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Wechselnde US-Zölle: Wie sie den Warentransport mit China treffen

Auf das Hin und Her bei Einfuhrzöllen zwischen den USA und China reagieren Logistiker flexibel. Sie arbeiten an neuen Lieferketten über Drittmärkte.

Von Robert Herzner | Hongkong

Mit dem "Liberation Day" vom 2. April 2025 traten kurzfristig Rekordzölle von bis zu 145 Prozent auf Importe aus China in die USA und bis zu 125 Prozent Zölle auf Importe aus den USA in China in Kraft. Im Vergleich zur Coronapandemie vor fünf Jahren, als es zu massiven Lieferunterbrechungen und drastischen Preissteigerungen kam, waren die Auswirkungen jedoch deutlich moderater. Die globalen Lieferketten haben sich als widerstandsfähiger gezeigt und die Logistikbranche konnte schneller reagieren.

Dazu hat die vorläufige Einigung im Zollstreit zwischen China und den USA vom 12. Mai 2025 beigetragen, 91 Prozentpunkte der im April verhängten Zölle zu streichen und weitere 24 Prozentpunkte innerhalb von 90 Tagen auszusetzen. Auf den US-Zollsatz von 30 Prozent reagierte China mit einem Zollsatz von 10 Prozent auf US-Importe. Trotz oder gerade wegen der volatilen Wochen ist es Logistikunternehmen gelungen, sich rasch anzupassen. Da niemand genau zu sagen vermag, wie es im Zollstreit weitergeht, bereiten sie sich auf weitere Änderungen vor. 

"Die Ware findet ihren Weg – auch in schwierigen Zeiten"

Dr. Gaby Bornheim Dr. Gaby Bornheim | © VDR/Ulrich Perrey

Gaby Bornheim ist Präsidentin beim Verband Deutscher Reeder (VDR). Dieser vertritt die Interessen von über 200 Mitgliedsunternehmen aus unterschiedlichen Bereichen der Seeschifffahrt. Damit repräsentiert der Verband die deutsche Schifffahrtsbranche mit der derzeit siebtgrößten Handelsflotte der Welt – in der Containerschifffahrt belegt Deutschland sogar Rang 3.

Frau Bornheim, drohen durch die US-Zollmaßnahmen der vergangenen Monate erneut Engpässe in den globalen Lieferketten?

Die US-Zollpolitik hat unmittelbare Auswirkungen auf den Welthandel – und damit auf die Schifffahrt. Schiffe sind das verbindende Element zwischen den globalen Märkten und damit ein seismografischer Indikator für wirtschaftliche Stabilität. Konkrete Auswirkungen der häufig wechselnden US-Zollregelungen lassen sich bislang kaum abschätzen. Erst kürzlich eingeführte Zölle wurden kurz darauf pausiert oder gesenkt. Nennenswerte Effekte auf Frachtraten sind bisher ausgeblieben. Doch in der Regel führen höhere Zölle zu höheren Transportkosten – etwa durch zusätzlichen bürokratischen Aufwand oder sinkende Auslastungen. 

Rechnen Sie mit einer raschen Erholung der Handelsschifffahrt infolge der jüngsten Zolleinigung zwischen den USA und China?

Grundsätzlich destabilisieren Handelskonflikte und Zölle den freien Warenfluss und erschweren die Planungssicherheit für Reedereien. Die deutschen Reedereien reagieren vorsichtig und beobachten die Entwicklungen aufmerksam, auch aufgrund der sich ständig ändernden Vorgaben. Es wird abzuwarten sein, wie der Handel insgesamt auf die Zölle reagiert und welche Auswirkungen dies auf die Nachfrage nach bestimmten Waren haben wird. Die Schifffahrt ist jedenfalls flexibel und anpassungsfähig. In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass die Ware ihren Weg findet – auch in schwierigen Zeiten. Möglicherweise müssen Handelsrouten angepasst werden, um auf Veränderungen in den globalen Lieferketten zu reagieren. Diese Dynamik macht die Schifffahrt zu einem wichtigen Bestandteil der Lösung, auch in Zeiten von Unsicherheit und Handelskonflikten.

Welche Strategien verfolgen deutsche Reedereien, um sich angesichts der aktuellen Zollpolitik resilient aufzustellen?

Für Reedereien steht vor allem eines im Mittelpunkt: Risiken zu minimieren und den Betrieb auch bei schweren Störungen aufrechterhalten zu können. Für die Schifffahrt bedeutet dies, dass alternative Routen und Märkte zunehmend in Betracht gezogen werden müssen – was den Bedarf an Flexibilität und Agilität in der globalen Routenplanung verstärkt, immer mit dem Ziel, trotz politischer Unsicherheiten, Handelsbarrieren und erhöhter Sicherheitsrisiken eine zuverlässige und zukunftsfähige Versorgung sicherzustellen. Flexibilität und Agilität sind dabei die Schlüssel, um den hohen Anforderungen einer zunehmend komplexen und unsicheren internationalen Handelslandschaft gerecht zu werden.

Containerhandel zwischen China und USA bricht kurzfristig ein

Unmittelbar vor Inkrafttreten der Zölle kam es zu einem kurzfristigen Anstieg der Verschiffungen aus China in die USA, gefolgt von einem deutlichen Rückgang. Im Seeverkehr war die Zahl der Containerschiffe, die Ende April direkt von China in die USA fuhren, im Vergleich zum 9. April 2025, als die gegenseitigen Zölle eingeführt wurden, um 33,8 Prozent zurückgegangen. Auch bereits auf dem Seeweg befindliche Waren waren vereinzelt betroffen: In einigen Fällen wurden Container in den USA nicht entladen, da sich die Zahlung der Zölle für die Käufer nicht lohnte. In der Logistikbranche hat sich hierfür der zynische Begriff "Return on Board – ROB" etabliert, in Anlehnung an die Incoterms-Regeln, wie ein Logistikexperte eines führenden deutschen Einzelhändlers in Hongkong im Gespräch mit Germany Trade & Invest erklärt. 

Am 9. Mai 2025 gab die Allgemeine Zollverwaltung Chinas bekannt, dass sich Chinas Handelsbilanzüberschuss um 6,5 Milliarden US-Dollar (US$) auf 96,2 Milliarden US$ im April 2025 im Vergleich zum Vormonat reduziert hat. Der Rückgang beruht insbesondere auf Direktexporten in die USA, die im April im Vergleich zum Vorjahr um 21 Prozent einbrachen. Ihr Anteil an den chinesischen Importen fiel auf einen historischen Tiefstand von 10,5 Prozent. 

 

Mit der Zolleinigung zwischen den USA und China von Mitte Mai stabilisiert sich die Verschiffung auf einem leicht geringeren Niveau. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die Zollsenkung wahrscheinlich rückwirkend auf Waren angewendet wird, die im April 2025 versandt wurden und sich derzeit auf dem Weg in die USA befinden. Dadurch sinken Störungen im bilateralen Handel zwischen den USA und China kurzfristig weiter.

Ab dem 14. Oktober 2025 gelten höhere Hafengebühren in den USA für Containerschiffe, die in China gebaut wurden. Aber auch die Auswirkungen dieser Maßnahme werden als gering eingeschätzt. Zum einen wurden die Gebühren bereits deutlich reduziert, indem nur noch eine einmalige Gebühr pro Fahrt in die USA und nicht mehr pro angelaufenem US-Hafen erhoben wird, zum anderen gibt es verschiedene Ausnahmeregelungen. Es ist zu erwarten, dass die US-Routen zunehmend von in Südkorea gebauten Frachtern bedient werden. 

Handelsumlenkung über Drittmärkte

Dennoch diversifizieren die Schifffahrtsunternehmen ihre Routen und reduzieren die wöchentlichen Verbindungen in die USA. So fährt die chinesische Reederei Sinolines nach Informationen der Unternehmensberatung Drewry Shipping Consultants fortan von Shanghai nach Manzanillo in Mexiko. Die Ausfuhren Chinas in die ASEAN-Staaten stiegen im April 2025 im Jahresvergleich um 20,8 Prozent auf ein Rekordhoch von 60,4 Milliarden US$, was 19,1 Prozent der Gesamtexporte entspricht. Diese Daten deuten darauf hin, dass chinesische Unternehmen kurzfristige "Reexporte" unternommen haben, um die Auswirkungen der Zölle abzumildern. 

Durch die Verschiffung über Drittländer versuchen Unternehmen den wahren Ursprung der Produkte zu verschleiern. So gibt es Logistikunternehmen, die anbieten, Waren in südostasiatische Länder wie Malaysia zu verschiffen, wo sie in lokale Container umgeladen und mit neuen Etiketten und Verpackungen versehen werden. Dies wird als "Place-of-originWashing" bezeichnet. US-Geschäftspartnern bereiten diese Praktiken Sorgen, da falsche Ursprungsangaben zur Beschlagnahmung durch die US-Zollbehörden führen können.  

Der Rückgang der Exporte in die USA hat dazu geführt, dass chinesische Exporteure verstärkt versuchen, ihre Produkte in Europa abzusetzen. Häfen wie Rotterdam, Antwerpen und Hamburg arbeiten an ihrer Kapazitätsgrenze. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen auf die Handelswege signifikant geringer sein werden als während der Pandemie. Engpässe bei Containern sind weniger zu erwarten, denn die Anzahl von Containern hat sich seit der Coronapandemie stark erhöht.

Diversifizierung begünstigt "made by China" 

Chinas Wechsel vom Export zum Reexport ist eine rasche Anpassung an den Druck des externen Handelsumfelds. Jedoch erhöhen die strenge Prüfung der Ursprungsregeln und die häufigen Anpassungen der US-Zollbefreiungszeiträume für Transitländer die politische Unsicherheit für Unternehmen. Die Reexport-Strategie kann den Zolldruck kurzfristig wirksam abmildern, doch langfristig ist es unerlässlich, die Endproduktion zu verlagern. Chinesische Hersteller sind in vielen Branchen wie Elektronik und Textilien führend und die Produktion von Vorprodukten beschränkt sich häufig auf wenige Großunternehmen. Die Endproduktion, die für die Zölle verantwortlich ist, verlagert sich von China in Drittmärkte, in denen chinesische Hersteller vielfach gut positioniert sind. Dies hat zur Folge, dass "made in China" zu "made by China" wird. 

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