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Branchen | Belgien | Chemische Industrie
Belgien ist einer der wichtigsten europäischen Chemiestandorte. Die Hälfte der Produktion entfällt auf organische Chemikalien und Grundstoffe.
22.10.2020
Von Torsten Pauly | Berlin
Die generell kurzen Wege und insbesondere die räumliche Konzentration führender Anbieter in einigen Clustern ist eine Stärke des Standorts Belgien. Dies gilt nicht nur für die Produktion, sondern auch für die Forschungslandschaft. In deren Umfeld sind in den letzten Jahren innovative Startups entstanden, von denen einige in ihren Sparten zu den Weltmarktführern zählen.
Während in der Chemieindustrie Antwerpen dominiert, ist der starke BioTech-Sektor auf mehrere belgische Städte und Regionen verteilt. Neben Brüssel sind hier vor allem Gent, Löwen und Mechelen in Flandern sowie Lüttich, Charleroi, Mons, Ottignes, Gembloux und Namur in Wallonien zu nennen.
Auf Basischemikalien entfielen 2018 drei Viertel (74,8 Prozent) der gesamten Branchenproduktion. Allein organische Grundstoffe und Chemikalien haben die Hälfte des Produktionswertes (49,8 Prozent) ausgemacht.
Sparte (NACE Rev.2) | 2018 | Veränderung 2017/2018 | Marktanteil |
---|---|---|---|
Chemie (20), davon | 33.489,6 | 3,4 | 100,0 |
Basischemikalien (20.1), darunter | 25.034,4 | 4,9 | 74,8 |
organische Grundstoffe und Chemikalien (20.14) | 16.690,6 | 17,8 | 49,8 |
Kunststoffe in Primärformen (20.16) | 4.290,8 | -18,5 | 12,8 |
Agrochemikalien (20.2) | 488,4 | 25,6 | 2,5 |
Farben (20.3) | 1.945,9 | -2,1 | 5,8 |
Kosmetik und Reinigungsmittel (20.4) | 1.975,8 | -18,4 | 5,9 |
Sonstige chemische Erzeugnisse (20.5) | 3.215,0 | -4,1 | 9,6 |
Chemiefasern (20.6) | 830,2 | 117,4 | 2,5 |
In Belgien gab es 2018 insgesamt 643 Unternehmen in der Chemieindustrie. Diese hatten 46.100 Mitarbeiter. Darüber hinaus gab es 167 Pharmaunternehmen mit 28.400 Beschäftigten. Vom Umsatz her lag der Konzern Solvay 2018 weltweit an 24. Stelle. Umicore befand sich auf Rang 44.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2019 |
---|---|---|
v.a. Chemikalien für Kfz- und Raumfahrtindustrie, Gesundheit und Konsumgüter, Umwelt und Rohstoffe, Agar und Nahrungsmittel, Baugewerbe | 10,2 Mrd. | |
v.a. Chemikalien für Chemie-, Kfz-, Raumfahrt-, Elektronik-, Reyclingindustrie, Bergbau | 3,4 Mrd. | |
u.a. Kleb-, Dichtstoffe | 893 Mio. | |
Phosphatchemie | 732 Mio. | |
Agrochemie | 224 Mio. |
Innerhalb Belgiens wiederum konzentriert sich die Chemieindustrie stark auf die niederländischsprachige Region Flandern und dort auf Antwerpen. In dieser Stadt befindet sich der zweitgrößte Hafen Europas und auf dessen Areal ist in den letzten Jahrzehnten auch Europas größtes Chemiecluster entstanden. Dort sind unter anderem BASF, Bayer, Evonik, Covestro und Lanxess präsent. Weitere wichtige flämische Standorte sind Gent und Mortsel, wo etwa Agfa-Gevaert seinen Sitz hat.
Im Jahr 2018 sind 83 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung von Belgiens Chemieindustrie in Flandern angefallen. Auf das frankophone Wallonien entfielen 14 Prozent, der Rest wurde in der Brüsseler Hauptstadtregion erbracht. Auch die Petrochemie ist größtenteils in Flandern ansässig. Die Bruttowertschöpfung der Pharmaindustrie hat sich 2018 deutlich gleichmäßiger zwischen Flandern (53 Prozent) und Wallonien (45 Prozent) aufgeteilt.
Belgiens Ausfuhr von chemischen Erzeugnissen der SITC-Position 5 ist 2019 um 1,5 Prozent auf 122,3 Milliarden Euro gestiegen. Dabei konzentriert sich der Export auf wenige Produktgruppen. So hatten Arzneimittel 2019 einen Anteil von 40,9 Prozent, organische Chemikalien von 20,7 Prozent und Kunststoffe als Vorprodukte von 15,5 Prozent.
Belgien erwirtschaftet mit chemischen Erzeugnissen dank einer hohen Wertschöpfung strukturelle Exportüberschüsse. Im Jahr 2019 hat dieses Plus 23,8 Milliarden Euro ausgemacht. Auch im Außenhandel mit Deutschland hat Belgien bei chemischen Erzeugnissen 2019 einen Überschuss von 14,4 Milliarden Euro generiert.
Deutschland ist für die belgische Chemieindustrie auch der wichtigste Auslandsmarkt, 2019 gingen 20,9 Prozent der gesamten Branchenausfuhr dorthin. Es folgten die USA mit einem Exportanteil von 11,7 Prozent vor Frankreich (10 Prozent) und den Niederlanden (7,4 Prozent).
Durch die Alterung der belgischen Gesellschaft wird der Fachkräftemangel zum zunehmenden Problem. Die Personalvermittlungsagentur Robert Half hat 2019 berechnet, dass 700.000 Arbeitnehmer bis 2026 in den Ruhestand gehen und nur zu 80 Prozent mit Berufseinsteigern ersetzt werden. Der Chemieverband essenscia fordert daher, die Attraktivität von Naturwissenschaften in der Schule und an den Hochschulen zu erhöhen. Auch auf der Facharbeiterebene konkurriert die Chemiebranche trotz guter Löhne mit anderen Wirtschaftszweigen.
Positiv haben sich in der letzten Zeit die Strom- und Gaspreise für die sehr energieintensive Chemieindustrie entwickelt. Im ersten Halbjahr 2020 hat Elektrizität für Großabnehmer in Belgien weniger gekostet als in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Auch Gas war für belgische Großkunden günstiger als in diesen drei Nachbarländern.
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