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Hochbau: Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz

Energieeffizientes Bauen steht in Ägypten noch am Anfang. Ein vereinfachtes Zertifizierungssystem kann bei der Umsetzung in mehr Projekten helfen.

Von Marcus Knupp | Kairo

Wohngebäude sind der mit Abstand größte Stromverbraucher in Ägypten. Nach Angaben der Egyptian Electricity Holding Company für das Finanzjahr 2022/2023 stand dieser Bereich für 46 Prozent der gesamten verkauften Elektrizität. Damit besitzt er auch ein überragendes Einsparpotenzial. Ein erheblicher Teil des Verbrauchs geht auf den Einsatz von Klimaanlagen zurück. Mit heißeren und längeren Sommern im Zuge des globalen Klimawandels wird dieser Aspekt tendenziell weiter an Bedeutung gewinnen. Große Neubauprojekte geben Gelegenheit, die Energieeffizienz zu verbessern.

Vor- und Nachteile der bestehenden Gebäudestruktur

Fast die gesamte Bevölkerung Ägyptens konzentriert sich in den traditionellen Siedlungsräumen des Niltals und des Nildeltas. Abgesehen von einige Oasen kann nur dort Landwirtschaft ohne erheblichen Aufwand für künstliche Bewässerung betrieben werden. Das Land wird entsprechend intensiv genutzt. Dörfer und Städte sind in der Regel sehr dicht gebaut, um möglichst wenig der wertvollen Anbaufläche zu verlieren. Es dominiert daher eine kompakte Bauweise, in den Städten fast ausschließlich im Geschosswohnungsbau.

Allerdings ist ein beträchtlicher Teil der Wohngebäude in informeller Weise errichtet, und wird zum Teil nach und nach um Stockwerke erweitert, wenn Geld zur Verfügung steht. Diese Gebäude sind technisch sehr einfach gebaut, etwa was Beleuchtung oder Wasserversorgung angeht. Aufgrund der in der Vergangenheit erheblichen Subventionen auf den Energiepreis bestand wenig Anreiz zu energieeffizientem Bauen. Auch fehlt meistens das Bewusstsein und das Wissen hierzu. Fortschritte lassen sich eventuell mittelfristig durch den Ersatz von Geräten (Klimaanlagen) oder den Einbau von Verbrauchsreglern (Smart Meter) erreichen.

Anders sieht es bei den Gebäuden in den neu geplanten Entlastungsstädten wie New Cairo aus. Sie werden komplett in der Wüste errichtet. Da die Nutzungskonkurrenz mit der Landwirtschaft keine Rolle spielt, ist der Anteil von Villen und Einfamilienhäusern hier größer. Auch Geschosswohnungen weisen oft größere Flächen auf. Die Immobilienpreise liegen hier höher als in den meisten Vierteln des alten Kairo. Effizienzkriterien können bei den Neubauten von Beginn an berücksichtigt werden. Höhere Investitionen in die Bauausführung oder die Ausstattung können eher im Miet- oder Verkaufspreis abgebildet werden.

Welche Zertifizierung passt?

Um einen höheren Preis beim Verkauf oder der Vermietung zu erzielen, kann es hilfreich sein, das Gebäude nach einem anerkannten Standard als energieeffizient zertifizieren zu lassen. International gibt es eine Vielzahl von Zertifikaten, die sich an den Bedingungen im jeweiligen Herkunftsland orientieren und in der Zahl der betrachteten Variablen sowie ihrer Gewichtung voneinander abweichen. Verbreitet sind etwa der britische Standard BREEAM, der US-amerikanische Standard LEED oder EDGE von der Weltbank-Gruppe. Verpflichtend ist eine Zertifizierung nicht.

Ägypten hat sich 2005 den ersten Building Energy Efficiency Code (ECP 306-2005) gegeben. Formuliert hat ihn das Egyptian Housing and Building National Research Center (HBRC). Auf Basis von LEED hat das HBRC dann bis 2011 das Green Pyramid Rating System (GPRS) entwickelt. Einen alternativen Standard für nachhaltiges Bauen hat das Egypt Green Building Council (EGBC) entworfen. Das Tarsheed genannte Regelwerk orientiert sich am Standard EDGE und betrachtet mit den Kategorien Wasser, Energie und Gebäudequalität lediglich drei Bereiche. Gefordert wird dann jeweils eine Verbesserung um mindestens 20 Prozent gegenüber von Basiswerten.

Während nach den von EDGE publizierten Zahlen die Standards LEED und EDGE in Ägypten bisher am meisten verwendet worden sind, zeigt die Aufstellung außerdem, dass diese Zertifizierungen sich ausschließlich auf Gewerbebauten beschränken. GPRS und Tarsheed wurden dagegen zumindest zu einem geringen Prozentsatz auch bereits auf Wohngebäude angewendet. Unabhängige Untersuchungen weisen darauf hin, dass Inhalte zum nachhaltigen Bauen erst langsam in die Lehrpläne der Universitäten Eingang finden und viele der aktiven Architekten nur Teilkenntnisse in diesem Bereich aufweisen. Ein weniger umfangreicher Standard wie Tarsheed könnte hier die Anwendung schneller ausweiten.

Wenig Geld für Förderung

Es gibt keine direkten Förderprogramme für nachhaltiges Bauen in Ägypten. Speziell im Energiebereich sind aber einzelne Regelungen anwendbar, die zu einer Verbesserung der Gebäudebilanz führen können. Dies sind etwa ein Tarif zur Einspeisung von aus Abfällen erzeugter Elektrizität oder die 2023 erweiterten Möglichkeiten zum Einsatz kleiner Solaranlagen und deren Anschluss an das nationale Stromnetz.

Auch ägyptische Banken haben nach Angaben von EDGE bisher keine speziellen Finanzierungsprodukte für nachhaltiges Bauen im Angebot. Wohl aber besteht über einzelne lokale Banken die Möglichkeit, auf geförderte Finanzierungen internationaler Institutionen zuzugreifen. Genannt werden hier die Green Economy Finance Facility des Green Climate Fund (GCF) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie der Market Accelerator for Green Construction (MAGC) der International Finance Corporation (Weltbank-Gruppe).

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