Wirtschaftsumfeld | Finnland | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Löhne und Gehälter
Die Arbeitskosten in Finnland steigen langsamer als in anderen EU-Staaten. Die Unterschiede zu Deutschland werden größer. Beachten sollten Unternehmen die finnischen Tarifverträge.
06.05.2025
Von Niklas Becker | Helsinki
Die finnischen Arbeitskosten sind in den vergangenen Jahren nicht so schnell gestiegen wie in vielen anderen EU-Ländern. Das zeigen Daten von Eurostat. Im Jahr 2024 mussten Arbeitgeber der gewerblichen Wirtschaft in Finnland im Schnitt 39,10 Euro pro Arbeitsstunde bezahlen. Verglichen mit 2020 entspricht dies einem nominalen Anstieg um 12,4 Prozent. Der sechstniedrigste Wert in der EU.
Die finnischen Arbeitskosten waren damit auch geringer als in Deutschland. Hier lagen die Arbeitskosten 2024 mit 44,10 Euro pro Arbeitsstunde rund 18,5 Prozent über dem 2020-Niveau. Das macht sich auch in absoluten Zahlen bemerkbar. In 2020 lagen die finnischen Arbeitskosten pro Stunde 2,40 Euro unter dem deutschen Niveau. 2024 sind es bereits 5,00 Euro.
Arbeitsproduktivität wächst nur langsam
Ein Grund für den vergleichsweise geringeren Anstieg der Arbeitskosten in Finnland ist die finnische Inflation. Die Preiszuwächse in dem nordischen Land fielen in den vergangenen Jahren niedriger aus als im EU-Durchschnitt und in Deutschland.
Einen weiteren Grund sieht Petteri Rautaporras, Chef-Volkswirt beim finnischen Verband der technischen Industrien (Teknologiateollisuus) in der finnischen Arbeitsproduktivität. Diese hat sich in den vergangenen Jahren nur sehr langsam entwickelt. "In Finnland ist das Produktivitätswachstum eines der niedrigsten in Westeuropa. Es gibt damit eigentlich keine Möglichkeit für Reallohnsteigerungen", sagt der Experte. Er erwartet daher, dass sich die finnischen Arbeitskosten 2025 und 2026 auf einem ähnlichen Niveau entwickeln werden wie 2024.
Regionale Unterschiede bei den Gehältern
"In Finnland weisen die Gehälter teilweise regionale Unterschiede auf", sagt Rautaporras. In der Hauptstadtregion sowie an der Westküste liegen sie über dem Niveau des Landesinneren. "Die Unterschiede sind aber nicht allzu groß", ergänzt der Ökonom. Deutlicher fallen sie dem Experten zufolge hingegen zwischen verschiedenen Qualifizierungs-Niveaus aus: "Wenn Sie hochqualifizierte Arbeitskräfte haben wollen, müssen Sie viel mehr bezahlen. Vor allem, wenn es einen Mangel an entsprechenden Arbeitskräften gibt."
Branche | Monatslohn |
---|---|
Durchschnittslohn | 4.007 |
Bergbau | 4.231 |
Verarbeitendes Gewerbe | 4.305 |
Lebensmittelherstellung | 3.870 |
Papierherstellung | 4.788 |
Herstellung von Chemikalien | 4.584 |
Maschinen- und Anlagenbau | 4.483 |
Herstellung von Kraftfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern | 3.687 |
Strom-, Gas-, Wärme- und Kälteversorgung | 5.125 |
Wasserversorgung, Abfallwirtschaft | 3.951 |
Baugewerbe | 4.140 |
Groß- und Einzelhandel, Reparatur von Kfz | 3.891 |
Transport und Lagerhaltung | 3.723 |
Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie | 2.914 |
Informations- und Kommunikationsdienstleistungen | 5.075 |
Finanz- und Versicherungswesen | 5.114 |
Tarifverhandlungen spielen eine große Rolle
Der finnische Arbeitsmarkt zeichnet sich durch einen hohen Organisationsgrad sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer aus. Im Land haben Tarifverträge Tradition. Seit 2007 werden die Tarifverhandlungen weniger stark zentral organisiert. Stattdessen gewinnen die Verhandlungen auf Branchenebene an Bedeutung.
Derzeit gelten in Finnland rund 160 allgemein verbindliche Tarifverträge. Diese legen über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Abmachungen zwischen Arbeitgeber und -nehmer fest. Grundsätzlich sind die tarifvertraglichen Regelungen umfassender und weitreichender als die gesetzlichen.
Zu den wichtigsten Bestandteilen der Tarifverträge gehören Vorgaben zu branchenspezifischen Mindestlöhnen, zur Wochenarbeitszeit sowie Regelungen zum Urlaubsgeld und zukünftigen Gehaltssteigerungen. Die Arbeitnehmer verzichten für die jeweilige Geltungsdauer der Tarifverträge wiederum auf ihr Recht zum Arbeitsstreik. Diskussionen über einen grundsätzlichen gesetzlichen Mindestlohn gibt es derzeit nicht.
Die in den Tarifverträgen festgelegten Mindestlöhne sehen verschiedene Gehaltsstufen entsprechend der Qualifizierung vor. In den technischen Industrien sieht der Tarifvertrag für Produktionsmitarbeiter ("Blue Collar Workers") beispielsweise neun verschiedene Stufen vor. Für die niedrigste fallen rund 10 Euro pro Stunde an. "Etwa ein Fünftel der Mitarbeitenden in den technischen Industrien bekommt diesen Mindestlohn", sagt Rautaporras und ergänzt: "In anderen Sektoren ist der Anteil jedoch merklich höher. Teilweise bestimmen die Mindestlöhne aus den Tarifverträgen in diesen Branchen das Lohngefüge."
Position | Monatslohn |
---|---|
Durchschnittslohn | 4.007 |
Führungskraft | 7.992 |
Personal mit akademischer Ausbildung | 4.855 |
Techniker:in | 3.857 |
Unterstützende Bürokraft | 3.148 |
Dienstleistungs- und Verkaufskraft | 2.969 |
Fachkraft in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft | 2.788 |
Handwerker:in | 3.459 |
Anlagen- und Maschinenbediener:in, Montagekraft | 3.456 |
Hilfskraft | 2.379 |
Weitere Lohnbestandteile sind wichtig
Prämien sind in Finnland als zusätzliche, freiwillige Gehaltskomponenten weit verbreitet. Sehr häufig werden erfolgsabhängige Prämien an die Belegschaft ausgezahlt. Die Arbeitgeber schließen für ihre Beschäftigten vielfach Zusatzversicherungen und Betriebsrenten ab. Je nachdem, zu welchem Arbeitgeberverband ein Unternehmen gehört, sind solche Zusatzversicherungen, die beispielsweise für den Arbeitnehmer ein bestimmtes Rentenniveau absichern sollen, aufgrund bestehender Tarifverträge verpflichtend.
Arbeitgeber kooperieren außerdem mit privaten Gesundheitsdienstleistern, um die gesetzlich vorgeschriebene betriebliche Gesundheitsfürsorge zu organisieren und um Mitarbeitern attraktive Zusatzleistungen zu bieten. Bei den nicht-monetären Leistungsanreizen spielt die Flexibilität von Arbeitszeit und -ort, vor allem zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine wichtige Rolle.
Sozialversicherungsbeiträge - viele Arbeitgeber kaufen Leistungen bei privaten Ärtzehäusern
Da die Struktur der sozialen Sicherung in Finnland anders als in Deutschland geregelt ist, decken sich die in der Tabelle zu den Sozialversicherungsabgaben aufgeführten Begriffe inhaltlich nicht mit den in Deutschland verwendeten Begriffen. So werden das Gesundheitswesen und Krankheitskosten in Finnland weitgehend über Steuern finanziert. Der von den Arbeitgebern erbrachte Krankenversicherungszuschuss ist daher lediglich als kleiner Beitrag zur Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens zu sehen.
Zu beachten ist jedoch, dass der Arbeitgeber in Finnland verpflichtet ist, seinen Mitarbeitern betriebliche Vorsorge- und Krankenbehandlungsleistungen in einem bestimmten Mindestmaß zur Verfügung zu stellen. In aller Regel geschieht dies durch den Einkauf entsprechender Leistungen bei einem privaten Ärztehaus oder bei einem kommunalen Gesundheitszentrum.
Damit die Arbeitgeberabgaben korrekt abgeführt werden, nutzen viele deutsche Unternehmen die Gehaltsbuchhaltungsdienstleistungen der AHK Finnland. Diese führt die Arbeitgeberabgaben an die Finanzbehörden ab und übernimmt auf Wunsch die Gehaltsadministration sowie nötige Registrierungen.
Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 17,38 1) |
Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 1,87 |
Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 0,20 2) |
Sonstige Versicherungen (Arbeitgeberanteil) |
|
Gruppenlebensversicherung | 0,053-0,060 |
Unfallversicherung | ca. 1 % Außendienst ca. 3 % Elektrobranche ca. 8 % Bergbau |