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Global Gateway: Medusa-Datenkabel vernetzt EU und Nordafrika

Im Interview berichtet Norman Albi, Geschäftsführer von AFR-IX telecom, über das Datenkabel Medusa - ein Leuchtturmprojekt der EU-Initiative Global Gateway. (Stand: 17.03.2023)

Von Wilhelm Emmrich | Berlin

Zu Person und Unternehmen


Norman Albi, CEO, AFR-IX telecom Dies ist ein eingebettetes Bild | © Norman Albi


Norman Albi ist Geschäftsführer von AFR-IX telecom, einem Infrastruktur- und Telekommunikationsbetreiber im Mittelmeerraum und Afrika. AFR-IX telecom entwickelt das 8.760 km lange Medusa-Unterwasserdatenkabel, das Südeuropa und Nordafrika verbinden wird. Die Unternehmensgruppe beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe.

Herr Albi, wer kam auf die Idee, ein Datenkabel quer durchs Mittelmeer zu verlegen?

Es waren afrikanische Telekommunikationsbetreiber, die an uns herangetreten sind, weil viele Datenkabel im Mittelmeer das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. So ein Unterseekabel hält etwa 25 Jahre. Gleichzeitig wächst der Datenverkehr in Afrika insgesamt um circa 45 Prozent pro Jahr. Etwa ein Drittel des afrikanischen Datenverkehrs entsteht in den fünf nordafrikanischen Ländern Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten. Medusa wurde also nicht als europäisches Global-Gateway-Projekt konzipiert, sondern als Reaktion auf die wachsende Nachfrage im Mittelmeerraum.

Wie ist Medusa dann Teil von Global Gateway geworden? 

Zum ersten Mal haben wir 2021 von Global Gateway gehört, und zwar von den portugiesischen Behörden, die für die Anlandestation unserer Unterseekabel in Lissabon zuständig sind. Sie meinten, dass Global Gateway auch für uns interessant sein könnte, da darüber der Zugang zu Fördergeldern möglich sei. Daraufhin haben wir uns direkt an die EU gewandt, die uns dann an die Europäische Investitionsbank (EIB) verwiesen hat. Für Medusa erhalten wir Zuschüsse und Darlehen von der EIB.

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Wann wollen Sie Medusa in Betrieb nehmen? 
Wir planen, den ersten Medusa-Abschnitt bis Ende 2024 und den zweiten Abschnitt bis Ende 2025 in Betrieb zu nehmen. Im Moment sind wir in der Vergabephase für das Verlegen der Glasfaserkabel. In der Zwischenzeit erkunden wir den Meeresboden, um die genauen Standorte für die Kabel und ihre Anlandestationen, wo also die Unterseekabel an Land ankommen, zu bestimmen. Als Faustregel gilt: Von der Planung bis zur Verlegung eines Tiefseedatenkabels vergehen drei Jahre.

Welchen Herausforderungen sind Sie im Mittelmeerraum begegnet?

Da sind zum einen geografische Herausforderungen, zum Beispiel der felsige Meeresboden und die Gezeiten in der Straße von Gibraltar oder die flachen Gewässer zwischen der italienischen Insel Sizilien und Tunesien. Die Windparks in diesem Bereich lassen nur eine schmale Lücke für die Verlegung unserer Datenkabel. Zum anderen gibt es geopolitische Herausforderungen, da die Seegrenzen zwischen Nachbarländern oft nicht klar definiert sind.

Datenkabel gelten als kritische Infrastruktur. Ist es überhaupt möglich, Unterseekabel vor Angriffen zu schützen?

Unsere Datenkabel liegen in exponierter Lage blank auf dem Meeresboden. Sie sind somit von vornherein anfällig und im Grunde kaum vor Angriffen jedweder Art zu schützen. Die EU arbeitet zurzeit an einer Richtlinie zum Schutz kritischer Infrastruktur, die hoffentlich das Bewusstsein für dieses Thema schärfen wird. Wir setzen jedoch weniger auf den physischen Schutz als vielmehr auf eine Strategie der Diversifizierung: Eine Vielzahl von Kabeln ist der beste Schutz gegen Angriffe. Allein in der EU verfügt Medusa über neun Anlandestationen in sechs Ländern, nämlich in Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und Zypern. Selbst wenn eine oder zwei Verbindungen gekappt würden, können wir mit den verbleibenden Leitungen den Datenaustausch aufrechterhalten.

Was können andere europäische Unternehmen von AFR-IX lernen, wenn es um Infrastrukturprojekte in schwierigeren Schwellenländern, wie zum Beispiel jenen in Nordafrika, geht?

AFR-IX telecom hat 15 Jahre Erfahrung auf dem afrikanischen Kontinent. Wir bieten unsere Dienste in 45 von 54 Ländern des afrikanischen Kontinents an und vernetzen sie untereinander und mit Europa. Wir kennen die Telekommunikationsbetreiber in Afrika gut und das hilft uns sehr bei unseren Geschäften. Meiner Erfahrung nach ist die Präsenz europäischer Unternehmen in Afrika gering und sogar rückläufig. Aber wir müssen uns fragen, warum China in Afrika so erfolgreich Geschäfte macht, während wir Europäer das offensichtlich nicht tun. Aus meiner Sicht müssten die europäischen Unternehmen raus aus ihrer Komfortzone und wieder eine gesunde Risikobereitschaft entwickeln. Unsere europäische Mentalität muss sich ändern – und Global Gateway ist ein wichtiges Zeichen für diese neue Einstellung zu Afrika.

Was ist dann Ihrer Meinung nach der Mehrwert von Global Gateway?

Mit Global Gateway hat die EU endlich eine Strategie zur Bereitstellung von Infrastruktur in Afrika. Global Gateway kann die Risiken für europäische Unternehmen reduzieren und so die europäische Präsenz auf den afrikanischen Märkten erhöhen.

Was hat Global Gateway privaten Unternehmen zu bieten?

Viele Unternehmen würden gerne Projekte in Afrika durchführen, aber die meisten europäischen Kreditgeber sind zu risikoscheu und schrecken vor der Kreditvergabe nach Afrika zurück. Global Gateway ist für europäische Firmen eine echte Neuerung, denn es bietet ihnen die Zuschüsse, Darlehen und Investitionsgarantien, die sie für die Durchführung ihrer Projekte in Afrika oder in anderen risikoreicheren Schwellenländern brauchen. Neben der finanziellen Unterstützung profitieren die Unternehmen aber auch von mehr Sichtbarkeit und gegebenenfalls von politischem Rückhalt für ihre Präsenz im Ausland.

Was muss bei Global Gateway noch besser werden?

Das Hauptproblem ist, dass die Unternehmen nicht wissen, wie sie an die Global-Gateway-Gelder kommen. Es wäre wirklich hilfreich, wenn es eine Art "Global-Gateway-Pipeline" mit einer Kontaktstelle für Unternehmen in jedem EU-Land gäbe, die ihre Vorschläge direkt an die entsprechenden EU-Institutionen und Banken weiterleiten würde.

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