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Special | Frankreich | Energiesicherheit und -preise

Frankreich setzt auf Atomstrom und erneuerbare Energien

Eine verlässliche und günstige Energieversorgung des Landes steht für die Regierung im Vordergrund. Atomkraft und erneuerbare Energien sollen den Strombedarf der Zukunft decken.  

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Frankreichs Bedarf an Energie, insbesondere an Elektrizität, wird in den kommenden Jahren stark ansteigen. Angesichts der anstehenden Elektrifizierung von Industrie, Transport und Gesellschaft prognostiziert der Netzbetreiber RTE für 2035 einen gegenüber 2022 um 25 bis 40 Prozent höheren Strombedarf.

Überblickstabelle zu wichtigen Energiemarktindikatoren (2021)
 

Frankreich

Deutschland

Bevölkerung (in Mio.)

67,8

83,2

Energieproduktion (PJ)

5.019,1 (2020)

4.047,8 (2020)

Stromverbrauch (TWh)

474,0

543,2

Nettoenergieimporte (PJ)

4471,9

7898,0

Pro-Kopf-Verbrauch (GJ/Kopf)

145,7 1)

153,2 1)

CO2 Emissionen (Mio. t)

274,4

624,1

Strompreis Industrie (Euro/ MWh)

105,7 2)

168,0 2)

Strompreis Endverbraucher (Euro/ MWh)

193,1 2)

326,7 2)

PJ = Petajoule, GJ = Gigajoule.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; IEA World Statistics 2023; 1 Energy Institute 2023; 2 Eurostat

 

Die Frage, wie dieser Bedarf in Zukunft gedeckt werden soll, hat für die Regierung höchste Priorität. Ziel ist es, die Unabhängigkeit des Landes im Energiesektor zu wirtschafts- und sozialkompatiblen Preisen zu sichern. Dafür setzt Frankreich vor allem auf Kernenergie. Dies gilt umso mehr trotz und wegen des Energieschocks des Jahres 2022.

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So waren im Jahr 2022 weite Teile der Produktionskapazitäten des französischen Atomparks aufgrund von Wartungs- und Reparaturarbeiten weggebrochen. Die Nuklearstromproduktion 2022 fiel auf das Niveau von 1988. Zum Winter 2022/2023 drohten Stromabschaltungen. 

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Frankreich war auf Stromimporte angewiesen und wurde zum ersten Mal seit 1980 vom Nettostromexporteur zum Nettostromimporteur. Die Energieimportkosten kletterten auf 116 Milliarden Euro und ließen das französische Handelsbilanzdefizit auf ein Rekordtief abstürzen.  

Unternehmensstrompreise im europäischen Vergleich noch günstig

Im Zuge der Energiekrise zogen auch in Frankreich die Energiekosten stark an. Die Strompreise für Verbraucher stiegen im Jahr 2022 um 7 Prozent, die der Unternehmen um durchschnittlich 23,4 Prozent.

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Die Preise für Gas kletterten für Haushalte um 25 Prozent auf 96 Euro pro Megawattstunde. Unternehmen mussten vor Steuern im Durchschnitt eine Steigerung von 67 Prozent auf knapp 70 Euro pro Megawattstunde hinnehmen.

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen deckeln die Energiepreise

Die Regierung unterstützt Unternehmen und Verbraucher mit weitreichenden Fördermaßnahmen. Verbraucher und Kleinstunternehmen profitieren seit 2022 von einer Strom- und Gaspreisbremse, die allerdings seit August 2023 langsam gelockert wird. Kleine und mittlere Unternehmen verfügen über Abschreibungsmöglichkeiten, die circa 20 Prozent der Stromkosten abdecken. Für die Gesamtheit der Unternehmen hat die Regierung die Steuer auf den Endverbrauch von Elektrizität von 13,6 Prozent auf 2,5 Prozent abgesenkt. Für energieintensive Industrien hat die Regierung zudem einen eigenen Unterstützungsfonds eingeführt. 

Zwar liegen damit auch dank der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen die Gas- und Strompreise sowohl für Frankreichs Unternehmen als auch für Verbraucher im europaweiten Vergleich niedrig. Allerdings erwartet der staatliche Netzbetreiber RTE einen weiteren Preisanstieg bei Elektrizität für Unternehmen und Verbraucher. Die Regierung setzt darauf, mit günstigem Atomstrom internationalen Preissteigerungen entgegenzusteuern.

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Frankreich muss erneuerbare Energien ausbauen

Der Netzbetreiber RTE prognostiziert angesichts der anstehenden Elektrifizierung von Industrie, Transport und Gesellschaft für 2035 einen Strombedarf von 580 bis 640 Terawattstunden. Atomkraft soll einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, wird angesichts des alternden Atomparks jedoch nur bis zu höchstens 400 Terawattstunden liefern können. RTE fordert daher gesteigerte Anstrengungen bei Energieeinsparung und Energieeffizienz. 

Hebel zur Deckung des Strombedarfs im Jahr 2035 - Einsparungen
EinsparungenEinsparpotenzial (Gesamt)
Energieeffizienz: Optimierung des Energieverbrauchs von Prozessen, Anlagen und Gebäuden
 
-75 TWh (Minimum) bis -100 TWh (angestrebt)
 
Energiesparmaßnahmen (Sobriété energétique): Absenkung des Verbrauchs

 
- 25 TWh (Minimum) bis  - 60 TWh (angestrebt)
 
Quelle: RTE, Bilan prévisionnel September 2023

Zudem müssen weitere Atomkapazitäten aufgebaut und erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden. Bis 2035 empfiehlt RTE, die Leistung vor allem von Wind- und Solarkraft auf mindestens 270 Terawattstunden, besser noch 320 Terawattstunden zu erweitern.

Hebel zur Deckung des Strombedarfs im Jahr 2035 - Produktion
ProduktionssteigerungenProduktionspotenzial (Gesamt)
Nuklearenergie: Verlängerung von Laufzeiten und Maximierung der Produktion
 
360 TWh (Minimum) bis 400 TWh (angestrebt)
Erneuerbare Energien: Beschleunigung des Ausbaus270 TWh (Minimum) bis 320 TWh (angestrebt)
Quelle: RTE, Bilan prévisionnel September 2023

Die französische Regierung setzt bislang vorrangig auf den Ausbau der Atomparks. Der erste EPR2-Reaktor des Landes in Flamanville soll nach langwierigen Bauverzögerungen nunmehr Mitte 2024 ans Netz gehen. Auch hat Präsident Macron sechs weitere neue EPR2-Kernreaktoren angekündigt. Die Gesamtinvestition wird auf 52 Milliarden Euro geschätzt. Die Inbetriebnahme der neuen Kraftwerke aber wird frühestens für 2035 erwartet. 

Wind- und Solaranlagen stoßen auf Widerstand

Zudem will das Land erneuerbare Energien weiter ausbauen. Bislang liegt Frankreich sowohl hinter eigenen Planungen als auch hinter europäischen Vorgaben zum Ausbau insbesondere von Wind- und Solarenergie zurück. Ein Gesetz über erneuerbare Energien aus dem Jahr 2023 soll die Zulassung von Wind- und Solarstromprojekten erleichtern. Ob dieses Gesetz aber tatsächlich die Umsetzung einschlägiger Großprojekte vereinfachen wird, bleibt abzuwarten. Denn gerade in den betroffenen Regionen sind die Widerstände gegen Wind- und Solarparks in der Bevölkerung oft groß. 

Frankreich setzt auf die Eigenproduktion von Wasserstoff

Der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur ist wichtiger Baustein der Regierung bei der Elektrifizierung, insbesondere des Transports und der Schwerindustrie. Bei der Gewinnung von Wasserstoff orientiert sich die französische Regierung - anders als Deutschland - in Richtung Eigenproduktion unter Einsatz von Nuklearstrom. 

Auch fördert das Land den Aufbau einer Wasserstoffproduktion auf Unternehmensebene. Anfang September 2023 hat die Regierung 4 Milliarden Euro im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie freigegeben, um die Produktion von Wasserstoff voranzutreiben. Damit hofft die Regierung auf eine Ausweitung der Produktionskapazitäten auf 1.000 Megawatt bis 2026.

Beobachter sehen zudem im Aufbau einer Infrastruktur von Wasserstoffleitungen Chancen für Frankreich. So könne das Land dank seiner zentralen Lage als europäische Drehscheibe für die Lieferung von Wasserstoff dienen. Die Regierung aber verhält sich abwartend.

Chancen bei Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien auch für deutsche Mittelständler

Unternehmen investieren in Maßnahmen der Energieeffizienz bei Produktionsprozessen. Auch die energieeffiziente Renovierung von Gebäuden steht im Fokus der Regierung und wird durch eine Vielzahl von Fördermaßnahmen unterstützt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien bietet auch für kleinere deutsche Unternehmen gute Beteiligungsmöglichkeiten.  

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