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Wirtschaftsumfeld | Finnland | Arbeitskräfte

Fachkräfte

In Finnland steigt die Zahl der Arbeitslosen. Doch es kündigt sich eine Wende an. Fachkräfte fehlen weiterhin, auch in konjunkturell schwachen Zeiten. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Die schwache Konjunktur in Europa hinterlässt ihre Spuren auf dem finnischen Arbeitsmarkt. Das zeigt der vom finnischen Statistikamt veröffentlichte Beschäftigungstrend. Seit dem Frühjahr 2023 ist die Zahl der Beschäftigten in Finnland rückläufig. Zuvor stagnierte der Wert bereits für ein halbes Jahr. 

Im Februar 2025 lag die Erwerbstätigenquote bei Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren bei 71,4 Prozent. Im Februar 2023 waren es 73,9 Prozent. Petteri Rautaporras, Chefvolkswirt beim finnischen Verband der technischen Industrien (Teknologiateollisuus) erwartet, dass die Zahl der Beschäftigten im 1. Quartal 2025 weiter abgenommen hat. Der Rückgang dürfte aber weniger stark ausfallen als in der Vergangenheit, da es positive Signale für eine bessere Konjunktur gibt. 

Arbeitslosenquote steigt weiter

Die sinkende Zahl der Beschäftigten lässt die Arbeitslosenquote in Finnland steigen. Im Februar 2025 waren 9,4 Prozent der 15 bis 74-Jährigen arbeitslos. Im Februar 2023 waren es 6,7 Prozent. Ökonomen erwarten jedoch auch hier, dass es besser wird, da sich die wirtschaftliche Lage Finnlands verbessert. 

Wir müssen mindestens noch bis zum Sommer 2025 warten, bis die Beschäftigung wieder zunimmt. Wir sehen allerdings positive Anzeichen, beispielsweise bei der Auftragslage. Aber es wird ein paar Monate dauern, bis auch die Beschäftigung wieder anzieht. Die von Trump angekündigten Zölle werfen jedoch einen großen Schatten auf den leichten Optimismus, den wir im Frühjahr erlebt haben. 

Petteri Rautaporras Chefvolkswirt beim finnischen Verband der technischen Industrien (Teknologiateollisuus)

Trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen halten viele Unternehmen an ihren Mitarbeitern fest. "Die Firmen wissen, wie schwierig es noch vor ein paar Monaten war, Mitarbeiter zu finden, und halten deshalb an ihren Arbeitnehmern fest", erklärt Rautaporras. Sollte sich die wirtschaftliche Lage der technischen Industrie in Finnland im Frühjahr 2025 jedoch nicht verbessern, erwartet er steigende Entlassungszahlen. 

Fachkräftemangel nicht vom Tisch

In der Vergangenheit berichteten viele Firmen in Finnland von Herausforderungen bei der Suche nach Arbeitskräften. Aufgrund der konjunkturellen Abkühlung hat sich die Situation im Jahresverlauf 2024 jedoch merklich entspannt. Vom Tisch ist das Thema Fachkräftemangel aber nicht. Der neusten Umfrage der finnischen Zentralhandelskammer (Keskuskauppakamari) vom Oktober 2024 zufolge sind weiterhin 45 Prozent der befragten Unternehmen vom Mangel an qualifizierten Arbeitskräften betroffen. Zu Höchstzeiten im September 2021 waren es 75 Prozent. 

Ein Grund für die fehlenden Fachkräfte ist die demografische Entwicklung im Land. Nach Schätzungen des Zentralverbands der finnischen Wirtschaft (Elinkeinoelämän keskusliitto; EK) braucht Finnland netto jährlich 45.000 Fachkräfte aus dem Ausland, um den Rückgang der Erwerbsbevölkerung auszugleichen. 

Eine weitere Ursache sieht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Ungleichgewicht zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage (skills mismatches). Dieses habe im Laufe der Zeit zugenommen. Es fehlen entsprechende Studienplätze, heißt es unter anderem zur Begründung. Der Fachkräftemangel bremse Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnik (IKT).

Finnland im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Das nordische Land bietet Betrieben gut ausgebildete, oft hoch qualifizierte Arbeitnehmer, die sich durch Zuverlässigkeit und Eigenständigkeit auszeichnen. Im Jahr 2023 verfügten laut Eurostat 35,7 Prozent der Bevölkerung über einen tertiären Bildungsabschluss. Im EU-Durchschnitt waren es 31 Prozent. Die Schulbildung gilt im internationalen Vergleich als hervorragend. So belegte Finnland im weltweiten PISA-Ranking 2022 den zwölften Platz. Im europäischen Vergleich lag es nach Estland, Irland und der Schweiz auf dem vierten Platz

Entsendung von Mitarbeitern erfordert genaue Prüfung

Die allgemein verbindlichen Tarifverträge decken verschiedene Branchen ab. Sie sind für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel zwei Jahre) gültig und werden dann neu verhandelt. Die Verträge sind für alle Unternehmen der jeweiligen Branche bindend. Allerdings gibt es auch Tätigkeitsfelder, die nicht abgedeckt sind. Hier gelten die gesetzlichen Vorgaben.

Wenn deutsche Firmen Mitarbeiter nach Finnland entsenden und einer Branche mit entsprechendem finnischen Tarifvertrag angehören, gelten die Regelungen ebenfalls. Nicht selten gibt es in Finnland Tarifverträge für Sektoren, für die es in Deutschland keine gibt. Vor dem Entsenden der Mitarbeitenden empfiehlt sich daher eine genaue Prüfung. Unterstützung bietet die Deutsch-Finnische-Handelskammer (AHK Finnland).

Auslaufende Tarifverträge führen zu neuen Streiks

Im Winter 2024/2025 und im Frühjahr 2025 sind viele Tarifverträge ausgelaufen. Der Zentralverband der finnischen Gewerkschaften (SAK) veröffentlicht auf seiner Internetseite eine Liste der bereits ausgelaufenen oder zeitnah auslaufenden Tarifverträge. 

Im Rahmen der Tarifverhandlungen kommt es häufig zu Streiks im Land. Im Sommer 2024 reformierte die finnische Regierung das Streikrecht und schränkte Unterstützungs- und politische Streiks ein. Die finnische Wirtschaft erwartet bei den aktuellen Tarifverhandlungen höhere Lohnforderungen als üblich. Eine Übersicht über die aktuellen Streiks und Verhandlungen gibt es auf der SAK-Website.

Im März 2025 konnten Stellungnahmen zu einem neuen Gesetzesentwurf zur Verringerung des Kündigungsschutzes eingereicht werden. Der Entwurf wird dem finnischen Parlament im Juni 2025 vorgelegt werden. 

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