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BulgarienArbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht / Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
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Rechtsbericht | Bulgarien | Arbeitsrecht
Rechtsgrundlagen sind das bulgarische Arbeitsgesetzbuch (ArbGB) und das Sozialversicherungsgesetzbuch (SGB). Beide Dokumente gibt es in Bulgarisch und in englischer Übersetzung.
20.07.2022
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Vergütung: Individuell oder kollektiv durch Branchentarifvertrag geregelt |
Mindestlohn, monatlich: 650 Lew (332 Euro) bis zum 31.3.2022 |
Wochenarbeitszeit: 40 Stunden (Art. 136 ArbGB) |
Zulässige Überstunden im Regelfall (unbezahlt): Wochenarbeitszeit von 48 Stunden darf nicht überschritten werden (Art. 136a Abs. 2 u. 3 ArbGB)2) |
Weitere zulässige Überstunden in Ausnahmesituationen (bezahlt): Insgesamt maximal 150 Stunden je Kalenderjahr, dabei laut Art. 146 Abs. 1 ArbGB nicht mehr als: 30 Stunden am Tag oder 20 Stunden Nachtarbeit innerhalb eines Kalendermonats, 6 Stunden am Tag oder 4 Stunden Nachtarbeit innerhalb einer Kalenderwoche, 3 Stunden am Tag oder 2 Stunden in der Nacht an zwei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen, maximal 300 Stunden je Kalenderjahr mit einem laut Art. 51b ArbGB vereinbarten Tarifvertrag, laut Art. 146 Abs. 2 ArbGB |
Gesetzliche Feiertage: 14 Tage (Art. 154 Abs. 1 ArbGB) |
Urlaubsanspruch pro Jahr: Mindestens 20 Arbeitstage (Art. 155 Abs. 4 ArbGB) |
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Der Arbeitnehmer erhält für die ersten drei Krankheitstage 70 Prozent der durchschnittlichen Vergütung durch den Arbeitgeber. Für weitere Krankheitstage zahlt das Nationale Versicherungsinstitut bei zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit 80 Prozent und bei berufsbedingter Krankheit 90 Prozent der durchschnittlichen Vergütung, auf die Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden oder bezahlt werden müssen (Art. 40 bis 42 Sozialversicherungsgesetzbuch) |
Probezeit: bis zu 6 Monaten |
Die Grundlagen des bulgarischen Arbeitsrechts sind das dortige Arbeitsgesetzbuch (ArbGB) und das Sozialversicherungsgesetzbuch (SGB). Beide sind in bulgarischer und englischer Sprache beim Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik abrufbar.
Das bulgarische ArbGB gilt in der Regel für ausländische Arbeitgeber und für in Bulgarien tätige Arbeitnehmer. Andere Vereinbarungen können geschlossen werden. Es ist jedoch zu beachten, dass bestimmte zwingende arbeitsrechtliche Vorschriften des bulgarischen Arbeitsrechts nicht ausgeschlossen werden können und Vereinbarungen niemals nachteilig von bulgarischen Regelungen abweichen dürfen.
Die Regierung hat 2020 im Amtsblatt Nr. 28/2020 und Amtsblatt Nr. 44/2020 per Verordnung die Möglichkeiten für Telearbeit und flexible Arbeitszeit bei einer Notlage erweitert. Der Arbeitgeber kann für die Arbeitnehmer Homeoffice oder Telearbeit einführen (Art. 120b ArbGB), die Arbeit im Unternehmen oder in einem Teil davon oder für einzelne Arbeitnehmer während der ganzen Dauer des angekündigten oder eingeführten Notstandes oder teilweise bis zu dessen Aufhebung einstellen (Art. 120c Abs. 1 ArbGB). Der Arbeitgeber kann während des Notstandes (ganz oder teilweise) Teilzeit für die Beschäftigten festlegen, die in Vollzeit arbeiten (Art. 138a Abs. 2 ArbGB). Für die Zeit der Einstellung der Arbeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf seinen Bruttolohn (Art. 267a ArbGB). Diese Verordnungen sollten noch bis Ende des Jahres 2021 ins Arbeitsgesetzbuch übertragen werden.
Der Arbeitsvertrag bedarf grundsätzlich der Schriftform (Art. 62 Abs. 1 ArbGB). Er darf nicht vom bulgarischen Arbeitsrecht abweichen bezüglich Mindestlohn, der Höchstdauer der Arbeitszeit, Pausenzeiten, Mindestdauer des bezahlten Urlaubs, Mindestkündigungsfristen, Mindestvorschriften für die Beendigung des Arbeitsvertrages sowie von den bestehenden Hygiene- und Arbeitsschutzvorschriften.
Laut Arbeitsgesetzbuch können Arbeitsverträge auf unbestimmte Zeit (unbefristet) oder für eine bestimmte Zeit (befristet) geschlossen werden (Art. 67 Abs. 1 ArbGB). Ein Arbeitsvertrag wird stets als unbefristet angesehen, wenn nicht explizit eine Befristung mit dem Arbeitnehmer vereinbart und im Vertrag niedergeschrieben wurde (Art. 67 Abs. 2 ArbGB). Ein unbefristeter Arbeitsvertrag kann grundsätzlich nicht in einen befristeten ohne ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers umgewandelt werden. Zur Wirksamkeit einer solchen Abrede ist erforderlich, dass die Änderung schriftlich festgehalten wird (Art. 67 Abs. 3 ArbGB). Befristete Arbeitsverträge können abgeschlossen werden (Art. 68 Abs. 1 ArbGB).
Innerhalb eines Kalenderjahres dürfen nicht mehr als 150 Überstunden angehäuft werden. Sie werden in bestimmten Ausnahmesituationen geleistet und zusätzlich vergütet, und zwar mit einem Aufschlag von nicht weniger als:
Überstunden dürfen nur auf Anweisung des Arbeitgebers verrichtet werden. In Unternehmen, die aufgrund ihrer Arbeitsprozesse flexible Arbeitszeiten zulassen, dürfen Arbeitszeitkonten geführt werden (Art. 139 Abs. 2 ArbGB). Für bestimmte Arbeitnehmergruppen kann der Arbeitgeber - nach Absprache mit den Arbeitnehmervertretern - sofern der Tarifvertrag dies nicht verbietet - sogenannte Open-End-Arbeitszeiten einführen. Für Teilzeitbeschäftigte sind diese Arbeitszeiten jedoch ausgeschlossen. Die Überstunden sind durch zusätzlich bezahlten Jahresurlaub und bei Arbeit an Feiertagen durch Überstundenzuschläge abzugelten (Art. 139a Abs. 7 ArbGB).
Nach achtmonatiger Betriebszugehörigkeit hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Urlaub (Art. 155 Abs. 1 und 2 ArbGB). Der Jahresurlaub darf nicht weniger als 20 Arbeitstage betragen (Art. 155 Abs. 4 ArbGB). Es gibt 14 gesetzliche und damit bezahlte Feiertage (Art. 154 ArbGB).
Jegliche Vertragsbeendigung bedarf der Schriftform (Art. 335 ArbGB). Bei nicht eingehaltener Kündigungsfrist endet der Vertrag nach Ablauf der Restzeit der Kündigungsfrist. In den Fällen, in denen eine fristlose Kündigung erfolgt, ist das Arbeitsverhältnis mit Zugang der schriftlichen Feststellung über dessen Beendigung beendet (Art. 335 ArbGB).
Sofern nicht die in Art. 330 ArbGB genannten Gründe für eine fristlose Kündigung vorliegen, ist ein Arbeitgeber lediglich zu einer ordentlichen Kündigung nach Art. 328 ArbGB berechtigt. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gilt dafür bei einem unbefristeten Vertrag eine Mindestfrist von 30 Tagen, sofern nicht anders vereinbart. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis beträgt die Kündigungsfrist drei Monate (Art. 326 Abs. 2 ArbGB).
Eine ordentliche Kündigung setzt einen im Artikel 328 ArbGB geregelten betriebs-, personen- oder verhaltensbedingten Grund voraus. Zusätzlich zu den in Art. 328 Abs. 1 ArbGB genannten Gründen nennt Art. 328 Abs. 2 ArbGB weitere Kündigungsgründe für Angestellte in Managementpositionen. Hier können im Arbeitsvertrag gesonderte Kündigungsgründe aufgenommen werden.
Als speziellen Beendigungstatbestand hält Art. 331 ArbGB rechtliche Lösungen bereit, die auf eine einvernehmliche Vertragsaufhebung gegen Zahlung einer Abfindung abzielen. Die Initiative für eine solche Vertragsaufhebung muss allerdings vom Arbeitgeber ausgehen. Äußert sich der Arbeitnehmer dazu nicht binnen sieben Tagen schriftlich, so gilt das Angebot als nicht angenommen. Bei Zustimmung durch den Arbeitnehmer beträgt die Abfindung mindestens das Vierfache seiner letzten Bruttovergütung. Die Abfindung muss innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden. Geschieht dies nicht, so gilt der Arbeitsvertrag als weiterbestehend.
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