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Wirtschaftsumfeld | USA | Fachkräftemangel

Fachkräftemangel in den USA könnte sich weiter verschärfen

Fachkräfte sind knapp, vor allem technische. Jedes fünfte US-Unternehmen kann nicht voll produzieren, weil Personal fehlt. Die Regierung will dennoch weitere Fabriken ansiedeln.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Donald Trump möchte mit Hilfe seiner Zollpolitik industrielle Produktion zurück in die USA holen und – wie er neulich sinngemäß im amerikanischen Fernsehen sagte – damit "wunderschöne Arbeitsplätze in der Fertigung" schaffen. Er bietet eine Lösung an, die keiner will – für ein Problem, das es nicht gibt. "Die meisten Amerikaner wollen gar nicht in einer Fabrik arbeiten", berichtet Tilman H. Bender, Managing Director der Personalvermittlungsagentur TH Bender in Washington, D.C. Die Arbeit in Fabriken gelte als schmutzig und gefährlich, Homeoffice sei nicht möglich. Im Gegensatz dazu locke das Dienstleistungsgewerbe mit einem besseren Image und flexiblen Arbeitszeiten.

Zudem gibt es in den USA ausreichend Arbeit. Die Erwerbslosenquote lag laut dem Bureau of Labor Statistics im Mai 2025 bei 4,2 Prozent und damit nahe an der Grenze der Vollbeschäftigung. Die meisten offiziell registrierten Arbeitslosen sind bei näherer Betrachtung reine "Jobwechsler". Nur 20 Prozent sind Langzeitarbeitslose.

Weitere Zahlen zeigen, dass der Arbeitsmarkt weitgehend leer gefegt ist: Auf eine ausgeschriebene Stelle kam im April 2025 genau eine erwerbslose Person. Zudem arbeitet die überwältigende Mehrheit der Beschäftigten in Vollzeit. Jeder erwerbstätige Amerikaner leistete 2023 laut OECD durchschnittlich 1.800 Arbeitsstunden pro Jahr, gut 450 Stunden mehr als ein Erwerbstätiger in Deutschland.

US-Arbeitsmarkt im Überblick *)Stand: Mai 2025
Bevölkerung (in Mio.)

341,9

Erwerbstätige (in Mio.), davon

163,3

  in Vollzeit (in %)

82,6

Erwerbslose (in Mio.), davon

7,3

  weniger als 14 Wochen (in %)

63,4

  mehr als ein halbes Jahr (in %)

20,1

Erwerbslosenquote (in %)

4,2

Durchschnittlicher Stundenlohn (in US$)

36,2 

Durchschnittlicher Monatslohn (in US$)

5.387,2

Jährliche Arbeitszeit (2023, in Stunden)

1.804

* Es handelt sich (falls vorhanden) jeweils um saisonal bereinigte Werte.Quelle: Bureau of Labor Statistics 2025; OECD 2024

Im Alltag haben viele Unternehmen daher mit einem akuten Fachkräftemangel zu kämpfen, wie aus zahlreichen Umfragen hervorgeht. Im jährlich stattfindenden German Business Outlook der Deutsch-Amerikanischen Handelskammern stufen die Mitgliedsfirmen seit vielen Jahren den Fachkräftemangel als das größte Geschäftshindernis ein. Einige Firmen berichteten, dass sie deshalb sogar ihre Expansionspläne und Umsatzerwartungen zurückschrauben mussten.

Technische Ausbildung ist unattraktiv für viele Amerikaner 

In handwerklich-technischen Berufen ist der Mangel besonders groß. "Eine technische Ausbildung gilt für amerikanische Eltern und Jugendliche als nicht besonders erstrebenswert", sagt Bender. An den Ingenieurstudiengängen der Universitäten seien daher überdurchschnittlich viele ausländische Studierende eingeschrieben. Dieser Trend scheint sich eher noch zu verstärken. Die Anzahl der Auszubildenden ist zwar zwischen 2019 und 2025 um fast ein Viertel gestiegen. Den größten Zuwachs verzeichneten aber Dienstleistungsberufe.

Insgesamt gibt es im laufenden Jahr 2025 fast 700.000 Auszubildende in den USA. Zum Vergleich für Deutschland (mit seiner deutlich kleineren Bevölkerung) registrierte die Deutsche Industrie und Handelskammer (DIHK) 2024 nahezu den gleichen Wert. Das Statistische Bundesamt kam sogar auf einen Wert von 1,2 Millionen. Da sich in den Vereinigten Staaten 2025 über 16 Millionen Menschen in tertiärer Ausbildung befinden, bleibt die duale Ausbildung letztendlich ein Randerscheinung. Die Daten zeigen auch, dass nur 4,5 Prozent aller amerikanischen Azubis im verarbeitenden Gewerbe tätig sind. 

Fertigungskapazitäten wegen Fachkräftemangels nicht voll nutzbar

Die produzierende Industrie hat ein ernsthaftes Rekrutierungsproblem. Im 3. Quartal 2024 konnte etwa jede fünfte Fabrik ihre Produktionskapazität nicht wie gewünscht auslasten, weil Fachkräfte fehlten. Dies geht aus einer Publikation des Fachportals Supply Chain Management Review hervor. In der Metall- und Kraftfahrzeugindustrie fiel die Quote überdurchschnittlich hoch aus. Donald Trumps Zollpolitik hat sich aber genau auf diese Branchen eingeschossen. So erließ er Zölle auf Autos, Kfz-Teile, Stahl und Aluminium. Der branchenspezifische Fachkräftemangel stellt die Erfolgschancen seiner Neuansiedlungsbestrebungen infrage.

Die Metallindustrie leidet besonders starkUnternehmen mit ungenutzten Kapazitäten aufgrund von Fachkräftemangel (Anteil in Prozent)
Branche

3. Quartal 2024

Metall

30,0

Papier

29,3

Elektrotechnik

25,6

Kraftfahrzeuge

24,0

Maschinenbau

21,4

Nahrungsmittel

17,8

Elektronik und Computer

14,5

Chemie

13,7

Durchschnitt

20,6

Auswahl.Quelle: Supply Chain Management Review 2025

In Sparten wie der Nahrungsmittelindustrie scheint der Mangel nicht ganz so groß zu ein. Jedoch beschäftigt diese überdurchschnittlich viele Migranten, viele von ihnen haben keine Arbeitserlaubnis. Laut dem Center for Economic and Policy Research stellen Migranten in der Fleischverarbeitung etwa die Hälfte aller Beschäftigten. Die restriktivere Einwanderungspolitik sei daher für viele Betriebe riskant, folgert der Supply Chain Management Review.

Hochlohnland USA

Die Knappheit eines Produktionsfaktors bestimmt wesentlich seinen Preis. Dieser ökonomische Grundsatz trifft auch auf den Arbeitsmarkt der USA zu. Die Löhne gehören zu den höchsten auf der Welt und liegen auch über dem deutschen Niveau. Ein Schweißer beispielsweise verdient in den wohlhabenderen Bundesstaaten als Einstiegslohn gut 50.000 US-Dollar (US$). Mit wachsender Berufserfahrung können die Jahresbezüge auf über 100.000 US$ steigen. Bei vielen Produkten lohnt sich daher eine lokale Produktion nicht. Daran werden auch Zölle nichts Wesentliches ändern können. 

Der CEO des Apple-Konzerns rechnete beispielsweise vor, dass ein in den USA gefertigtes iPhone etwa dreimal so viel wie ein in Indien produziertes kosten würde. Solarzellen aus lokaler Produktion sind etwa viermal so teuer wie entsprechende Importe aus China, schätzen Branchenanalysten. Vor allem Hightech-Produktion oder Fertigung mit einem sehr hohen Automatisierungsgrad lohnt sich letztendlich in den USA.

Das stellt zugleich erhöhte Anforderungen an die Ausbildung. Forschung und Entwicklung werden immer wichtiger. Doch auch hier droht ein zunehmender Mangel. Donald Trumps Konflikte mit Universitäten, die Kürzung staatlicher Forschungsmittel sowie die verschärfte Visavergabe für Studierende und Doktoranden haben die Attraktivität der USA für internationale und einheimische Wissenschaftler in Mitleidenschaft gezogen. 

Wissenschaftler orientieren sich um

Laut der New York Times sind die Jobanfragen von Wissenschaftlern aus den USA an europäischen Universitäten und Forschungsinstituten sprunghaft gestiegen. Vertreter deutscher Stadtfördergesellschaften berichteten im Juni 2025 im Gespräch mit Germany Trade & Invest, dass in ihren Regionen zunehmend amerikanische Wissenschaftler eingestellt würden. Noch aber seien die Zahlen eher überschaubar.

Ausländische Studenten und Doktorandinnen werden es sich künftig genau überlegen, ob sie ihre Pläne in den USA umsetzen möchten oder wohin sie ihre teils horrend teuren Studiengebühren alternativ tragen könnten. Ein „brain drain“ wird immer wahrscheinlicher.

Vor diesem Hintergrund erscheint die von Trump gewünschte Reindustrialisierung fraglich. Das zeigt auch eine Projektion des Bureau of Labor Statistics. So soll das produzierende Gewerbe zwischen 2023 und 2033 zwar 110.000 Stellen schaffen. Doch zugleich entstehen landesweit 6,7 Millionen Jobs. Mit anderen Worten: Die verarbeitende Industrie wäre nur für knapp 2 Prozent des Stellenzuwachses verantwortlich. Ihr Anteil an allen Beschäftigten würde im Beobachtungszeitraum sogar zurückgehen.

Deutsche Unternehmen in der Zwickmühle

Deutsche Unternehmen stehen vor einem doppelten Dilemma: Ihre Gewinne und Umsätze leiden unter der Zollpolitik. Um die Zölle zu umgehen, könnten sie Produktion in den USA aufbauen. Das ist angesichts des Fachkräftemangels und der deutlich höheren Löhne schwierig und nicht immer ökonomisch sinnvoll. Hinzu kommt ein großes Risiko: Niemand weiß, wie lange die bestehenden Zölle gelten. Die Unsicherheit wirkt sich lähmend aus. Nicht wenige Investitionsprojekte in der Industrie liegen auf Eis.

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