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Branche kompakt | Frankreich | Chemische Industrie

Krisenstimmung in Frankreichs Chemiebranche

Die Chemiebranche schleppt sich ins dritte Krisenjahr. Unternehmen denken an Abwanderung. (Stand: April 2025)

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Ausblick der chemischen Industrie in Frankreich

Bewertung: 

  • Lediglich die Bereiche Feinchemie, Sprengstoffe und Kosmetik laufen gut.
  • Branche kämpft mit Wettbewerbsdruck, schwacher Nachfrage und hohen Energiepreisen.
  • Unternehmen schieben erforderliche Investitionen auf.
  • EU-Maßnahmen zu den Themen Bürokratie und Energie müssen noch umgesetzt werden.
  • Unternehmen denken an Abwanderung, auch aus Sorgen vor Strafzöllen aus den USA.

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: März 2025

  • Markttrends

    Die Chemiebranche schlägt angesichts unsicherer Zukunftsaussichten Alarm. Das Wettbewerbsumfeld bleibt auch im Jahr 2025 schwierig. Unternehmen fordern staatliche Rückendeckung.

    Für 2025 erwartet der Branchenverband France Chimie nach einem bereits schwachen Jahr 2024 ein weiteres Abrutschen des Sektors in die Krise. Im Jahr 2024 hat die Gesamtbranche zwar ein leichtes Wachstum von 1 Prozent erzielt. Dieses Wachstum ist allerdings von einer vergleichsweise starken Entwicklung des Bereichs pharmazeutische Feinchemie getragen worden. Segmente wie die organische Chemie und die Basischemie rutschten ins Minus. 

    Das wirtschaftliche Umfeld gestaltet sich anhaltend schwierig. Die internationale Nachfrage bleibt ohne Impulse, chinesische Überkapazitäten überschwemmen den europäischen Markt und die hohen Energiepreise belasten den Sektor. Auch die Schwäche wichtiger Abnehmerindustrien wie der Bau- und Kfz-Branche behindert nach wie vor einen kräftigen Aufschwung. Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle würden die französische, exportorientierte Chemiebranche stark treffen.

    15.000 Arbeitsplätze

    in der Chemiebranche sind im Jahr 2025 laut Branchenverband France Chimie bedroht. 

    Stellenabbau droht

    Das Niveau der Auftragseingänge lag im Dezember 2024 laut Statistikamt INSEE auf dem tiefsten Niveau seit Anfang der Coronapandemie. Die Kapazitätsauslastung erreichte laut Banque de France im 4. Quartal 2024 lediglich 72 Prozent. Damit stagnieren die Auslastungen bereits seit dem 1. Quartal 2022 unter der Grenze von 75 Prozent. Die Rentabilität von Unternehmen ist gefährdet und damit auch Arbeitsplätze. Ende 2024 haben laut France Chimie 80 Prozent der Branchenunternehmen Sparpläne aufgelegt, 30 Prozent der Branchenunternehmen rechnen mit Entlassungen im laufenden Jahr 2025. Etwa 15.000 bis 20.000 Stellen, warnt der Branchenverband, könnten in diesem Jahr wegfallen.

    Doch die Lage der französischen Chemieindustrie ist nicht in allen Sparten schlecht. Die Segmente pharmazeutische Feinchemie und Sprengstoffe wachsen zweistellig. Die Branchengrößen Arkema und Air Liquide konnten selbst im schwierigen Jahr 2024 Umsätze und Gewinne steigern. Zudem werden in Frankreich nach wie vor Großprojekte umgesetzt. So hat sich das Unternehmen FertigHy mit Siemens zusammengeschlossen, um im nördlichen Frankreich eine dekarbonisierte Düngemittelproduktion aufzubauen, eine Investition von 1,3 Milliarden Euro. Das Luxemburger Unternehmen Livestro plant in Le Havre 1 Milliarde Euro in eine Lithiumrecyclinganlage zu investieren. Darüber hinaus dürften erwartete Großinvestitionen in die Verteidigungsindustrie auch in Teilen der Chemieindustrie im Jahr 2025 für Impulse sorgen.

    EU-Erleichterungen gehen nicht weit genug

    Die Branche fürchtet an Konkurrenzfähigkeit gegenüber asiatischen und nordamerikanischen Wettbewerbern zu verlieren. Angesichts der starken ausländischen Konkurrenz und Kostennachteile beginnen Unternehmen ihr Vertrauen in den französischen Markt zu verlieren und denken über Abwanderung an günstigere Produktionsstandorte nach. Gerade die USA ziehen verstärkt Investitionen auch französischer Branchenunternehmen an.

    Die EU-Kommission hat mit dem Clean Industrial Deal Ende Februar 2025 ein Maßnahmenpaket vorgestellt, dass die Belastungen der Industrie kurzfristig verringern soll. Hier stehen niedrigere Energiepreise und die Entbürokratisierung im Fokus. Den Branchenunternehmen gehen die Lösungen nicht weit genug.

    Investitionen bleiben notwendig

    Angesichts der schwachen Konjunktur überdenkt die Mehrheit der Branchenunternehmen geplante Investitionsvorhaben, so der Branchenverband France Chimie. Unternehmen beschränken sich angesichts schwacher Wachstumsaussichten auf Investitionen in Wartung und Instandhaltung. Auch Investitionen, die erforderlich sind, um regulative Vorgaben einzuhalten, erfolgen weiterhin. Die Branche müsste aber weitere Innovation anstoßen, auch um international nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

    Der Marktanalyst Xerfi sieht die Chemiebranche vor einer tiefgreifenden Transformation. Der Chemiesektor wird sich auf Nachfrageveränderungen einstellen müssen, die die Energiewende und die Elektrifizierung von Prozessen in der Wirtschaft mit sich bringen. Bereits jetzt orientieren sich erste Branchenunternehmen auf Geschäftsfelder wie das chemische Recycling von Wertstoffen, Metallen und seltenen Erden. Die Regierung hat im Rahmen des Innovationsplans France 2030 ein im Januar 2025 von der EU genehmigtes Programm zur Förderung des chemischen Recyclings von Plastik in Höhe von 500 Millionen Euro aufgelegt.

    Auch die Produktion von biobasierten Kunststoffen gewinnt an Schwung. Zudem sind Chemieunternehmen branchenübergreifend gezwungen, verstärkt in Energieeffizienz und Dekarbonisierung zu investieren. Eine bessere Kohlenstoffbilanz dürfte angesichts des neuen EU-CO2-Grenzausgleichssystems und steigender Emissionspreise in Zukunft ein Element sein, die Wettbewerbsposition zu verbessern.

    Kosmetiksektor stützt die Chemieexporte

    Die französischen Exporte von chemischen Produkten sind 2024 gegenüber dem Vorjahr um 3,2 Prozent auf 51,7 Milliarden Euro zurückgegangen. Lediglich die Stütze der französischen Chemiebranche, die in Frankreich starke Sparte der Parfüm-, Seifen-, Wasch- und Körperpflegemittelchemie, konnte ihre Exporte 2024 deutlich steigern, dies um 5,5 Prozent auf knapp 25 Milliarden Euro.

    Zukunft von Förderprogrammen ist offen

    Einige Chemieunternehmen setzen auf Investitionen in neue Geschäftsfelder: Energieeffizienz und Dekarbonisierung. Die Forschungszulage "Credit d'impot recherche" unterstützt Unternehmen trotz der Sparzwänge auch im laufenden Haushaltsjahr bei Forschung und Innovation. Die Start-up- und Innovationsförderung unter dem Innovationsprogramm France 2030 wird ebenfalls fortgeführt. Allerdings stehen im laufenden Jahr 2025 nur noch 5 Milliarden Euro statt der ursprünglich geplanten 8 Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Frankreich In Millionen Euro
    Akteure / Projekt (Standort)

    Investitionssumme 

    ProjektstandAnmerkungen
    FertigHy, Siemens / Produktion von CO2-armen Düngemitteln (Hauts-de-France)

    1.300

    Projektankündigung Mai 2024Inbetriebnahme geplant 2030
    Livista Energy / Lithiumraffinerie (Le Havre)

    1.000

    Projektankündigung November 2024Inbetriebnahme geplant 2028
    Eastman / Anlage für Kunststoffrecycling in Saint-Jean-de-Folleville (Normandie)

    1.000

    Baugenehmigung erteilt; Baubeginn verzögert sichBaubeginn geplant 2025, Inbetriebnahme geplant 2026
    Elyse Energy / Anlage zur Produktion von E-Methanol (Roches-Roussillon; Isère)

    750

    Abstimmungsverfahren läuftBaubeginn geplant 2026, Inbetriebnahme 2028 
    Hunan Changyuan Lico (China), Axens (Frankreich) / Produktion von Kathodenaktivstoffen (Port de Saint-Saulve; Hauts-de-France)

    600

    Projektankündigung Mai 2024; Machbarkeitsstudie wird erstelltBaubeginn geplant 2027
    Loop Industries (Kanada), SK Geo Centric (Südkorea), Suez (Frankreich) / Chemische Recyclinganlage für PET (Carling-Saint-Avold; Moselle)

    450

    Projektankündigung Januar 2023; Abstimmungsverfahren läuftKapazität 70.000 Tonnen pro Jahr; Baubeginn 2025, Inbetriebnahme 2027 geplant
    Arkema / Umstellung auf klimafreundliche Produktion

    400

    Projekt im Juli 2022 vorgestellt; Umsetzung läuftAbsenkung Treibhausausstoß um 46 Prozent gegenüber 2019; fortlaufend bis 2030
    Total Energie, Air Liquide / Aufbau einer dekabornisierten Wasserstoffproduktion (Plattform La Mède, Châteauneuf-les Martigues)

    150

    Projektankündigung  November 2024Kapazität 25.000 Tonnen H2O jährlich; Inbetriebnahme geplant 2028
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Unternehmen halten trotz der schwierigen Lage an bereits aufgelegten Dekarbonisierungsplänen fest. Wasserstoffprojekte hingegen geraten ins Stocken. 

    Die Chemieindustrie erzeugt gut ein Viertel der Klimagase der gesamten französischen Industrie. Damit steht die Branche im Fokus von Dekarbonisierungsoffensiven. Die Stratégie Nationale Bas-Carbone aus dem Jahr 2021 sowie die Branchenroadmap Dekarbonisierung sehen bis 2030 eine Rückführung der Treibhausgasemissionen um mindestens 26 Prozent gegenüber 2015 vor. Die garantierten Einsparungen sollen damit 5,7 Megatonnen CO₂-Äquivalent erreichen. Im Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung stellt die Branche eine zusätzliche Reduktion des Treibhausgastausstoßes und damit eine Gesamtreduktion um 37 bis 49 Prozent bis 2030 in Aussicht.

    Zukunft staatlicher Förderungen ist unsicher

    Im November 2023 hat die Regierung eine weitergehende Förderung der Dekarbonisierung der Chemieindustrie angekündigt. Sie will die Dekarbonisierung der 50 größten industriellen Treibhausgasemittenten mit 5 Milliarden Euro unterstützen. Die staatliche Gesamtfinanzierung der Dekarbonisierung der herstellenden Industrie erreicht damit nach Regierungsankündigungen 10,6 Milliarden Euro. Die EU-Kommission hat dieses Transformationsförderprogramm im Februar 2025 genehmigt. Ob die Förderankündigungen aber in ihrer Gesamtheit eingehalten werden können, ist angesichts der Sparzwänge auf Regierungsseite offen. Laut Schätzung der Regierung belaufen sich die erforderlichen Gesamtinvestitionen für die Dekarbonisierung auf 50 Milliarden bis 70 Milliarden Euro.

    Kleine und mittlere Unternehmen erhalten Hilfen über Förderprogramme der Umweltagentur Ademe. Für Investitionen in Dekarbonisierung, Energieeffizienz und Wasserstoff stellt Ademe im Rahmen der Programme Decarb IND und DECARB IND+ Hilfen von bis zu 200 Millionen Euro zur Verfügung. Der Fonds Chaleur unterstützt Effizienzsteigerungen bei Wärme-/Kälteerzeugung und Energierückgewinnung.

    Wasserstoffprojekte geraten ins Stocken

    Im Zentrum der Bemühungen zur Dekarbonisierung der Chemieindustrie steht die Transformation der 16 größten Treibhausgasemittenten der Branche. Ende November 2023 hat die Regierung mit Unternehmen wie TotalEnergies und Borealis eine jeweils individuelle Dekarbonisierungsstrategie abgeschlossen. Ziel ist es, den Treibhausgasausstoß der Chemiebranche zwischen 41 und 49 Prozent zu reduzieren. Hierbei setzen die "Contrats de Transition Écologique de l'Industrie" (Verträge über die ökologische Transformation der Industrie) auf eine Steigerung der Energieeffizienz, die Elektrifizierung der Produktion unter verstärktem Einsatz dekarbonisierten Wasserstoffs sowie die CO2-Abscheidung und Speicherung.

    Chemieunternehmen mit Transitionsvertrag CO2-Ausstoß in tCO2e; Reduzierungsziel in Prozent
    GruppeStandortProduktionCO2-Ausstoß 2015Reduzierungsziel
    NaphtachimieLavéraOlefine

    1.468.000

    15 - 24

    BorealisGrandpuitsAmmoniak und Düngemittel

    726.197

    42 - 56

    BorealisGrand-QuevillyAmmoniak und Düngemittel

    579.758

    65 - 82

    VersalisMardyckOlefine

    643.720

    19 - 36

    HumensLaneuville-devant-NancyKarbonate

    609.217

    60

    AlsachimieChalampéOrganische Chemie

    548.930

    37

    LyondellBasellBerreBasischemie

    1.217.000

    35

    TotalEnergiesGonfreville, Fezin, DongesOlefine

    6.000.000

    50

    YaraLe HavreAmmoniak und Düngemittel

    750.000

    39 - 73

    PetroineosLavéraOlefine

    1.561267

    24 - 31

    Quelle: Französische Regierung 2023

    Große Wasserstoffprojekte aber werden langsamer umgesetzt als geplant. Es fehlt eine umfassende Wasserstoffinfrastruktur. Viele Technologien wie die Elektrifizierung von Prozessen, die Herstellung von grünem Wasserstoff oder die Abscheidung und Speicherung von CO2 sind noch nicht marktreif. Zudem halten sich die Banken nach Unternehmensaussagen mit Finanzierungszusagen für Dekarbonisierungsprojekte zurück. Die Preise für dekarbonisierten Wasserstoff gelten bislang noch als zu hoch, um Projekte in die Rentabilitätszone zu bringen.

    Großkonzerne investieren in die grüne Transformation

    Die Transformation der Chemieindustrie wird unter anderem durch den Innovationsplan France 2030 mitgetragen. Nach Auskunft von France Chimie haben die Förderprogramme mehr als 250 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von 5 Milliarden Euro in der Chemiebranche angestoßen oder beschleunigt. Die Dekarbonisierung des Sektors steht bei Förderprojekten im Vordergrund.

    Unabhängig von staatlichen Förderungen entwickeln große Chemieunternehmen Speziallösungen, um die Transformation in Richtung klimafreundliche Produktion voranzutreiben. Arkema, einer der Chemieriesen des Landes, hat im Juli 2022 angekündigt, bis 2030 bis zu 400 Millionen Euro in Klimatechnologie zu investieren. Der belgische Chemiekonzern Solvay plant, seine Natriumkarbonatproduktion in Dombasle in Kooperation mit der französischen Veolia auf Ersatzbrennstoffe umzustellen. Siemens Frankreich und FertigHy haben im Januar 2025 eine Kooperationsvereinbarung über den Bau einer Anlage zur Herstellung von Düngemitteln aus kohlenstoffarmem Wasserstoff in Nordfrankreich geschlossen.

    TotalEnergies treibt Wasserstoffprojekte voran

    Auch der Energiekonzern TotalEnergies treibt Wasserstoffprojekte voran. Im September 2023 hatten TotalEnergies und Air Liquide eine Vereinbarung unterzeichnet, die die langfristige Versorgung von TotalEnergies Raffinerie- und Petrochemieplattform in der Normandie mit grünem und kohlenstoffarmem Wasserstoff absichert. Im Juni 2024 schloss TotalEnergies eine weitere Liefervereinbarung über die Versorgung mit 70.000 Tonnen Wasserstoff jährlich mit dem amerikanischen Lieferanten Air Products ab. Der Energieriese will die Raffinerieprozesse in seinen sechs europäischen Raffinerien dekarbonisieren, um ab 2030 pro Jahr 5 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen. Zudem hat TotalEnergies Ende 2024 angekündigt, in Kooperation mit Air Liquide auf der Industrieplattform La Mède im Süden Frankreichs die Produktion dekarbonisierten Wasserstoffs aufzulegen. Insgesamt handelt es sich um eine Investition in Höhe von 150 Millionen Euro.

    Dekarbonisierung wird mittelfristig zum Wettbewerbsvorteil

    Außerhalb bereits angeschobener Projekte halten sich Unternehmen angesichts hoher Finanzierungskosten und der schwachen Branchenkonjunktur häufig mit Neuinvestitionen zurück. Das Marktforschungsinstitut Xerfi aber geht davon aus, dass Branchenunternehmen keine andere Wahl haben, als ihre Transformation in Richtung Dekarbonisierung voranzutreiben. Nur so könnten auch energieintensive Sektoren international wettbewerbsfähig bleiben.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Branchenstruktur

    Frankreichs Chemiesektor ist vielfältig. Auch kleine Unternehmen belegen wichtige Positionen in den Lieferketten. Branchengrößen verstärken Kooperationen und Start-up-Förderungen.

    Die chemische Industrie hat in Frankreich eine lange Tradition und ist in allen Segmenten der Produktion gut vertreten. Das Land verfügt nach Deutschland über die zweitgrößte Chemieindustrie in Europa und die fünftgrößte weltweit. Die knapp 4.000 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2023 mit ihren rund 228.000 Mitarbeitenden laut France Chimie einen Gesamtumsatz von 109 Milliarden Euro. Die Chemiebranche ist Frankreichs bedeutendste Exportindustrie.

    Start-ups kooperieren mit Branchengrößen

    Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Chemielandschaft. Rund 94 Prozent der Branchenakteure beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende. Das Land verfügt jedoch auch über große, international aufgestellte Konzerne wie TotalEnergies, Arkema, Air Liquide und Kem One. Darüber hinaus ist Frankreich besonders für US-amerikanische Unternehmen (ExxonMobil Chemical, LyondellBasell) ein wichtiger Produktionsstandort in Europa. Auch die großen deutschen Chemiekonzerne sind in Frankreich aktiv. BASF ist mit 14 Produktionsstandorten in Frankreich vertreten und beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeitende. Bayer betreibt mit ebenfalls rund 3.000 Mitarbeitenden sechs Fabriken sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Frankreich. 

    Gerade Großunternehmen investieren in die eigene Forschung und Entwicklung, setzen zunehmend aber auch auf unternehmensübergreifende Kooperationen mit kleinen und mittleren Firmen oder Forschungsinstitutionen. Die Ausgaben für Forschung und  Entwicklung lagen 2022 bei 2 Milliarden Euro. Zudem macht sich die Chemiebranche auf die Suche nach Start-ups, die mit unkonventionellen Technologien und Konzepten den Umbau von Produkten und Produktion vorantreiben sollen. Konzerne wie Air Liquide oder Solvay fördern die Entwicklung innovativer Anwendungen und Technologien durch eigene Investitionsfonds. France Chimie betreibt in Kooperation mit der BPI France den Start-up-Hub ChemTech.

    Regionale Cluster für mehr Synergien

    Die Chemieproduktion konzentriert sich in Clustern in verschiedenen Regionen Frankreichs. Ein Großteil der Chemieunternehmen des Landes hat sich in einer der 18 regionalen Chemieplattformen des Landes angesiedelt. Einer der bedeutendsten Chemiestandorte ist die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit starken Clustern der Industrie und der Forschung in Lyon (Vallée de la Chimie), Les-Roches-Roussillon und Grenoble (Grenoble Chemical Park). Hier haben Konzerne wie Arkema, BASF, Bayer und Solvay Produktions- und Forschungsstandorte errichtet.

    Der Großraum Le Havre ist das größte Zentrum der Düngemittelproduktion in Europa und der Petrochemie in Frankreich. Der Hafen ist ein wichtiger Hub für den Chemieimport und -export mit Produktionsniederlassungen von TotalEnergies, ExxonMobil, Arkema und BASF. Zudem betreibt TotalEnergies seit Oktober 2023 in LeHavre ein Flüssiggasterminal.

    Ein weiterer wichtiger Petrochemiestandort ist die Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur (PACA) mit dem Großraum Marseille. Firmen wie Ineos, LyondellBasell, Kem One, Total Petrochemicals oder Arkema sind dort mit großen Produktionsstätten vertreten. Weitere wichtige regionale Cluster befinden sich im Norden des Landes im Großraum Lille und in der Hauptstadtregion (mit Schwerpunkten in der Forschung und Spezialchemie).

    Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Cluster für Spezialchemie für die Kosmetik- und Parfümherstellung. Das wichtigste regionale Zentrum für diese gerade in Frankreich bedeutende Chemiesparte befindet sich im südfranzösischen Grasse.

    Wichtige Branchenunternehmen in Frankreich In Milliarden Euro

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2023

    ArkemaSpezialchemie

    9,5 *)

    Total Petrochemicals France

    Petrochemie

    4,6

    ExxonMobil Chemical FrancePetrochemie, organische Chemie

    2,4

    BASF FranceBasischemie, Spezialchemie

    2,0

    Parfums Christian DiorKosmetik

    2,1

    Yara FranceDüngemittel

    1,7

    Kem OneOrganische Chemie

    1,7

    Air Liquide France IndustriesIndustriegase

    1,6

    AdisseoErgänzungsstoffe für Tierfutter

    1,6

    Bayer SASAgrarchemie, Pharma, Spezialchemie

    1,4

    Rhodia Operations (Solvay)Basischemie, organische Chemie

    1,3

    * Angabe für 2024Quelle: Verif 2024

    Unternehmen verstärken Investitionen in grüne Chemie

    Zahlreiche Innovationscluster engagieren sich vor allem in der Entwicklung nachhaltiger Lösungen (grüne Chemie) und neuer Materialien (unter anderem für die in Frankreich starke Luft- und Raumfahrt- und Automobil-, aber auch für die Modeindustrie).

    Großunternehmen wie TotalEnergies oder Arkema investieren in die Ökologisierung ihrer Produktpalette. Aber auch kleinere Unternehmen und Start-ups entwickeln häufig außerhalb der führenden Chemiezentren des Landes Anwendungen der biobasierten Industrie. In der südwestlichen Region Nouvelle-Aquitaine hat sich seit 2010 im Rahmen des Clusters Aquitaine Chimie Durable ein aufstrebendes Zentrum grüner Chemie entwickelt. Im ehemaligen Raffineriezentrum Carling in der Region Moselle siedeln sich auch mit Unterstützung von TotalEnergies – Chemieunternehmen an, die sich auf die Entwicklung einer grünen Chemie fokussieren.

    Kosmetikbranche stützt die Chemiebranche

    Ein Drittel der französischen Gesamtchemieproduktion entfällt auf chemische Grundstoffe. Damit spielen Basischemikalien eine geringere Rolle als in Deutschland. Mehr Gewicht als in Deutschland kommt in Frankreich der Sparte Pflanzenschutz zu. Diese gerät allerdings aufgrund sich ändernder politischer und gesellschaftlicher Vorgaben sowie steigender Kosten unter Druck. Auch ausländische Firmen wie Bayer produzieren in diesem Bereich im Land.

    Frankreich ist zudem mit weltweit führenden Herstellern wie L'Oréal, Chanel, Dior Parfums und Guerlain ein wichtiger Standort für die Produktion und den Export von Kosmetik, Körperpflegemitteln und Duftstoffen. Daher hat diese Sparte in der Chemieindustrie ein deutlich höheres Gewicht als in Deutschland.

    Zu den Produktionsmengen der Industrie werden seit 2017 nur sehr lückenhafte Daten veröffentlicht. Viele Zahlen werden aufgrund der geringen Anzahl an Unternehmen als "vertraulich" eingestuft und nicht ausgewiesen. Damit erlauben die verfügbaren Daten nur einen eingeschränkten Blick auf die Branchenentwicklung.

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Frankreich In Millionen Euro; Veränderung und Marktanteil in Prozent

    Sparte (NACE-Code)

    2022

    Veränderung 2022/2021

    Marktanteil *)

    Chemische Grundstoffe (20.1)

    39.086

    7,0

    44,5

    Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz (20.2)

    5.064

    5,8

    5,8

    Farben und Lacke (20.3)

    3.692

    1,8

    4,2

    Seifen und Parfums (20.4)

    28.944

    30,4

    32,9

    Andere chemische Produkte (20.5)

    10.983

    18,6

    12,5

    Chemiefasern (20.6)

    136

    20,4

    0,2

    Marktanteil chemische Produkte (20.1 - 20.6) berechnet in Bezug auf NACE-Gruppe 20.Quelle: Statistikamt Insee 2024

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Rahmenbedingungen

    In Frankreich gelten die Regeln der Europäischen Union für die Zulassung von Chemikalien. Darüber hinaus kann es zusätzliche Einschränkungen für den Einsatz von Chemie geben.

    Die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe in der EU unterliegt den Bestimmungen der EU-Chemikalienverordnung REACH. Der deutsche REACH-CLP-Biozid-Helpdesk der Bundesbehörden gibt darüber detaillierte Auskunft.

    Frankreich erlässt zum Teil unilateral Einschränkungen für den Einsatz von Chemikalien. Bei der Gesetzgebung sind je nach Anwendungsbereich verschiedene Ministerien federführend (einzeln oder vielfach gemeinsam). Für das Verbot von Pestiziden, die Neonicotinoide enthalten, sind die Ministerien für Gesundheit (Ministère des Solidarités et de la Santé), Landwirtschaft (Ministère de l’Agriculture et de l‘Alimentation) und Umwelt (Ministère de la Transition écologique et solidaire) verantwortlich. Zwar hatten die betroffenen Ministerien für den Zuckerrübenanbau Ausnahmen vom Verbot des Einsatzes von Neonicotinoiden eingeräumt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Januar 2023 sind diese Pestizide nunmehr aber auch in Frankreich vollumfänglich und damit auch für den Einsatz bei Zuckerrüben verboten.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der EU sind die Regelungen des EU-Umsatzsteuerkontrollverfahrens zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministère de la Transition écologiqueUmweltministerium

    France Chimie

    Chemieverband

    Union des industries de la fertilisation (Unifa)

    Düngemittelverband
    Ufip Énergies et MobilitésVerband der Ölindustrie
    Fédération des industries des peintures, encres, couleurs, colles et adhésifs, préservation du bois (Fipec)Verband für Farben, Lacke, Klebstoffe und Holzschutzmittel
    Union des transformateurs de polymères (Polyvia)Verband für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe
    L’Usine NouvelleFührende Industriefachzeitschrift
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