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Markttrends
Eine gesetzliche Vorgabe zur Schließung unkontrollierter Müllkippen setzt die Kommunen unter Handlungsdruck – und schafft zugleich Geschäftsmöglichkeiten für private Anbieter.
02.06.2025
Von Dennis Barbosa | São Paulo
Über 40 Prozent der Siedlungsabfälle werden im größten Land Lateinamerikas derzeit nicht ordnungsgemäß entsorgt. Da der gesetzlich festgelegte Fristablauf zur Beendigung der offenen Müllkippen ("Lixões") bereits verstrichen ist, intensivieren Aufsichtsbehörden und Staatsanwaltschaften ihre Maßnahmen, um kommunale Regierungen zur Einhaltung zu bewegen. Für viele Kommunen stellt die Strukturierung von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) den realistischsten Weg zur Umsetzung dar. Diese PPP-Modelle setzen in der Regel eine Refinanzierung über Abfallgebühren voraus – was wiederum Investitionsanreize für private Unternehmen schafft.
"Wir erwarten, dass der Markt für Abfallwirtschaft in den kommenden Jahren stark expandieren wird – mit Investitionen nicht nur in neue Deponien, sondern auch in Anlagen zur Biogasgewinnung und Stromerzeugung aus organischen Abfällen", prognostiziert Pedro Maranhão, Präsident des brasilianischen Branchenverbands für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft Abrema.
Hoher Investitionsbedarf trotz Marktwachstum
Laut Berechnungen von Abrema beliefen sich die öffentlichen und privaten Ausgaben für das Management von Siedlungsabfällen im Jahr 2023 auf rund 7,4 Milliarden US-Dollar (US$) – ein Anstieg von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Trotz dieser Entwicklung bleibt der Investitionsbedarf hoch, vor allem in wirtschaftlich schwächeren Regionen des Landes. Einer von der Unternehmensberatung GO Associados im Auftrag der Bundesregierung 2022 veröffentlichten Studie zufolge wären Investitionen in Höhe von 5,2 Milliarden US$ erforderlich, um eine flächendeckende Abfallbewirtschaftung zu erreichen und alle offenen Müllkippen zu beseitigen.
der kommunalen Abfälle in Brasilien werden nicht ordnungsgemäß entsorgt.
Rechtliche Impulse und neue Finanzierungsquellen
Ein zentrales Element der brasilianischen Abfallpolitik ist der Nationale Abfallwirtschaftsplan (Plano Nacional de Resíduos Sólidos – Planares), der ehrgeizige Ziele vorgibt. Neben der bereits bis August 2024 vorgesehenen Schließung aller Lixões sieht der Plan vor, dass bis 2036 eine flächendeckende Müllabfuhr realisiert wird. Bis 2040 soll der Anteil der Bevölkerung mit Zugang zur getrennten Abfallsammlung auf 72,6 Prozent steigen. Zudem sollen alle Gemeinden eine Gebührenstruktur für die Entsorgungsdienstleistungen implementieren.
Die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Deponien kann neben den kommunalen Entgelten auch durch zusätzliche Einnahmequellen gesichert werden. Dazu gehören Anlagen zur Sortierung und Aufbereitung von Wertstoffen, die Gewinnung von Biogas zur Stromerzeugung oder zur Produktion von Biomethan sowie die Herstellung von Düngemitteln direkt auf dem Deponiegelände.
Wachstumschancen bei Waste-to-Energy und Biomethan
Die energetische Verwertung von Abfällen – etwa durch die Verstromung von Biogas oder in Form kontrollierter thermischer Prozesse in sogenannten Waste-to-Energy-Anlagen – steckt in Brasilien noch in den Anfängen.
Impulse könnte jedoch das neue Gesetz "Lei do Combustível do Futuro" (Gesetz über den Kraftstoff der Zukunft) bringen. Es sieht vor, ab 2026 eine Quote von zunächst 1 Prozent und schrittweise bis zu 10 Prozent Biomethan im kommerziell gehandelten Erdgas zu integrieren, um die Emissionen im Gassektor zu reduzieren.
Während ein erheblicher Teil des Rohmaterials für Biokraftstoffe aus der Agrar- und Viehwirtschaft stammt, gelten Deponien aufgrund technischer und logistischer Vorteile als besonders geeignet für Investitionen: Sie empfangen täglich große Mengen organischer Abfälle – weitgehend ohne saisonale Schwankungen – und befinden sich in der Regel nahe an industriellen Abnehmern und urbanen Märkten.
Reformen stärken Recycling und Finanzierung
Weitere gesetzliche Neuerungen unterstreichen den Reformwillen der Regierung: So verbietet das Gesetz Nr. 15.088 die Einfuhr von Siedlungsabfällen und Reststoffen, was das Recycling im Inland fördern dürfte. Darüber hinaus wurde mit dem "Programm zur Beschleunigung der Energiewende" (PATEN) ein Förderinstrument geschaffen, das Unternehmen mit nachhaltigen Energieprojekten den Zugang zu Finanzierungsmitteln erleichtert.
Ein anderer relevanter Finanzierungsmechanismus im Bereich Abfallwirtschaft ist der "Fundo Clima", ein Klimafonds, der im Rahmen der brasilianischen Klimapolitik vom Umweltministerium verwaltet wird. Er dient der Finanzierung von Studien, Projekten und Investitionen zur Minderung des Klimawandels. Im Abfallsektor kann der Fonds unter anderem Maßnahmen zur Behandlung von Abfällen und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, zur Stilllegung von offenen Müllkippen mit Biogaserzeugung, zur Strukturierung und Verwaltung von Deponien sowie zur Biogasbewirtschaftung unterstützen.
Für zusätzliche Rechtssicherheit im Sektor sorgt eine Entscheidung des Obersten Bundesgerichts (STF), die die Bedingungen für den Betrieb von Deponien in ökologisch sensiblen Gebieten präzisiert. Damit erhalten Betreiber bestehender und geplanter Anlagen eine verlässlichere Grundlage.
Projekt | Investition | Stand | Projektträger |
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