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Nordsee wird zum Wasserstoffkraftwerk Europas

Wenn die deutsche Wirtschaft auf Wasserstoff umsteigt, profitieren besonders die Nordseeanrainer. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Nordsee ein wichtiger Knotenpunkt wird.

Von Marc Lehnfeld | London

Der Nordseeraum wird zu Europas größter Quelle für Wasserstoff. Dafür sorgt das hohe Windpotenzial des Meeres, das die Regierungen der Nordseeanrainer nutzen wollen. In der im April 2023 veröffentlichten Ostende Erklärung ("Ostend Declaration") setzen sie sich das Ziel, bis 2030 mindestens 120 Gigawatt Erzeugungskapazitäten von Offshore-Windstrom aufzubauen. Das Vereinigte Königreich will als europäischer Spitzenreiter bis 2030 sogar über Offshore-Windanlagen-Kapazitäten von 50 Gigawatt verfügen. Der durch die Windenergie erzeugte Strom fließt dann nicht nur in die Industriebetriebe und Haushalte, sondern soll auch den Grundstein für eine Wasserstoffwirtschaft in großem Stil legen.

Nordseeanrainer mit großen Zielen bei Wasserstoff

Das Vereinigte Königreich plant bis 2030 Wasserstofferzeugungskapazitäten von 10 Gigawatt aufzubauen und damit so viel wie Deutschland. Allein Schottland wird mit 5 Gigawatt die Hälfte zum britischen Ziel beitragen. Die norwegische Regierung setzt sich zwar kein Erzeugungsziel, aber die Anzahl der geplanten Projekte kommt laut der Energieberatungsgesellschaft Westwood Global Energy Group auf eine mögliche Kapazität von knapp 8 Gigawatt im Jahr 2030. Der südliche Nachbar Dänemark wiederum will bis 2030 4 bis 6 Gigawatt grünen Wasserstoff herstellen können. 

50-70 %

ist der geschätzte Anteil am gesamten Wasserstoffbedarf, den Deutschland 2030 importieren muss. Das entspricht etwa 45 bis 90 Terrawattstunden.

Die drei Länder eint, dass ihre nationale Wasserstoffnachfrage nach aktuellen Schätzungen deutlich niedriger sein wird, als die geplanten Produktionskapazitäten. Insgesamt rechnet die European Hydrogen Backbone Initiative bereits mit einem Wasserstoffüberschussangebot der Nordseeanrainer von 70 Terrawattstunden im Jahr 2030 – so groß wie in keinem anderen ihrer geplanten Korridore, die eine europaweite Versorgungsinfrastruktur für Wasserstoff bilden werden. 

Die möglichen Exportkapazitäten wecken Begehrlichkeiten in Deutschland, das zukünftig einen enormen Bedarf an grünem Wasserstoff haben wird. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat mit den Nordsee-Großerzeugern in spe bereits Absichtserklärungen unterzeichnet, zuletzt im Oktober 2023 mit dem britischen Department for Energy Security and Net Zero (DESNZ)

AquaDuctus wird zum Verbundnetz in der Nordsee

Um den Wasserstoff der Nordseeanrainer nach Deutschland zu exportieren, gibt es bereits zahlreiche Projekte. Für den Anschluss an die deutsche Nordseeküste wird das AquaDuctus-Projekt dabei zum Dreh- und Angelpunkt. Darüber soll nicht nur ein 1 Gigawatt starkes Offshore-Elektrolyseprojekt in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone per Pipeline an den Raum Wilhelmshaven angeschlossen werden. Die AquaDuctus-Pipeline soll auf insgesamt 400 Kilometer Gesamtlänge due gesamte deutsche Nordsee bis tief in den "Entenschnabel" erschließen, um damit zum Anschlussknoten für weitere Nordsee-Pipelines zu werden. Der projektverantwortliche Fernleitungsnetzbetreiber GASCADE konnte für die geplante Pipeline sowohl den europäischen IPCEI- als auch PCI-Status erlangen. Im Rahmen des IPCEI-Notifizierungsverfahrens hat die Europäische Kommission der Bundesregierung am 15. Februar 2024 die beihilferechtliche Genehmigung erteilt, um das Projekt staatlich zu fördern.

Wir schaffen mit AquaDuctus eine diskriminierungsfrei zugängliche Wasserstofftransportinfrastruktur in der Nordsee. Der PCI- und der IPCEI-Status bestätigen die europäische Bedeutung unseres Projektes. 

Oliver Reimuth AquaDuctus-Projektleiter bei Gascade

Norwegen plant Offshore-Pipeline

Mit Hochdruck wird an Plänen für weitere Wasserstoffpipelines nach Deutschland gearbeitet, insbesondere Norwegen und Schottland treiben konkrete Offshore-Projekte voran. Die deutsch-norwegische Pipeline könnte schon im Jahr 2030 in Betrieb genommen werden. Die entsprechende Machbarkeit wurde Ende November 2023 in einer Studie bestätigt. Es ist jedoch fraglich, ob die bestehende Erdgaspipeline für Wasserstoff umgerüstet oder eine neue Pipeline verlegt werden soll. 

Mögliche Wasserstoffabnehmer für den norwegischen Wasserstoff gäbe es, die ersten Energieversorger haben bereits Interesse bekundet. So hat RWE 2023 eine Kooperationsvereinbarung mit dem norwegischen Gaskonzern Equinor abgeschlossen. Equinor hat ehrgeizige Pläne, bis 2038 Erzeugungskapazitäten von rund 10 Gigawatt blauem Wasserstoff aufzubauen. RWE plant, diesen Wasserstoff in umgerüsteten Gaskraftwerken zur Stromproduktion einzusetzen.

Schottische Pipeline bietet Anschlussmöglichkeit Irlands

Auch in Schottland nehmen die Netzwerkpläne konkrete Formen an. Das Net Zero Technology Center hat die technische Machbarkeit des rund 3 Milliarden Euro teuren "Hydrogen Backbone Link" bestätigt. Die schottische Regierung treibt ihre Pläne für den Wasserstoffexport an: In ihrem Hydrogen Action Plan will sie bis 2045 Kapazitäten von rund 25 Gigawatt für die emissionsarme Wasserstoffherstellung aufbauen. Davon sollen 94 Terrawattstunden grüner Wasserstoff in den Export fließen, nicht nur per Schiff, sondern vor allem per Pipeline. 

Die Konferenz Hydrogen for Life (H4Life) am 25. Juni 2024 in London bietet Unternehmen die Gelegenheit, sich innerhalb der deutsch-britischen Wasserstoffszene zu vernetzen. Der deutsche Technologiekonzern Bosch organisiert die Veranstaltung bereits zum vierten Mal. Im letzten Jahr nahmen mehr als 900 Industrievertreter entlang der Wertschöpfungskette teil.

Ein schottisch-deutscher Link könnte auch den Anschluss Irlands ermöglichen. Dort wird bereits die Umnutzung einer schottisch-irischen Erdgaspipeline diskutiert. Beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist Irland zwar noch in einer äußerst frühen Phase. Wegen der hohen Windgeschwindigkeiten und ausgedehnten Gebieten an der Westküste, die für die Errichtung von Windparks genutzt werden könnten, hat die Insel aber ein enormes Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff in großem Stil. 

Dänemark plant Onshore-Pipeline nach Norddeutschland

Anders als Schottland und Norwegen nutzt Dänemark seine Landgrenze zu Deutschland für eine Onshore-Pipeline. Die bis zu 450 Kilometer lange dänische Pipeline "Danish Backbone West" soll schon 2028 vom norddänischen Untergrundspeicher Lille Torup in den Großraum Hamburg führen. Laut Machbarkeitsstudie beträgt das Potenzial für den Wasserstoffexport rund 15 Terrawattstunden in 2030 und soll bis 2050 auf 79 Terrawattstunden steigen.

Das Wasserstoffnetz "Danish Backbone West" wird derzeit vom dänischen Übertragungsnetzbetreiber Energinet geplant und befindet sich in einer Sondierungsphase mit potenziellen Lieferanten und Abnehmern. Die finale Investitionsentscheidung soll Anfang 2025 getroffen werden.

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