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Branchen | Belgien | Wasserstoff

Belgien forciert Ausbau der Wasserstoffindustrie

Belgien will zu einem überregionalen Import- und Transitzentrum für Wasserstoff werden. Zudem sollen viele Unternehmen eine Technologieführerschaft erlangen.

Von Torsten Pauly | Berlin

Dies sieht die im Oktober 2022 aktualisierte Wasserstoffstrategie der belgischen Regierung vor. Gegenüber der ersten Version von 2021 hat Belgien die Ziele höher gesteckt. Grund dafür ist unter anderem der Eindruck einer unsicheren Energieversorgung aus Russland seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs.

Regierung will mehr Wasserstoff importieren

Die belgische Regierung will die Einfuhrkapazitäten für "grünen" Wasserstoff, das heißt aus erneuerbaren Quellen gewonnener Wasserstoff, stärker ausbauen. Diese sollen sich bis 2030 auf ein Volumen von 20 Terawattstunden im Jahr summieren. Noch vor Jahresfrist hatte die Regierung einen weitaus geringeren Ausbau auf maximal 6 Terawattstunden formuliert. Im Jahr 2050 sollen nun sogar Einfuhren von "grünem" Wasserstoff von bis zu 350 Terawattstunden jährlich möglich sein.

Die Kapazitätsplanungen gehen weit über den innerbelgischen Bedarf hinaus. Diesen beziffert die Regierung für 2050 mit aus regenerativen und sonstigen Quellen erzeugten Wasserstoff auf maximal 200 Terawattstunden. Belgien soll in Nordwesteuropa eine zentrale Rolle als Wasserstoffdrehkreuz einnehmen. Hierfür will die Regierung bis 2028 auch eine Pipeline nach Deutschland legen und plant dazu 395 Millionen Euro an föderalen Haushaltsmitteln ein. Darüber hinaus können bestehende Gasleitungen zu Wasserstoffleitungen umgerüstet werden.

Große Nordseehäfen als Anladezentren

Zentral in dieser Drehkreuzstrategie ist der neu formierte zweitgrößte Hafen Europas, Antwerpen-Brügge. Dieser verfügt sowohl mit seiner Lage direkt an der Nordsee in Zeebrugge als auch 80 Kilometer im Inland in Antwerpen über hervorragende Voraussetzungen. Im Areal in Antwerpen befindet sich zudem das zweitgrößte Chemiecluster der Welt. Neben Wasserstoffterminals will der Hafenbetreiber auch ein Pipelinenetz von 30 Kilometern in Antwerpen und von bis zu 25 Kilometern in Zeebrugge errichten.

Auf Wasserstoff setzt auch Belgiens drittgrößter Seehafen Gent, der zur Gruppe North Sea Port gehört. Dort soll ein Pipelinenetz von 65 Kilometern entstehen. Darüber hinaus sollen Wasserstoffleitungen von 100 Kilometern Länge alle drei Hafengebiete verbinden. Die für diesen ersten Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur nötigen Investitionen hat eine Studie im Jahr 2021 auf 1,1 Milliarden Euro beziffert.

Regionen bestimmen bei Energiepolitik mit

Belgien gliedert sich in die drei autonomen Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt. Die nationale Regierung ist in der Energiepolitik nur für Atomkraftwerke, Nordseewindparks und die landesweiten Strom- und Gasübertragungsleitungen zuständig. Den drei Regionen obliegt dagegen in ihrem Gebiet die Ausgestaltung der Nutzung aller anderen Energieträger.

Für die im Aufbau befindliche Wasserstoffinfrastruktur bedeutet dies, dass die gesamtbelgischen Autoritäten für die überregionalen Pipelines und internationale Kooperationen verantwortlich sind. Die Gewinnung und Verwendung von Wasserstoff samt der dafür nötigen Investitionen ist dagegen Sache der jeweils zuständigen Region.

Cluster mit Know-how im Wasserstoffsektor

Auch für die Förderung einer Wasserstoffindustrie sind die Regionen zuständig. Hierfür bestehen in Flandern und Wallonien bereits starke Cluster. Diese umfassen die gesamte Wertschöpfungskette für Wasserstoff, von dessen Gewinnung über eine Terminal- und Transporttechnologie bis hin zu verschiedensten Formen der Nutzung. So hat der Hersteller Van Hool den weltweit ersten Brennstoffzellenbus zur Serienreife gebracht. Dieser fährt unter anderem im öffentlichen Personennahverkehr der Städte Köln und Wuppertal.

Im flämischen Turnhout hat das Branchennetzwerk Waterstofnet seinen Sitz. Hierzu gehören neben Forschungseinrichtungen etwa 120 Unternehmen, zum Teil auch aus den Niederlanden. Waterstofnet hat unter anderem ein Wasserstoffindustriecluster aufgebaut.

In den Regionen Wallonien und Brüssel-Hauptstadt existiert das Cluster Tweed für erneuerbare Energien, das etwa 200 Mitglieder zählt. Speziell für die Wasserstoffsparte hat Tweed den H2-Hub Wallonia gegründet. Im Oktober 2022 haben Waterstofnet und H2-Hub Wallonia auch angekündigt, künftig in einem belgischen Wasserstoffrat zusammenzuarbeiten.

Öffentliche Hand fördert Projekte

Auch Belgiens Föderalregierung unterstützt die Forschung und Entwicklung in der Wasserstoffindustrie. Hierfür besteht zum einen das Programm "Clean Hydrogen für Clean Industry", für das eine neue Ausschreibungsrunde 2023 geplant ist. Speziell für Innovationen im Wasserstoffimport gibt es zudem das Programm "H2 Import Call". Darüber hinaus stellt der "Energy Transition Fund" jährlich bis zu 30 Millionen Euro für Wasserstoffprojekte zur Verfügung.

Für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft setzt Belgien auch Fördermittel von 387 Millionen Euro aus der Europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität ein. Hiervon entfallen 145 Millionen Euro auf die föderale Ebene, 125 Millionen Euro auf Flandern und 117 Millionen Euro auf Wallonien.

Eigene grüne Erzeugung bleibt gering

Belgiens aktualisierte Wasserstoffstrategie sieht auch vor, 150 Megawatt an Elektrolysekapazitäten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff bis 2026 aufzubauen. Generell wird Belgien jedoch auf absehbare Zeit importabhängig bleiben. Das Potenzial an erneuerbaren Quellen ist zu gering. Wenngleich sich Wind- und Fotovoltaikanlagen weiter im Aufbau befinden, hat Belgien 2021 erst 17,5 Prozent seines Stroms mit diesen beiden Trägern gewonnen.

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Die belgische Regierung setzt in ihrer Strategie aber auch auf nicht-grünen Wasserstoff, der mit Methan erzeugt wird. Gerade in Verbindung mit einer Kohlenstoffspeicherung kann dies durchaus eine Brückentechnologie bis 2050 sein. Belgien hat hierfür nicht zuletzt wegen seiner bedeutenden Chemieindustrie hervorragende Voraussetzungen. Insgesamt hat Belgien 15 Wasserstoffprojekte definiert, die den Status eines "Wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse" (IPCEI - Important Project of Common European Interest) erhalten sollen.

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