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Chinas Äthiopien-Dschibuti-Bahn an Anwohnern vorbeigeplant

Chinas Firmen setzen Großprojekte oft zügig um. Das hat auch Nachteile, wie eine Eisenbahn in Äthiopien zeigt. Mehr Studien und Einbeziehung der Anlieger hätten wohl geholfen.

Von Ulrich Binkert | Addis Abeba

Wer sich viel über die Deutsche Bahn beschwert, sollte einmal in den Zug von Addis Abeba nach Dschibuti steigen. Nach dem Start frühmorgens in Äthiopiens Hauptstadt und einer Übernachtung unterwegs kommt der Reisende am Nachmittag des Folgetags in der Hafenstadt am Roten Meer an. Die Strecke von 756 Kilometern ist erst im Jahr 2016 in Betrieb gegangen und hat 4,3 Milliarden US-Dollar (US$) gekostet. Das ist mehr, als Äthiopien im Jahr 2022 mit Warenexporten einnahm.

Geringes Tempo begrenzt Transportkapazität

Die Bummelei ist ein Grund dafür, warum die Bahn derzeit nur rund ein Achtel der Güter transportiert, die Äthiopien über den Hafen Dschibuti aus- und vor allem einführt. Kämen die Züge in die Nähe der eigentlich vorgesehenen 120 Stundenkilometer (km/h), ließe sich deutlich mehr transportieren als bei dem Standardtempo 47 km/h, das Google Maps dem Besucher bei einer Fahrt im März 2023 anzeigte. Auf der meist eingleisigen Strecke und bei teils langen Abständen zwischen den Bahnhöfen fehlen Ausweichstellen zum Überholen. Laut der Bahngesellschaft Ethio-Djibouti Railway (EDR) gibt es davon bisher nur ein halbes Dutzend auf dem gesamten Schienenweg. Die Bahn verzeichnete zuletzt zwar ein deutliches Plus bei Nachfrage und Einnahmen, die Rückzahlung der Kredite wird damit aber trotzdem schwierig.

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Der nächste harte Ruck irgendwo vor der Provinzstadt Dire Dawa gibt einen Hinweis darauf, warum alles so langsam geht. "Da vorne steht wohl wieder eine Ziege im Gleis", meint ein Mitfahrer, der die Strecke öfter nimmt. Der Lokführer muss auf Sicht fahren und schnell zum Stehen kommen können. Nichts davon wissen will man später in der EDR-Zentrale in Addis Abeba von Geschichten, die Reisende früherer Fahrten erzählen: Dass Anwohner ihre Tiere absichtlich in die Züge trieben, um dann 800 US$ "Lösegeld" für eine Kuh zu verlangen oder auch das Doppelte für ein Kamel. "Die Menschen entlang der Strecke lieben ihre Tiere."

Gleisschutz durch Zaun nicht machbar

Ein Zaun, der Mensch und Tier von den Gleisen fernhalten könnte, ist entlang der gesamten Bahnstrecke fast nie zu sehen. "Früher stand da mal öfter einer", sagt ein chinesischer Mitfahrer, der beim Bau der Bahn für die Oberleitungen zuständig war, "den haben aber die Leute drumherum wieder abgebaut". Ein Jammer sei das, China helfe den Menschen mit der schönen Eisenbahn und so vielen Milliarden, und die würden das einfach nicht wertschätzen.

Ein Zaun würde auch bei einem weiteren Problem kaum helfen, das sie in der EDR-Zentrale freimütig benennen. "Es werden immer wieder mal Beschläge oder andere, auch sicherheitsrelevante Teile gestohlen." Deshalb fahre drei Stunden vor jedem Personenzug und fünf Stunden vor einem Gütertransport eine Inspektionslok die gesamte Strecke ab.

Vor allem jedoch würde ein Zaun die Menschen entlang der Bahnstrecke noch stärker gegen das Bauwerk aufbringen, heißt es in der Bahnzentrale. "Sie fühlen durch die Trasse schon jetzt ihren Lebensraum durchschnitten. So ein Zaun zerteilt Familien." Der Fokus der Bahngesellschaft liege vielmehr darauf, die lokalen Gemeinschaften einzubeziehen. Mit gelegentlichen Wasserlieferungen in der trockenen Gegend zum Beispiel. Und natürlich rede man mit den Clanchefs und Gemeindevorstehern.

Anwohner offenbar mangelhaft in das Projekt eingebunden

Die Bevölkerung entlang der Strecke sei in das Projekt mit einbezogen worden, heißt es bei der EDR, die Verantwortlichen hätten Sozial- und Umweltverträglichkeitsstudien erstellt. Verwunderlich erscheint aber zum Beispiel, dass offenbar keine Zahlen vorliegen, wie viele Anwohner für und wie viele gegen die Eisenbahn sind. "Das wäre mal interessant zu erheben." Dabei kennen die Anlieger das Thema eigentlich: Die Strecke verläuft in weiten Teilen direkt neben einer alten, von Frankreich errichteten Linie, die 1917 in Betrieb ging und erst vor einigen Jahren zum größten Teil vollständig aufgegeben wurde.

"Die Chinesen führten bei der Bahn offenkundig keine Community Relations Policy durch", sagt Oliver Scholz. Der Professor der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin reist wegen einer Partnerschaft mit der Universität Adama oft nach Äthiopien und ist im Jahr 2019 auch mit der Bahn nach Dschibuti gefahren. Üblich sei ein solches Einbinden von Anliegergemeinden zum Beispiel bei Telekomfirmen, die wollten, dass man ihre Mobilfunkmasten in Ruhe lässt. Wie etwa die südafrikanische Vodafone-Beteiligung Vodacom und deren Ausbau des Telekomnetzes in Nigeria.

"Mich würde es nicht wundern, wenn die Studien zum Projekt eher oberflächlich waren", sagt auch Hinrich Brümmer. Der Manager der deutschen Niederlassung des dänischen Ingenieurdienstleisters Ramboll, der die Stadt Addis Abeba gerade bei ihrem Transportplan berät, würde ansonsten Lösungen wie Wildbrücken erwarten. Dabei gibt es für die Querung der Bahn laut EDR neben etwa 300 Übergängen lediglich ein knappes Dutzend Überführungen und keine einzige Unterführung.

Studienmarathon & Co. – "das kann sich auch lohnen"

Langwierige Studien, überteure Bauwerke oder komplizierte Abstimmungsprozesse – das wird Projekten "westlich" geprägter Organisationen wie der Weltbank oft nachgesagt. Gerade auch in Deutschland können Infrastrukturprojekte bekanntlich lange dauern und Kostenrahmen sprengen. "Wenn das Projekt dadurch aber besser läuft und mehr Ertrag erzielt, lohnt sich das auch wirtschaftlich", sagt Ramboll-Manager Brümmer dazu.

Übrigens transportiert die Bahn einen Container immer noch etwas schneller als ein parallel fahrender Lkw. Auch der Personenzug Anfang März kommt irgendwann in Dschibuti an. Ähnlich wie öfter bei der Deutschen Bahn zwar mit einer knappen Stunde Verspätung, aber immerhin planmäßig, am nächsten Tag.

Finanzierung, Bau und Betrieb durch chinesische Firmen

Die Ethio-Djibouti Railway (EDR) wurde zum Großteil von der China EximBank finanziert und von den chinesischen Firmen CREC und CCEC gebaut. Die beiden Unternehmen sind bis Ende 2023 auch Betreiber der Bahn. Vor Ort aktiv sind laut EDR derzeit noch 300 Chinesen, die lokales Personal für die Übernahme des Betriebs ausbildeten.

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