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Covid-19 hat Digital Health mit Big Data, Data Analytics und künstlicher Intelligenz in China beschleunigt. Staat und Privatwirtschaft kooperieren, neue Geschäftsmodelle entstehen.
22.03.2021
Von Corinne Abele | Shanghai
Die hohe digitale Affinität der chinesischen Bevölkerung bei geringen (wenn auch steigenden) Bedenken bezüglich Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre beschleunigen die Umsetzung von Digital Health im Land. Bereits jetzt wird der Alltag via 4G/5G-Smartphone organisiert. Nun kommt die Gesundheit hinzu. Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat beschleunigt, was bereits vorher in Gang gesetzt worden ist.
Seit Jahren setzt die Regierung zur besseren Ressourcennutzung und landesweiten Versorgung auf den Ausbau der IT-Infrastruktur im Gesundheitswesen, auf digitale Hilfsmittel und E-Health-Onlineplattformen und zunehmend auf den Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz (KI). Digital Health ist damit fester Bestandteil von Chinas Entwicklungsprogramm „Healthy China 2030“. Sowohl Staat, aber auch Privatwirtschaft investieren gewaltige Summen. Die Wachstumsaussichten sind äußerst positiv.
Die im 1. Halbjahr 2020 während des akuten Covid-19-Aubruchs in China gemachten Erfahrungen haben diese Entwicklung beschleunigt. So entwickelten sowohl Alibaba als auch Tencent rasch QR-Gesundheitscodes als digitale Bewegungstracker, um Ansteckungsmöglichkeiten zu minimieren. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, ihren Einsatzbereich durch Zusammenführung von Big Data künftig zu erweitern. Auch Arztkonsultationen sowie Medikamentenverkauf verlagerte sich mit rasanter Geschwindigkeit online – trotz unvollständiger rechtlicher Rahmenbedingungen.
So war zwar bereits seit September 2018 klar, dass Internet-Krankenhäuser telemedizinische Beratungen und Medikamentenverschreibungen nur in Verbindung mit lizenzierten medizinischen Einrichtungen, deren Ärzte und Pflegepersonal anbieten können. Erst später wurde jedoch die Erstattung von online verschriebenen medizinischen Produkten im Rahmen der Basiskrankenversicherung geregelt. Die Zahl der Internet-Krankenhäusern ist von rund 100 Ende 2018 auf 577 Einrichtungen Mitte 2020 angestiegen.
Auch Chinas große Internetgiganten wie Alibaba, Tencent und Baidu, aber auch JD.com oder Versicherungsgigant PingAn, sind früh in Digital-Health-Dienstleistungen eingestiegen. Sie decken inzwischen mit unterschiedlichen Schwerpunkten nahezu alle Segmente ab. Ziel ist es, Komplettpakete anzubieten, die häufig medizinische Beratung, Medikamentenverschreibung und Medikamentenbeschaffung sowie Versicherungsmöglichkeiten abdecken. Auch in KI-Anwendungen im Gesundheitssektor wird kräftig investiert. So ist Versicherungsgigant PingAn im August 2020 mit der Entwicklung eines KI-gestützten automatisierten Systems zur Diagnose von Erkrankungen der Netzhaut in die Öffentlichkeit gegangen. Das Center for Medical Device Evaluation (CMDE) unter der NMPA hat im Juli 2019 die Artificial Intelligence Medical Device Innovation and Cooperation Platform eingerichtet. Die Plattform soll dem Austausch der einzelnen Arbeits- und Forschungsgruppen dienen, diese koordinieren und so die Forschung und industrielle Entwicklung beschleunigen.
Anbieter von Medizintechnik müssen sich auf das digitale Ökosystem im Gesundheitssektor einstellen. Dabei können deutsche Firmen durchaus auch für Chinas Internetgiganten oder Healthtech-Start-ups interessante Partner sein. So verkündete Siemens Healthineers Ende Juni 2020 eine Kooperation mit JD Health, um ein umfassendes Ökosystem basierend auf „Internet und Healthcare“ für Chinas privaten Gesundheitssektor voranzutreiben.
Es gilt, sowohl das entstehende digitale Ökosystem sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, Standards und Normen zu beachten. Wie generell empfehlen Experten auch hier, nicht nur Pflichtnormen, sondern auch freiwillige technische Standards als verpflichtend zu betrachten.
Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Umgang personalisierter Daten im Gesundheitsbereich. Diese müssen in China gespeichert werden, wobei nur chinesische Firmen Rechenzentren betreiben können. Sicherheit, Datenzugang und Verschlüsselung unterliegen speziellen Vorschriften. Grundsätzlich bedarf die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Patientendaten im Zusammenhang mit der Behandlung keiner expliziten Zustimmung des Erkrankten. Dies ist jedoch bei Weiterleitung an Dritte beispielsweise zu Marketingzwecken der Fall. Erhebung und Weiterleitung von Daten im Rahmen des Gesetzes zum Seuchenschutz (jüngste Revision 2013) können hingegen auch ohne Einwilligung erfolgen.
Zu beachten haben ausländische Firmen vor allem, dass die grenzüberschreitende Übermittlung von „Big Data im Gesundheitsbereich“ einer notwendigen Sicherheitsbewertung und -prüfung unterliegt. Ob dies auch für ausreichend anonymisierte Daten gilt, ist nicht genau spezifiziert. Grundsätzlich unterliegt der Transfer von personenbezogenen und sogenannten „wichtigen“ Daten außer Landes laut dem seit 1. Juni 2017 geltenden Cybersecurity-Gesetz einer weitreichenden Überwachung. Das sich Anfang März 2021 noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetz zum Schutz persönlicher Informationen sowie das Datensicherheitsgesetz werden künftig ebenfalls zu beachten sein.
In Umsetzung befindet sich der Aufbau von vier regionalen Plattformen zur landesweiten Erfassung und Speicherung der sogenannten "National Health Information", die letztlich verbunden werden sollen. Ziel sei es, so zitierte South China Morning Post bereits im Juni 2018 den Vorsitzenden der China Health Information and Big Data Association, für jeden Bürger ein personalisiertes Gesundheitsprofil zu erstellen.
Inwieweit es derzeit jedoch landesweit für Analysezwecke nutzbare Patientendaten gibt, bleibt unklar. So nimmt die elektronische Patientenakte trotz Förderung nur langsam Gestalt an. De facto fehlt es an IT-Infrastruktur, die jedoch inzwischen rasant aufgebaut wird. Ärzten mangelt es für die elektronische Datenerfassung zudem an Zeit und gerade in Vorzeigeinstitutionen auch am Willen, Patientendaten zu erheben, um sie mit anderen zu teilen.
Mehr zu Digital Health in China gibt es in unserem Special.
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