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Branchen | Estland | Medizintechnik

EU-Fördermittel helfen bei der Beschaffung von Medizintechnik

Estland deckt seine Nachfrage nach medizinischen Produkten vor allem durch Importe ab. Deutschland ist der größte Lieferant. Das Marktvolumen ist jedoch überschaubar.

Von Niklas Becker | Helsinki

Estlands gesamte Gesundheitsausgaben beliefen sich 2020 nach Angaben von Eurostat auf rund 2,1 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil am estnischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 7,75 Prozent. Estland liegt damit knapp vor den beiden anderen baltischen Staaten (Litauen 7,54 Prozent und Lettland 7,45 Prozent). Im Vergleich zum EU-Durchschnitt (10,9 Prozent) gibt es jedoch noch Verbesserungspotenzial. Pro Kopf gemessen beliefen sich die estnischen Gesundheitsausgaben 2020 auf 1.565 Euro. 

Überschaubares Marktvolumen

Aufgrund der kleinen Bevölkerungszahl sowie des im Vergleich zum EU-Durchschnitt geringeren BIP-Anteils der Gesundheitsausgaben ist das estnische Marktvolumen für Medizintechnik aus deutscher Sicht überschaubar. Das Marktforschungsunternehmen Fitch Solutions schätzt das Volumen für 2021 auf insgesamt 253 Millionen Euro beziehungsweise 191 Euro pro Person.

Zwischen 2021 und 2026 erwarten die Experten ein durchschnittliches jährliches Marktwachstum des estnischen Markts für Medizintechnik um 6,3 Prozent. Das Volumen würde sich damit 2026 auf rund 344 Millionen Euro insgesamt und 264 Euro pro Kopf belaufen. 

Deutschland wichtigster Lieferant

Estlands lokale Medizintechnikbranche gilt als klein, aber relativ gut etabliert. Nach Einschätzung von Fitch Solutions entspricht die Qualität und der technologische Entwicklungsstand ihrer Produkte jedoch selten westlichen Standards. Neben dem heimischen Markt verkauft die Branche ihre Waren daher vor allem in anderen Länder der ehemaligen Sowjetunion.

Aber auch auf dem heimischen Markt spielen lokale Anbieter nur eine kleine Rolle. Estland deckt seine Nachfrage nach Medizintechnik zum größten Teil über den Import. Nach Zahlen von Eurostat lag das Importvolumen 2021 bei etwa 183 Millionen Euro. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Lieferant. Mehr als 22 Prozent der 2021 nach Estland eingeführten Medizintechnik trug das Label made in Germany. 

EU-Fördergelder helfen bei Neuausstattung und Modernisierung 

Das Niveau und Alter der medizinisch-technischen Ausrüstung in Estland ist sehr unterschiedlich. So sind beispielsweise die in Estland eingesetzten Technologien zur Bildgebung derzeit recht neu. Nichtkomplexe Geräte können wiederum zum Teil auch älter sein. Einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der estnischen Medizintechnik haben EU-Fördermittel geleistet. Auch in den kommenden Jahren wird Estlands Gesundheitsversorgung auf europäische Gelder zurückgreifen. Beispielsweise unterstützt der Europäische Fonds für regionale Entwicklung beim Bau und der Renovierung von Zentren für die primäre Gesundheitsversorgung in Estland.

Die estnischen Gesundheitseinrichtungen tauschen ihre Ausrüstung laufend nach Bedarf (beispielsweise bei Schäden) sowie im Rahmen von Investitionsplänen aus. Letztere werden in der Regel von den jeweiligen Institutionen selbst und nicht auf staatlicher Ebene erstellt. Für die Bearbeitung des estnischen Marktes empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem lokalen Vertriebspartner. 

Besonders interessant für deutsche Anbieter von Medizintechnik sind das nordestnische Regionalkrankenhaus (Põhja-Eesti Regionaalhaigla; PERH) und das Universitätsklinikum Tartu. Die beiden regionalen Krankenhäuser gelten als die größten Einkäufer von Medizintechnik in Estland. Das PERH kauft nach eigener Aussage jährlich Medizintechnik für rund 20 Millionen Euro ein. Es ersetzt vorhandene Technologien nach Bedarf oder wenn für die Ausrüstung keine Wartung mehr angeboten wird. So werden 2023 beispielsweise die im Jahr 2007 beschafften Röntgengeräte ausgetauscht. 

Update zum Talliner Großkrankenhaus-Projekt

Estlands Hauptstadt Tallinn hält trotz unsicherer Finanzierung an ihrem Großkrankenhaus-Projekt fest. Im Juni 2022 hatte Estlands Regierung bekanntgegeben, keine Gelder aus dem Haushalt 2023 für das Vorhaben zur Verfügung zu stellen. Die Regierung begründet diese Entscheidung mit Unsicherheiten des Projekts. Die prognostizierten Kosten für das Vorhaben sind deutlich gestiegen. Das estnische Sozialministerium will nun bis zum Frühjahr 2023 ein Finanzierungsmodell für das Großkrankenhaus finden. Zuständig für die Bauvorbereitungen ist die Tallinner Krankenhausstiftung. Sie will die Planungsarbeiten fortsetzen und die Planung bis 2024 fertigstellen. Dann könnte die Bauausschreibung erfolgen. Im Rahmen des Projekts ist auch der Kauf von Medizintechnik vorgesehen. 


Krankenversicherungsfonds entscheidet über Erstattung von Medizintechnik

Estland hat ein zentralisiertes Gesundheitssystem mit einem einzigen Krankenversicherungsfonds (Eesti Haigekassa). Der Fonds bündelt den größten Teil der öffentlichen Mittel für das Gesundheitswesen und organisiert das Krankenversicherungssystem, dem 95 Prozent der Bevölkerung angehören.

Der Fonds führt eine Positivliste mit Gesundheitsdienstleistungen, Arzneimitteln und medizinischen Produkten, die erstatten werden. Diese Liste wird mindestens einmal im Jahr aktualisiert. Medizintechnik erstattet der Fonds zu 90 oder 50 Prozent des Referenzpreises. Den Rest müssen die Patienten selber tragen. Das betrifft auch die Kosten, die über dem Referenzpreis liegen. Selbstzahlungen der Haushalte spielen in Estland eine große Rolle. 2020 machten diese sogenannten Out-of-Pocket-Ausgaben insgesamt mehr als 21 Prozent der laufenden Gesundheitsausgaben im Land aus. 

Entwicklung des Krankenhausnetzwerks könnte neue Absatzchancen bringen

Hauptabnehmer von Medizintechnik in Estland sind öffentliche Krankenhäuser. Das vom estnischen Krankenversicherungsfonds finanzierte öffentliche Krankenhausnetz umfasst 19 Kliniken. Ihre geografische Lage wurde so gewählt, dass alle Bürger im Umkreis von 70 Kilometer oder 60 Minuten Fahrtzeit mindestens ein Krankenhaus zur Verfügung haben. Das Netz umfasst vier Kategorien von Kliniken, die unterschiedliche vom estnischen Sozialministerium festgelegte Anforderungen bezüglich zu erbringender Leistungen, der Räumlichkeiten, der medizinischen Ausrüstung sowie des medizinischen Personals erfüllen müssen. 

Estlands Sozialministerium hat zwischen 2020 und 2022 in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission die Organisation des estnischen Krankenhausnetzwerks analysiert. Im Rahmen dessen machten die Experten Vorschläge für eine neue Organisation des Netzwerks. Eine Empfehlung: Patienten sollten in größeren Krankenhäusern und nicht in kleineren Bezirkseinrichtungen behandelt werden. Zudem sollen die Kapazitäten erweitert werden.

Klinikkategorien des estnischen Krankenhausnetzes

Regionale Krankenhäuser bieten eine breite Palette von Gesundheitsdienstleistungen an. 


Zentrale Krankenhäuser erbringen die meisten Leistungen; einige Leistungen wie Herzchirurgie, Neurochirurgie und bestimmte onkologische Leistungen sind jedoch ausgeschlossen. 


Allgemeine Krankenhäuser bieten eine 24/7-Notfallversorgung sowie Intensivpflege und einige chirurgische und medizinische Fachgebiete. 


Lokale Krankenhäuser bieten rund um die Uhr eine ärztliche Notfallversorgung, aber keine Operationen. 


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