Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branche kompakt | Chile | Abfallwirtschaft

Branchenstruktur

Über Jahrzehnte änderte sich in der chilenischen Abfallbranche wenig. Jetzt bringt das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz Bewegung in die Branche.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Zuständig für die Regelung der Abholung, des Transports und der Entsorgung der Siedlungsabfälle sind die Kommunen. Nach einer Weltbank-Studie von 2018 lag die Müllabfuhr-Rate schon damals bei 96 Prozent (97 Prozent in städtischen, 30 Prozent in ländlichen Räumen - keine aktuelleren Daten verfügbar).

In der Praxis basiert die chilenische Entsorgungswirtschaft auf einer Kombination aus öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft. Die öffentliche Hand übernimmt die Erhebung der "Müllgebühren" und schreibt Müllsammlung und -entsorgung öffentlich aus. Nur in Einzelfällen verbleibt die Müllsammlung in öffentlicher Hand. 

Auf staatlicher Seite sind das Umwelt- und das Innenministerium Ansprechpartner und Hauptakteure bei Planung, Umsetzung und Finanzierung der übergeordneten Abfallpolitik. Beide Akteure finanzieren Maßnahmen im Bereich für Abfallmanagement und erheben Daten zur Abfallwirtschaft. Der nationale Fonds zur Regionalentwicklung und das Programm für Festabfälle unterstützen die Abfallentsorgung.

Landesweit ist das Abfallmanagement sehr unterschiedlich organisiert. Allein in der Metropolregion Santiago mit ihren 52 autonomen Kommunen existieren mehrere Abfallsammelsysteme parallel. In den meisten werden alle Abfälle zusammen abgeholt, während in einigen der Abfall bereits getrennt gesammelt wird. Eine ganze Reihe hat Abfallsammelstellen eingerichtet, zu denen die Anwohner ihren Abfall selbst bringen und nach verschiedenen Kategorien getrennt entsorgen. Die Abholung des Hausmülls und sein Transport zur Deponie besorgen, außer in der Kommune "Santiago", private Müllabfuhren. Im Stadtgebiet Santiago operieren nach einer AHK-Recherche Starco Demarco (gehört zu KDM, einer Holding aus der spanischen, auch mit chinesischem Kapital finanzierten, Urbaser-Gruppe und der US-amerikanischen The Danner Company), Veolia (Frankreich), Dimension, Crecer, Transfich, Servitrans, VicMar, Delfín Leonardo Norambuena Yáñez, Genco, CTS, Proactiva, CVC Comao Ingenerías, Vic-Ben und R&R Aseo Industriales.

Die landesweit größten Player sind Starco Demarco und Dimensión. Der Fuhrpark von Starco Demarco umfasst laut Firmenwebseite derzeit rund 700 Einheiten. Die Firma sammelt im Jahr bei über 4 Millionen Kunden mehr als 1,4 Millionen Tonnen Abfall ein. Die chilenische Dimensión sammelt und transportiert nach eigenen Angaben mit einer Flotte von rund 500 Lkw mehr als 1,1 Millionen Tonnen für mehr als 3 Millionen Einwohner. 

Starres System mit langen Laufzeiten 

Grundsätzlich erfolgt die Beauftragung nach einer öffentlichen Ausschreibung. Die Verträge haben meist eine sehr lange Laufzeit, was Veränderungen und Weiterentwicklungen des Abfallsystems erschwert.

Die Halden selbst werden von einer Reihe privater Unternehmen beziehungsweise Konsortien betrieben und erhalten für jede angelieferte Tonne Müll einen festgelegten Tarif.

Nur jeder Fünfte zahlt Müllgebühren - viele Kommunen chronisch unterfinanziert

Müllgebühren werden über die "Contribución", eine Vermögensteuer auf Immobilien, an die Kommunen abgeführt. Fällig wird diese aber erst ab einem bestimmten fiskalischen Wert der Immobilie. In der Praxis sind rund 80 Prozent der Bevölkerung von der Contribución befreit. Für viele Gemeinden und Regionen ist die Müllentsorgung daher nicht kostendeckend und unterfinanziert. Der finanzielle Handlungsspielraum ist besonders in einkommensschwachen Regionen begrenzt. 

Neue Rücknahmesysteme von Herstellern und Importeuren

Das Gros der Recyclingindustrie befindet sich im Großraum Metropolitana/Santiago. Eine Auflistung getrennt nach verschiedenen Segmenten wie Glas, Metall, Elektroschrott etc. hat das Umweltministerium erstellt.

Das Recycling-Aufkommen speist sich großteils über selbst gesammelte industrielle Abfälle von den Unternehmen. Hinzu kommen Recyclingmaterialien aus Siedlungsabfällen. Diese werden in Ansätzen bereits getrennt abgeholt sowie an Sammelpunkten abgegeben. Die Sammelpunkte sind teilweise kommunal, teilweise privat betrieben. Eine der wichtigsten Firmen auf diesem Gebiet ist TriCiclos. Einen nicht unerheblichen Beitrag leisten darüber hinaus die etwa 60.000 informellen Müllsammler ("recicladores"). 

Ganz neuen Schwung in die Branche brachte die seit September 2023 geltende Vorgabe für Behälter und Verpackungen, nach der die Hersteller und Inverkehrbringer eine gesetzeskonforme und nachhaltige Sammlung und Wiederverwertung gebrauchter Verpackungen nachweisen müssen. In der Folge etablierte sich eine Reihe verschiedener Rücknahmesysteme; weitere befinden sich in Gründung. Da diese Plattformen gesetzlich verpflichtet sind, Verpackungen wiederzuverwerten und außerdem über ein Budget verfügen, das sich über finanzielle Beiträge ihrer Mitglieder speist, kommen sie durchaus als Kunden für die entsprechenden Recyclingtechnologien in Frage - auch für deutsche Firmen.

"Der chilenische Markt bietet viele Chancen. Aber bevor sich ein deutsches Unternehmen nach Chile aufmacht, gilt es, eine richtige Marktrecherche zu machen, um die Nischen zu finden, in denen man Geld verdienen kann. Hilfreich ist es auch immer, andere Unternehmen, die schon vor Ort sind, nach deren Erfahrungen zu fragen."

Nesko Kuzmicic, Projektleiter von RIGK Chile; die deutsche Beratungsfirma RIGK für Kreislaufwirtschaft hat die Rücknahmeplattform ProRep in Chile mitaufgebaut.

Wo es noch Handlungsbedarf gibt:

Das Ley REP bildet einen wichtigen Baustein in der chilenischen Abfallwirtschaft. Trotzdem bleiben wichtige Fragen offen:

  1. Logistik: Die Recycling-Unternehmen konzentrieren sich auf die Hauptstadtregion. Es lohnt sich aus Kostengründen oft nicht – und wäre aus Umweltsicht überdies kontraproduktiv – die gesammelten Wertstoffe über tausende von Kilometern per Lkw durchs Land reisen zu lassen. Die im Gesetz vorgegebenen Recyclingquoten berücksichtigen diese geografischen Probleme nicht.
  2. Fehlende Recyclingmöglichkeiten: Während für manche Produkte wie Glas die Recyclingkapazitäten bei Weitem noch nicht ausgelastet sind, stehen für andere Produkte, etwa bestimmte Kunststoffverpackungen, in Chile überhaupt keine Recyclingmöglichkeiten zur Verfügung (oder sie sind zu weit weg, dass sich der Transport nicht lohnt). Im Endeffekt landen die mit hohem Energie- und Kostenaufwand gesammelten Wertstoffe doch auf einer Halde.   
  3. Fehlende Absatzmöglichkeiten für recycelte Rohstoffe: Einerseits schreibt das Ley REP Quoten vor, zum Beispiel Verpackungen zu sammeln und diese wiederzuverwerten. Andererseits verbieten andere Normen grundsätzlich die Nutzung von recyceltem Kunststoff, etwa für Lebensmittelverpackungen. Ähnliches gilt für Kompost aus Lebensmittelabfällen. Er darf allenfalls als Bodensubstrat in den Handel kommen. Die Gesetzgebung ist hier nicht kongruent. Generell ist der Markt für Recycling-Material (mit Ausnahmen) noch sehr unterentwickelt. 

Darüber hinaus ändert auch eine hohe Recyclingquote nichts daran, dass Chile weiterhin seine Deponie- und auch Verbrennungskapazitäten aufstocken muss, wenn das Land nicht absehbar in den Müllnotstand steuern will

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.