Wirtschaftsumfeld | Polen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Löhne und Gehälter
Nach Jahren kräftiger Lohnsteigerungen verliert die Gehaltsentwicklung in Polen an Tempo. Im EU-Vergleich bleibt das Einkommensniveau weiterhin moderat, mit wenigen Ausnahmen.
05.08.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Die Löhne in Polen werden voraussichtlich langsamer steigen als bisher. Im Jahr 2024 verzeichnete die Sozialversicherungsanstalt ZUS zwar ein kräftiges Plus des monatlichen Durchschnittsgehalts um 14,3 Prozent auf rund 1.950 Euro. Doch laut Prognosen der Europäischen Kommission dürften die Zeiten zweistelliger Zuwachsraten vorerst vorbei sein. Den Berechnungen zufolge werden die Gehälter im Gesamtjahr 2025 um 6,2 Prozent steigen und 2026 um weitere 4,8 Prozent.
Damit liegt das Tempo der Gehaltserhöhungen künftig nicht mehr so deutlich über dem EU-Durchschnitt wie in den vergangenen Jahren. Zwischen 2020 und 2024 stiegen die Löhne in Polen laut Eurostat mehr als dreieinhalb Mal so schnell wie im Rest der Staatengemeinschaft.
Kaum Bewegung beim Mindestlohn
Mehrere Faktoren tragen zur Stabilisierung des Lohnniveaus bei. Die Inflation hat an Dynamik verloren. Steigen die Preise langsamer, fordern Beschäftigte seltener einen Ausgleich für den Kaufkraftverlust. Gleichzeitig suchen Unternehmen derzeit weniger Personal. Das schwächt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer.
Auch die Regierung dämpft die Erwartungen: Für 2026 schlägt das Kabinett eine Erhöhung des Mindestlohns um lediglich 3 Prozent vor, auf rund 1.140 Euro. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2024 lag das Plus bei über 20 Prozent.
Branchenspezifisch zeigen sich einige Unterschiede. In Dienstleistungsbranchen steigen die Gehälter derzeit schneller als im verarbeitenden Gewerbe. Dennoch zahlt die Industrie weiterhin einen der höchsten Durchschnittslöhne. Stark ist der Lohndruck im Logistiksektor. Der anhaltende Mangel an Lkw-Fahrern treibt dort die Gehälter.
Auch in der IT-Branche steigen die Personalkosten. Die Gehälter erreichen hier teils westeuropäisches Niveau. Ein Beispiel: Laut dem Jobportal No Fluff Jobs verdient ein fest angestellter Senior-Softwareentwickler mit mindestens 5 Jahren Erfahrung in mehreren Programmiersprachen rund 12.000 Euro monatlich.
Niedrigere Löhne in Ostpolen
Auch regional gibt es Unterschiede bei der Lohnentwicklung. In den ostpolnischen Woiwodschaften Podkarpackie und Lubelskie steigen die Gehälter laut der Statistikbehörde GUS besonders dynamisch. Dennoch bleibt das Gefälle zwischen Ost- und Westpolen bestehen: Arbeitgeber im südwestlichen Dolnośląskie zahlen rund ein Viertel mehr als Unternehmen im nordöstlichen Warmińsko-Mazurskie. Als Faustregel gilt: Rund um Ballungszentren sind die Löhne besonders hoch.
In der Hauptstadt Warschau und in Industriezentren wie Wrocław, Katowice oder Poznań herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Die AHK Polen empfiehlt deutschen Mittelständlern daher, Regionen abseits der Ballungsräume in den Blick zu nehmen.
Ein weiterer Einflussfaktor für das Durchschnittsgehalt ist die Unternehmensstruktur. Internationale Firmen zahlen höhere Löhne als Betriebe mit polnischem Eigentümer. Allerdings nähern sich die Gehälter an: Laut der Personalagentur Sedlak & Sedlak lag der Lohnaufschlag ausländischer Investoren früher bei rund einem Drittel. Inzwischen beträgt er noch 27,6 Prozent. Auch Großunternehmen zahlen im Schnitt etwa ein Viertel mehr als kleinere Firmen.
Neben dem Lohnniveau ist die Arbeitszeit ein entscheidender Faktor für Investoren. Polen fällt hier besonders auf: Mit durchschnittlich 40,1 Wochenstunden liegt das Land laut Eurostat auf Platz 2 in der EU. Nur in Griechenland wird noch länger gearbeitet.
Kosten im internationalen Vergleich
Die durchschnittlichen Arbeitskosten, bestehend aus Arbeitnehmerentgelt, Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern (Labour cost index, LCI) bleiben im EU-Vergleich moderat. Sie liegen bei 17,30 Euro pro Stunde. Das entspricht etwas mehr als der Hälfte des EU-Durchschnitts und rund 40 Prozent des deutschen Niveaus.
Im regionalen Vergleich mit der Slowakei, Tschechien und Ungarn zahlen Arbeitgeber nur im letztgenannten Land noch geringere Arbeitskosten. Dennoch gilt Polen nicht mehr als Billiglohnstandort. Wer in der EU ausschließlich auf niedrige Lohnkosten achtet, orientiert sich Richtung Bulgarien, wo die Arbeitskosten bei 10,60 Euro pro Stunde liegen.
Gleichzeitig können sich die Gehaltsunterschiede zwischen Deutschland und Polen in bestimmten Fällen schnell verringern. Das gilt insbesondere dann, wenn Unternehmen auf höheren Positionen neben der fachlichen Qualifikation auch umfangreiche Deutschkenntnisse verlangen.
1. Quartal 2025 in Złoty | Veränderung 1. Quartal 2025/2024 (in %)1) | 1. Quartal 2025 in Euro2) | |
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Insgesamt | 8.736 | 8,2 | 2.044 |
Information, Telekommunikation | 14.954 | 8,4 | 3.498 |
Energieerzeugung, -versorgung | 13.137 | 4,9 | 3.073 |
Bergbau | 12.284 | 4 | 2.873 |
Professionelle, wissenschaftliche, technische Tätigkeit | 12.007 | 7,3 | 2.809 |
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 9.946 | 4,6 | 2.326 |
Immobilienbranche | 8.646 | 7,8 | 2.022 |
Transport, Lagerwirtschaft | 8.236 | 8,9 | 1.927 |
Verarbeitendes Gewerbe | 8.216 | 8,4 | 1.922 |
Bauwirtschaft | 8.131 | 7,8 | 1.902 |
Handel, Reparaturen von Kraftfahrzeugen | 8.104 | 7,6 | 1.896 |
Kunst, Unterhaltung und Erholung | 7.931 | 11,3 | 1.855 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung | 7.639 | 9,6 | 1.787 |
Verwaltung, unterstützende Tätigkeit | 7.203 | 10,6 | 1.685 |
Sonstige Dienstleistungen | 6.821 | 9,7 | 1.596 |
Hotel und Gastronomie | 6.447 | 8,2 | 1.508 |
4. Quartal 2024 in Złoty | 4. Quartal 2024 in Euro* | |
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Geschäftsführung (mittelgroßer Betrieb) | 73.034 | 17.084 |
Vertriebsleitung (mittelgroßer Betrieb) | 47.000 | 10.994 |
Programmierung (Senior) | 14.833 | 3.470 |
Ingenieurwesen (Automatisierung) | 12.518 | 2.928 |
Buchhaltung (3 Jahre Erfahrung) | 9.085 | 2.125 |
Kraftfahrende (ohne Zuschläge) | 8.341 | 1.951 |
Schweißer (Senior) | 7.611 | 1.780 |
Die Angaben basieren auf einer Internetumfrage und sollten daher nur als Orientierungspunkt und nicht als statistische Daten verstanden werden. |
Weitere Lohnbestandteile
Lohnzusatzleistungen gehören in Polen zum Standard. Das betrifft die Industrie wie auch den Dienstleistungssektor (siehe Kapitel Personalsuche und Personalmanagement). Zu den beliebtesten Boni zählen Lebensversicherungen, private Krankenzusatzversicherungen, Mitgliedschaften in Fitnessstudios sowie Verpflegungsgutscheine.
Führungskräfte erhalten in der Regel einen Dienstwagen. Telearbeit ist in mittelgroßen und großen Dienstleistungsunternehmen etabliert, meist mit zwei bis drei Präsenztagen pro Woche.
Wie das Versicherungsbüro WTW erklärt, liegen die Kosten für Zusatzleistungen bei etwa 5 bis 6 Prozent des Bruttolohns. Besonders die Krankenzusatzversicherungen werden teurer, ein Effekt des Ärztemangels in Polen.
Sozialversicherungsbeiträge
Insgesamt liegen die Lohnnebenkosten in Polen unter dem EU-Durchschnitt. Sie machten im Jahr 2024 laut Eurostat 18 Prozent der Lohnkosten aus. Im EU-Durchschnitt erwartete Arbeitgeber ein Anteil von 24,7 Prozent.
Die polnische Regierung führte im Januar 2019 sogenannte Arbeitnehmer-Kapitalpläne (Pracownicze Plany Kapitalowe; PPK) ein. Die PPK sind eine zusätzliche Altersvorsorge. An den Kosten beteiligen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Seit dem 1. Januar 2021 müssen fast alle Betriebe PPK gründen. Das Programm lässt sich entfernt mit der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland vergleichen.
Die Sozialversicherungsbeiträge liegen in Polen bei einem Arbeitnehmeranteil in Höhe von 22,71 Prozent des Bruttogehaltes und bei einem Arbeitgeberanteil in Höhe von in der Regel 20,48 Prozent. Der Satz wird auf das Bruttogehalt aufgeschlagen.
Altersrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1) | 9,76 |
Invalidenrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1) | 6,5 |
Arbeits- und Solidaritätsfonds (Arbeitgeberanteil) | 2,45 |
Unfallversicherung (Arbeitgeberanteil)2) | 0,67 - 3,33 |
Fonds für garantierte Arbeitnehmerleistungen | 0,1 |
außerdem: Arbeitnehmer-Kapitalpläne (PPK; Arbeitgeberanteil)3) | 1,5 |