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Markttrends
Der Chemiesektor hofft im Jahr 2024 auf leichte Erholung. Das Wettbewerbsumfeld bleibt schwierig. Die Branche fordert von der EU und der Regierung stärkere Unterstützung ein.
18.04.2024
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Nach 2022 schließt der Chemiesektor auch im Jahr 2023 schwach ab. Die Produktion ging laut Eurostat 2023 in Frankreich um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Die französische Chemieindustrie leidet unter einer international schwachen Nachfrage und hohen Produktionskosten. Insbesondere die im weltweiten Vergleich nach wie vor hohen Energiepreise schränken die Wettbewerbsfähigkeit der Branche ein. Internationale Überkapazitäten entleeren sich auf dem europäischen Markt und verschärfen die Wettbewerbslage.
Der Aufschwung lässt zu Beginn des Jahres 2024 auf sich warten. Der Branchenverband France Chimie erwartet ab frühestens dem 2. Quartal 2024 leichte konjunkturelle Verbesserungen, rechnet aber eher damit, dass die Lage noch länger kritisch bleiben wird. Branchenvertreter sehen erstes Licht am Ende des Tunnels. So gehen Unternehmen davon aus, dass ab Mitte 2024 Kunden ihre durch Lieferkettenprobleme aufgebauten Lagerbestände abgebaut haben und wieder verstärkt zukaufen müssen. Der Rückgang der Inflation und steigende Gehälter dürften die Nachfrage auf Verbraucherseite wieder anschieben und Wachstums- und Produktionsimpulse geben.
Dennoch bleibt die Stimmung in der Branche angespannt. Französische Unternehmen fordern weitergehende Unterstützung durch Regierung und EU. So haben sich unter anderem Sanofi, Air Liquide, Sequens und Total Energie der "Antwerpener Erklärung" europäischer Industrieunternehmen vom Februar 2024 angeschlossen und rufen nach einem "European Industrial Deal". Deregulierung, eine verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung und eine konsequentere und umfangreichere staatliche Förderung sauberer Technologien sind nur ein Teil der Forderungen, die auch französische Chemieunternehmen an die EU richten.
Rückgang der Exporte des französischen Chemiesektors im Jahr 2023.
Chemiebranche muss sich umorientieren
Der Marktanalyst Xerfi sieht die Chemiebranche vor einer tiefgreifenden Transformation. Nicht nur wird sich der Chemiesektor auf massive Nachfrageveränderungen einstellen müssen, die die Energiewende und die Elektrifizierung der Wirtschaft mit sich bringen. Xerfi erwartet, dass sich die Branche auf Geschäftsfelder wie die Produktion von dekarbonisiertem Wasserstoff, biobasierter Kunststoffe oder das chemische Recycling von Wertstoffen, Metallen und seltenen Erden umorientieren wird. Zudem sind Chemieunternehmen branchenübergreifend gezwungen, verstärkt in Energieeffizienz und Dekarbonisierung zu investieren. Eine bessere Kohlenstoffbilanz dürfte in Zukunft angesichts des neuen EU- CO2-Grenzausgleichssystems und steigender Emissionspreise ein Element sein, die Wettbewerbsposition zu verbessern.
Gerade die energieintensive Basischemie sowie die mineralische und organische Chemie kämpfen mit einer schwierigen Wettbewerbslage. Auch die Pflanzenschutz- und Düngemittelindustrie durchlaufen eine Umbruchphase. Die auf europäischer Ebene vorangetriebene Tendenz hin zu einer Landwirtschaft mit weniger Düngemitteln und Pestiziden wird das Marktumfeld für Produzenten herkömmlicher Produkte verschlechtern.
Exporte gehen zurück
Die Exporte von chemischen Produkten sind 2023 gegenüber 2022 um 5,7 Prozent zurückgegangen und erreichten nur noch 53,3 Milliarden Euro. Deutlich besser entwickelte sich die in Frankreich starke Sparte der Parfum-, Seifen-, Wasch- und Körperpflegemittelchemie, die 2023 trotz aller Widerstände Ausfuhrsteigerungen in Höhe von 8,5 Prozent erwirtschaften konnte. Mit Ausfuhren in Höhe von knapp 24 Milliarden Euro entfielen knapp 31 Prozent der chemischen Gesamtausfuhren auf den expandierenden Seifensektor.
Branche beklagt unfaire außereuropäische Konkurrenz
Die Stimmung unter den Branchenunternehmen bleibt zu Beginn des Jahres 2024 schlecht, verbessert sich aber langsam. Das Geschäftsklima in der Chemieindustrie verharrt laut Statistikamt INSEE seit Juli 2022 im negativen Bereich. Die schwache nationale und internationale Nachfrage bereitet den Unternehmen Sorge. Laut Banque de France liegt die Kapazitätsauslastung im Januar 2024 bei knapp 68 Prozent und damit noch unter Coronaniveau. Auch die Auftragseingänge bleiben seit Januar 2023 gleichbleibend schwach und liegen im Januar 2024 bei 22 Punkten unter dem Mittelwert.
Zwar sinken die Produktionskosten wieder und liegen im Dezember 2023 laut dem Produktionskostenindex des Statistikamts Insee bei 126 Punkten. Allerdings ist das Kostenniveau immer noch wesentlich höher als vor der Pandemie.
Die Branche fürchtet, an Konkurrenzfähigkeit gegenüber asiatischen und nordamerikanischen Wettbewerbern zu verlieren. Die Regierung unterstützt energieintensive Großkonsumenten und führt die Teilfinanzierung von Energiekosten auch im Jahr 2024 fort. Die Branche fordert zunehmend vehement weitergehende nationale und europäische Hilfestellung und verweist auf staatliche Hilfen in den USA und der Volksrepublik China. Angesichts der starken ausländischen Konkurrenz und Kostennachteilen beginnen Unternehmen ihr Vertrauen in den französischen Markt zu verlieren und denken über Abwanderung an günstigere Produktionsstandorte nach.
Staat fördert Innovation und Dekarbonisisierung
Um die vielschichtigen aktuellen Probleme angehen zu können, setzt ein Teil der Chemieunternehmen auf Investitionen in neue Geschäftsfelder, Energieeffizienz und Dekarbonisierung, vielfach gefördert durch staatliche Unterstützung. Außerhalb staatlicher Investitionen aber zögern Branchenunternehmen angesichts der schwierigen Gesamtlage und hohen Finanzierungskosten Investitionen voranzutreiben.
Die Regierung hilft Branchenunternehmen bei der Dekarbonisierung und stärkt Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Wichtigstes Förderinstrument ist das Programm France 2030 mit einem Gesamtumfang von 54 Milliarden Euro. Auch die Start-up-Förderung sowie die Unterstützung innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen steht auf der Prioritätenliste der Regierung weit oben.
Akteur/Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Eastman /Anlage für Kunststoffrecycling in Saint-Jean-de-Folleville (Normandie) | 850 | Abstimmungsverfahren läuft | Inbetriebnahme Ende 2025 geplant |
Elyse Energy / Anlage zur Produktion von E-Methanol in Roches-Roussillion (Isère) | 700 | Baubeginn geplant 2025, Inbetriebnahme 2028 | |
TotalEnergies / Umrüstung Raffinerie in Grandpuits für Produktion von Biotreibstoffen | 500 | Projekt im September 2020 vorgestellt | Inbetriebnahme 2024 geplant |
Loop Industries (Kanada), SK Geo Centric (Korea), Suez (Frankreich) / Chemische Recyclinganlage für PET in Carling-Saint-Avold (Moselle): Kapazität 70.000 Tonnen pro Jahr | 450 | Projektankündigung Januar 2023 | Baubeginn 2025, Inbetriebnahme 2027 geplant |
Arkema, Umstellung auf klimafreundliche Produktion, Absenkung Klimagasausstoß um 46 Prozent gegenüber 2019 | 400 | Projekt im Juli 2022 vorgestellt | Fortlaufend bis 2030 |
Chemours / Produktion von Ionomeren und Membranen für die Wasserstoffproduktion in Viller-Saint-Paul (Oise) | 186 | Projektankündigung Januar 2023 | Inbetriebnahme 2025 geplant |
Kem One / Umrüstung Elektrolyse in Fos-sur-Mer von Diaphragma- zu Membranverfahren | 100 | Baubeginn Anfang 2023 | Inbetriebnahmen 2024; Durchführung durch CAC (Chemnitz) |
Domo Chemicals / Installation einer grünen Wasserstoffproduktion in Saint-Fons (Rhône) | 100 | Fertigstellung 2027 | Durchführung durch Hynamics (Tochter EDF) |
Stand: März 2024