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Rechtsbericht Belgien Arbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht

Belgien plant umfassende Arbeitsmarktreform

Die neue belgische Regierung plant eine umfassende Arbeitsmarktreform. Ziel ist mehr Dynamik und Flexibilität, bei gleichzeitiger Bewahrung des sozialen Schutzes.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Der belgische Koalitionsvertrag 2025-2029 enthält ein breites Spektrum an Vorhaben, auch zur Modernisierung und Flexibilisierung des belgischen Arbeitsrechts.

Mehr Spielraum bei der Arbeitszeit

Die neue Regierung plant diverse Änderungen des Arbeitszeitrechts. Insgesamt soll es mehr Flexibilität geben. So wird die Regel, dass Teilzeitarbeitnehmer mindestens ein Drittel der Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter arbeiten sollen, ersatzlos abgeschafft. Dies gilt auch für das Verbot der Nachtarbeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr. Von diesem gab es zwar etliche Ausnahmen, von denen einige aber Schwierigkeiten in der Anwendung mit sich brachten.

Überdies sollen Arbeitnehmer künftig freiwillig bis zu 360 (bislang: 120) Überstunden im Jahr arbeiten dürfen, ohne dass der Arbeitgeber Freizeitausgleich gewähren muss. Maximal 240 dieser Überstunden sollen sogar ohne Abzug von Steuern und Sozialabgaben ausgezahlt werden dürfen.

Noch nicht ganz klar ist hingegen, was genau mit den geplanten “Akkordeon-Arbeitszeiten” gemeint ist. Hierzu läuft derzeit eine Konsultation der belgischen Sozialpartner. Im Grundsatz sollen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darauf einigen können, die Einhaltung der Arbeitszeiten auf jährlicher Basis zu prüfen, anstatt wie bisher wöchentlich oder täglich. Ziel ist maximale Flexibilität bei gleichzeitiger Einhaltung der Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie.

Die generelle Verpflichtung, alle Arbeitszeiten in die Arbeitsordnung aufzunehmen, soll abgeschafft werden, wenn die Grenzen des flexiblen Arbeitens in der Arbeitsordnung klar festgelegt sind.

Mehr Probezeit und weniger Abfindung

Die erst kürzlich abgeschaffte Probezeit eines Arbeitsverhältnisses soll wieder eingeführt werden. Sie soll sechs Monate dauern, und während sie läuft, dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit jeweils einer Woche Frist kündigen. Diese Maßnahme soll spätestens bis Anfang des kommenden Jahres wirksam werden.

Der Kündigungsschutz als solcher soll nicht angetastet werden. Die Regierung plant aber, die Abfindung im Falle einer einseitigen Kündigung durch einen Arbeitgeber auf 52 Wochen zu begrenzen. Die derzeitigen Regelungen sehen keine Obergrenze vor, was bedeutet, dass sich die Kündigungsfrist während des gesamten Arbeitsverhältnisses weiter erhöht. Dies kann zu enormen Abfindungen führen. Die geplante Änderung wird allerdings nicht rückwirkend greifen, sondern nur für Neueinstellungen gelten.

Mehr Beschäftigung durch geringere Arbeitskosten

Ab 2027 werden in Belgien die Nettolöhne, insbesondere für unterdurchschnittlich verdienende Arbeitnehmer, ansteigen. Dies wird durch reduzierte Sozialabgaben und erweiterter Steuerbefreiungen erreicht werden. Unterhaltsames Detail: Arbeitgeber schulden künftig keine Sozialversicherungsbeiträge mehr für den Teil der Gehälter, der das monatliche Bruttogehalt des belgischen Premierministers (heute circa 22.500 EUR) übersteigt.

Der Mindestlohn soll in zwei Stufen angehoben werden – zunächst im April 2026, dann noch einmal im Jahr 2028. Das belgische System der automatischen Lohnindexierung bleibt gleichzeitig bestehen.

Flexi-Jobs, ein spezifisches System, in dessen Rahmen Rentner und andere spezifische Arbeitnehmergruppen (weiterhin) nach einem günstigen Sozialversicherungs- und Steuersystem arbeiten können, wird auf alle Sektoren ausgeweitet. Bislang war dies nur in bestimmten Branchen möglich. Mit Flexi-Jobs können künftig bis zu 18.000 Euro pro Jahr steuerfrei verdient werden, wobei der Mindestlohn von 17 auf 21 Euro pro Stunde steigen soll.

Weitere Maßnahmen

Die Überlassung von Arbeitnehmern ist in Belgien aktuell verboten, es sei denn, es sind bestimmte strenge Bedingungen erfüllt. Die Regierung möchte mehr Möglichkeiten für Arbeitgeber schaffen, Arbeitnehmer vorübergehend zu einem anderen Arbeitgeber zu versetzen. Gleichzeitig soll aber verhindert werden, dass die Arbeitnehmerüberlassung missbraucht wird.

Das belgische Streikrecht beruht auf dem so genannten “Herenakkoord” von 2002. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern, deren Unzulänglichkeit schon lange als problematisch angesehen wird. Die neue Regierung setzt den Sozialpartnern eine Frist bis zum Jahresende, um eine neue Regelung zu finden, die internationale Standards, die aktuelle Rechtsprechung und die öffentliche Ordnung respektiert.

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