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Branchen | Kanada | Schienenverkehr

Kanadas Bahnstrategie eröffnet Chancen für deutsche Anbieter

Vom Hochgeschwindigkeitszug bis zur Rohstofflogistik: Kanadas Bahnprojekte bieten deutschen Unternehmen vielfältige Einstiegsmöglichkeiten.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Kanada investiert in den kommenden Jahren massiv in den Ausbau seiner Bahn- und Schieneninfrastruktur – nicht nur im Personenverkehr, sondern zunehmend auch im Gütertransport, insbesondere im Zusammenhang mit dem strategischen Aufbau einer heimischen Batteriewertschöpfungskette. Für deutsche Unternehmen mit Spezialisierung auf Bahntechnik, Digitalisierung, Infrastruktur und Umweltlösungen ergeben sich daraus viele Einstiegschancen.

"Alto" – Hochgeschwindigkeitsprojekt mit Rückenwind aus Ottawa

Mit dem Projekt "Alto" verfolgt Kanada den Bau einer rund 1.000 Kilometer langen elektrifizierten Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Québec City und Toronto – und damit das größte Infrastrukturvorhaben in der Geschichte des Landes. Die Züge sollen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometer/Stunde unterwegs sein und die Reisezeit zwischen Montréal und Toronto auf rund drei Stunden halbieren.

"Alto" gilt inzwischen als Schlüsselprojekt für die nationale Infrastruktur. Die politische Unterstützung ist groß, doch ein Restrisiko bleibt: Laut Projektplanung dauert die Designphase bis etwa 2030, und die Mittel für den Bau werden erst danach freigegeben. Das bedeutet, dass die Umsetzung stark von langfristiger politischer Kontinuität und Haushaltsentscheidungen abhängt. Ein Regierungswechsel oder veränderte Prioritäten könnten das Projekt verzögern oder modifizieren.

Im September 2025 kündigte Dominic LeBlanc, zuständiger Minister für Handel und föderale Zusammenarbeit, an, den Baubeginn innerhalb von vier Jahren erreichen zu wollen – eine ambitionierte Zielsetzung, die über die bisher kommunizierte Projektplanung hinausgeht.

Ontario Line: Milliardenprojekt, aber begrenzte Chancen für Newcomer

Im Zentrum der Aktivitäten rund um die Bahn- und Nahverkehrsinfrastruktur stehen die Provinzen Ontario und Québec.

Eines der größten Projekte ist die Ontario Line in Toronto. Die Hauptaufträge wurden zwar bereits zwischen 2022 und 2024 vergeben. Die Konsortien – darunter Connect 6ix, bestehend unter anderem aus Hitachi Rail, Transdev und Webuild, die Ontario Transit Group und Trillium Guideway Partners – vergeben aber weiterhin Subaufträge, die nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Internationale Anbieter, die über ein starkes lokales Netzwerk verfügen, nach kanadischen Normen zertifiziert sind oder eine technologisch einzigartige Lösung anbieten, können hier zum Zuge kommen. Dazu zählen etwa:

  • Signal- und Kommunikationstechnik
  • Brandschutzsysteme
  • digitale Fahrgastinformation
  • Wartungstechnologien und Sensorik
  • Cybersecurity für Bahnsysteme

Einzelne Infrastrukturmaßnahmen wie Brücken, Zufahrten oder Tunnelportale werden weiterhin über die Plattform MERX ausgeschrieben. Diese Projekte sind kleiner, aber für spezialisierte Anbieter mit Kanadaerfahrung durchaus interessant.

REM: Chancen in der Endphase

Auch für das Réseau express métropolitain (REM) in Montréal – ein vollautomatisiertes, elektrisches Leichtmetronetz mit 67 Kilometer Länge und 26 Stationen – wurden die zentralen Bau- und Betriebsverträge bereits vor Jahren vergeben. Punktuelle Einstiegsmöglichkeiten bestehen noch bei:

  • digitalen Fahrgastinformationssystemen
  • Energieeffizienzlösungen
  • Tunnel- und Brückentechnik

Local content: Was deutsche Anbieter wissen sollten

Kanada hat im Herbst 2025 eine neue „Buy Canadian Policy“ eingeführt, die bei Bundesvergaben künftig bevorzugt kanadische Materialien und Zulieferer berücksichtigt. Die Umsetzung beginnt ab November und betrifft vor allem Bau- und Infrastrukturprojekte.

Gleichzeitig bleibt die Praxis uneinheitlich: VIA Rail machte bei der neuen Zugflotte im Korridor Québec City–Windsor keine Local-content-Vorgaben. Auch für die geplante LDRR-Flotte – die Erneuerung der landesweiten Long Distance, Regional and Remote-Züge, also Fern-, Regional- und Verbindungen in entlegene Gebiete – sind bislang keine Anforderungen bekannt.

Provinzen wie Ontario und Québec können hingegen eigene Vorgaben machen. So musste Alstom bei der Lieferung von Stadtbahnfahrzeugen für Ottawa 25 Prozent der Wertschöpfung in Kanada erbringen  umgesetzt durch die Endmontage vor Ort.

Für deutsche Anbieter gilt: Bundesprojekte bieten tendenziell offenere Zugänge, bei Provinzprojekten lohnt ein genauer Blick auf lokale Anforderungen.

Schiene trifft Rohstoffstrategie: Infrastrukturprojekte im Bergbaukontext

Während sich die großen Bahnprojekte wie Alto, Ontario Line und REM auf den Personentransport konzentrieren, entstehen in Kanada auch im Güterverkehr Chancen – insbesondere dort, wo die Bahn Teil der strategischen Rohstofflogistik wird. Denn Kanada verfolgt das Ziel, eine vollständige Batteriewertschöpfungskette im eigenen Land aufzubauen: vom Abbau seltener Erden über die Verarbeitung bis zur Zellenproduktion. Dafür werden neue Minen erschlossen, die effizient und nachhaltig ans nationale Verkehrsnetz angebunden werden müssen.

Strange Lake: Seltene Erden mit Anschlussbedarf

Ein Beispiel ist das Strange Lake Rare Earth Project von Torngat Metals in der Grenzregion zwischen Québec und Labrador. Die Mine soll ab 2028 in Betrieb gehen und wird bereits mit rund 120 Millionen US-Dollar (US$) von der Canada Infrastructure Bank und Export Development Canada gefördert. Geplant sind eine 170 Kilometer lange Zufahrtsstraße und Hafenanlagen. Perspektivisch könnte auch die bestehende Infrastruktur in Sept-Îles – darunter Hafen und Bahnnetz – eine Rolle spielen, etwa für den Materialtransport oder die Weiterverarbeitung.

McIlvenna Bay: Kupfer für die Energiewende

Auch das McIlvenna Bay Copper-Zinc Project in Saskatchewan zeigt, wie eng Bergbau und Bahnlogistik verknüpft sind. Als erstes "Net-Zero"-Kupferprojekt Kanadas, das auf klimaneutrale Förderung und Verarbeitung abzielt, wurde es vom Major Projects Office priorisiert – einer Bundesstelle, die große Infrastrukturvorhaben im nationalen Interesse koordiniert und beschleunigt. Die geförderten Rohstoffe sollen per Schiene über die Hudson Bay Railway zur geplanten Verarbeitungsanlage in Manitoba transportiert werden – ein interprovinzieller Güterverkehr mit hohem Anspruch an Technik und Sicherheit.

Hier bieten sich Chancen für:

  • Güterwaggons für kritische Mineralien
  • Sicherheitstechnik für Gefahrguttransporte
  • Wartungssysteme für Langstreckentransport

Förderung für Infrastruktur mit Rohstoffbezug

Die kanadische Regierung unterstützt solche Projekte gezielt über den Critical Minerals Infrastructure Fund und die Canada Infrastructure Bank. Beide Programme fördern Vorhaben, die zur Erschließung und zum Transport strategisch wichtiger Rohstoffe beitragen – insbesondere, wenn sie Bahnanschlüsse oder multimodale Logistiklösungen integrieren.

Ob urbane Großprojekte, Hochgeschwindigkeit oder Gütertransport im Bergbaukontext: Kanada bietet deutschen Unternehmen mit Spezialisierung auf Bahntechnik, Digitalisierung, Infrastruktur und Umweltlösungen vielfältige Chancen. Besonders gefragt sind Anbieter, die sich in komplexe Projekte integrieren können – etwa über lokale Partnerschaften oder als zertifizierte Zulieferer.

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