Die brasilianische Abfallwirtschaft ist komplex, regional unterschiedlich und stark von informellen Strukturen geprägt.
Im Jahr 2023 wurden rund 81 Millionen Tonnen städtischer Abfälle erzeugt, von denen etwa 93 Prozent eingesammelt wurden. Allerdings wurden nur etwa 60 Prozent dieser Abfälle ordnungsgemäß auf geeigneten Deponien entsorgt, was die anhaltenden Herausforderungen im Bereich der Endlagerung unterstreicht. Zusätzlich wurden etwa 44 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle sowie rund 293.000 Tonnen medizinische Abfälle generiert.
Die Entsorgungssituation variiert stark zwischen den Regionen. In den wirtschaftlich schwächeren Regionen Nord, Nordost und Mitte-West wird mehr als die Hälfte der städtischen Abfälle unsachgemäß entsorgt. Zudem werden jährlich über 5 Millionen Tonnen Abfälle nicht abgeholt und stattdessen auf den Grundstücken verbrannt, auf denen sie anfallen.
Der Markt für die Entsorgung von städtischen Abfällen ist stark fragmentiert. Je nach Stadt oder Gemeinde sind öffentliche, gemischtwirtschaftliche oder rein private Dienstleister mit der Entsorgung beauftragt. Einzelne Unternehmensgruppen können Dutzende kleinere Firmen umfassen, die in verschiedenen Segmenten oder Phasen der Abfallwirtschaft tätig sind. Schätzungen zufolge gibt es in Brasilien zwischen 100 und 120 private Unternehmensgruppen, die in der Entsorgung kommunaler Abfälle aktiv sind und ein Netzwerk aus kleinen, mittleren und großen Unternehmen sowie staatlichen und kommunalen Betrieben bilden.
Laut dem Nationalen Informationssystem für Abwasserentsorgung (SNIS) des brasilianischen Ministeriums für Städte waren im Jahr 2022 noch etwa 1.500 offene Müllkippen ("Lixões") in Betrieb, die keinerlei Umwelt-, Gesundheits- oder Sicherheitskontrollen unterliegen.
Sammlung und Rolle des informellen Sektors
Von den gesammelten städtischen Abfällen im Jahr 2023 wurden etwa 94 Prozent durch öffentliche Dienste und 6 Prozent durch informelle Sammler erfasst. Die öffentliche Sammlung – einschließlich Haus-zu-Haus-Sammlung, selektiver oder nicht-selektiver Sammlung, Sammelpunkte und Partnerschaften mit Sammlerkooperativen – war für etwa 71,1 Millionen Tonnen verantwortlich, was 87,8 Prozent des insgesamt im Land erzeugten Abfalls entspricht.
Die restlichen 4,5 Millionen Tonnen, oder 5,6 Prozent der insgesamt im Jahr 2023 erzeugten Abfälle, wurden durch informelle Sammler – über 700.000 autonome "Catadores" ohne Verbindung zu Organisationen – gesammelt. Eine genaue Quantifizierung der von informellen Sammlern gesammelten Abfälle ist herausfordernd, da diese Arbeit nicht registriert ist und daher schwer zu verfolgen ist.
Wichtige Branchenunternehmen in BrasilienUnternehmen | Sparte |
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Ciclus Ambiental | Abfallentsorgung, Deponiebetrieb, Biogasgewinnung, Waste-to-Energy |
Contemar Ambiental | Anbieter von Sammelcontainern und Abfallbehältern |
Grupo Corpus | Abfallentsorgung, Deponiebetrieb und Kompostierung |
Gás Verde | Biogasgewinnung |
Estre Ambiental | Abfallentsorgung, Deponiebetrieb und Recycling |
Grupo Lara | Abfallmanagement und Biogasgewinnung |
Marquise Ambiental | Abfallentsorgung, Recycling und Biogasgewinnung |
Orizon | Deponiebetrieb, Abfallverwertung und Biogasgewinnung |
Renova Ambiental | Abfallmanagement, Recycling und Sonderabfallbehandlung |
Solvi | Abfallentsorgung, Abfallbehandlung und Biogasgewinnung |
Veolia | Abfallentsorgung, Deponiebetrieb und Recycling |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025
Recycling und Verwertungsprozesse
Im Jahr 2023 wurden lediglich 8,3 Prozent der städtischen Abfälle recycelt, was etwa 6,7 Millionen Tonnen trockener Wertstoffe entspricht. Diese recycelten Abfälle stammen hauptsächlich aus zwei Quellen: der öffentlichen Müllabfuhr und der informellen Sammlung durch die "Catadores“. Die getrennte Abfallsammlung befindet sich in Brasilien noch im Anfangsstadium: Nur etwa 30 Prozent der Gemeinden führen eine selektive Sammlung durch, und 18 Prozent arbeiten dabei mit Recycling-Sammlern zusammen.
Etwa 6 Prozent der durch öffentliche Dienste gesammelten Abfälle, oder 4,2 Millionen Tonnen, wurden 2023 zu Sortieranlagen gebracht. Ungefähr die Hälfte dieses Materials wurde zurückgewonnen, während der verbleibende Teil nach der Sortierung als Restabfall eingestuft und zur endgültigen Entsorgung weitergeleitet wurde.
Da die "Catadores“ sich ausschließlich auf Materialien konzentrieren, die für die Recyclingkette von Wert sind, wird angenommen, dass 100 Prozent des von diesen Arbeitern gesammelten Materials zurückgewonnen wurden.
Diese Schätzung legt nahe, dass etwas mehr als zwei Drittel der im Jahr 2023 in Brasilien zum Recycling gesendeten Abfälle von autonomen Sammlern gesammelt wurden, während etwa ein Drittel durch öffentliche Dienste gesammelt wurde. Dies zeigt das Ausmaß der Beteiligung informeller Arbeit am brasilianischen Recyclingsektor.
Die Qualität der selektiven Sammlung variiert erheblich zwischen den Gemeinden. Einige bieten eine Haus-zu-Haus-Sammlung mit Trennung in mehrere Fraktionen (Papier, Kunststoff, Glas, Metall, organische Abfälle) an, während andere sich auf weniger strenge Trennungen an freiwilligen Abgabestellen beschränken. Die Effizienz der selektiven Sammlung wird auch durch das Bewusstsein der Bevölkerung und die Verfügbarkeit von Sortier- und Verarbeitungseinrichtungen beeinflusst.
Herausforderungen und strukturelle Defizite
Trotz spürbarer Fortschritte bleibt das Recycling in Brasilien auch 2025 mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. In vielen Kommunen fehlt es an grundlegender Infrastruktur, um Wertstoffe effizient zu erfassen und aufzubereiten. Notwendig wären unter anderem geeignete Sammelfahrzeuge, leistungsfähige Sortieranlagen, Kompostwerke sowie normgerechte Deponien für nicht verwertbare Reststoffe. Diese strukturellen Defizite führen dazu, dass ein großer Teil der Abfälle nicht wiederverwertet wird.
Auch beim Bewusstsein der Bevölkerung bestehen Defizite: Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht klar, welche Materialien recycelt werden können, wie sie richtig zu trennen sind und wo eine sachgerechte Entsorgung möglich ist.
Zudem steht der Recyclingsektor wirtschaftlich unter Druck. Die teils starken Preisschwankungen bei Sekundärrohstoffen wie PET oder Aluminium gefährden die Rentabilität von Sammlerkooperativen und Recyclingbetrieben.
Wie das Brasilianische Institut für Rücknahmelogistik (ILOG) betont, werden gesetzlich vorgeschriebene Rücknahmesysteme – etwa für Elektrogeräte oder Altreifen – in vielen Bereichen nur unzureichend umgesetzt. Fehlende Kontrollen und finanzielle Anreize erschweren eine flächendeckende Anwendung. Dies führt häufig zur unsachgemäßen Entsorgung von Problemstoffen wie Batterien, Lampen oder Verpackungen.
Von Dennis Barbosa
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São Paulo