigt sich ein Trend zu kleineren Flächen, was auch im Zusammenhang mit der Abwertung des ägyptischen Pfundes im März 2024 steht. Denn oft werden Mieten im oberen Segment in US-Dollar oder Euro berechnet, was den Preis in ägyptischen Pfund erheblich erhöht hat. Im Jahr 2023 lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis laut JLL bei 361 US$.

Gewerbeflächen: Chancen durch Produktionsansiedlung 

Mit dem Ziel, das produzierende Gewerbe auszubauen, hat Ägypten in den letzten Jahren das Angebot an Industrie- und Gewerbezonen vergrößert. Die Stabilisierung der Währung und Beilegung der Devisenknappheit hat 2024 zu einer Verbesserung des Investitionsklimas beigetragen. In Folge haben sich Investitionsankündigungen aus dem In- und Ausland verdichtet. Branchen wie die Automobil- oder die Textilindustrie planen, Montagewerke und Fertigungsanlagen nach Ägypten zu verlagern. Es wird sich nun zeigen müssen, inwiefern den Ankündigungen Taten folgen.

Mit der steigenden Zahl von Bewohnern wächst in den neuen Stadtteilen östlich und westlich von Kairo oder im Umland von Alexandria auch der Bedarf an Dienstleitungen und Einkaufsgelegenheiten. Diese finden sich in den Neubaugebieten vor allem in modernen Einkaufszentren. Dazu gehören auch Gastronomie und Freizeiteinrichtungen. Denn weil es nur wenige öffentliche Parks und - wegen der starken Fokussierung auf Autos - kaum Straßencafés oder andere öffentliche Freizeiträume gibt, sind die Einkaufstempel auch soziale Begegnungsstätten und Orte der Freizeitgestaltung.

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