Wirtschaftsausblick | Georgien
Georgien: Robuste Konjunktur setzt sich 2025 fort
Die georgische Wirtschaft legt 2025 voraussichtlich um 5,5 Prozent zu. Haupttreiber bleiben Dienstleistungen, Investitionen und das Baugewerbe. Deutsche Produkte sind gefragt.
05.06.2025
Von Uwe Strohbach | Tiflis
Top-Thema: Georgien wird zum Logistikhub zwischen Europa und China
Alternative Routen zwischen China/Zentralasien und Europa unter Umgehung Russland lassen den Warenumschlag über den Mittleren Korridor via Georgien anwachsen. Dies ermöglicht es dem Kaukasusland, sich als Teil des neuen Transport-Hubs zu etablieren. Ambitionierte Projekte sind geplant:
- ein Tiefseehafen an der Schwarzmeerküste in Anaklia mit ausländischen Partnern (Kosten für die erste Ausbauphase: 600 Millionen US-Dollar/US$, aktive Bauphase: 2025 bis 2027),
- ein Tiefseeterminal und neue Kapazitäten für den Frachtumschlag und die Warenlagerung im Seehafen Poti (APM Terminals Poti, Dänemark; Fertigstellung 2027),
- Ausbau des Containerterminals im Seehafen Poti (PTC Holding, Kasachstan) und
- Verdreifachung der jährlichen Umschlagkapazität des neuen multimodalen Güterverkehrszentrums (Trockenhafen/Containerterminal) Tbilisi Dry Port in Tiflis auf 286.000 TEU (TDP/Abu Dhabi Ports, Georgien/VAE).
Der jährliche Beitrag des Transport- und Logistiksektors zur Wirtschaftsleistung könnte sich in wenigen Jahren auf über 4 Milliarden US$ verdoppeln.
Wirtschaftsentwicklung: Neues geopolitisches Umfeld bringt positive Effekte
Für das Jahr 2025 erwarten die Regierung und die georgische Investitionsgesellschaft Galt & Taggart ein reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes zwischen 5,7 und 6,8 Prozent. Weltbank und IWF prognostizieren ein Plus von 5,5 bis 6 Prozent. Für 2026 sehen die Regierung und internationale Beobachter einen Zuwachs von etwa 5 Prozent voraus. Die Aussichten können sich unter Beachtung des hohen jährlichen Wachstums von im Schnitt 9,4 Prozent im Zeitraum 2022 bis 2024 sehen lassen.
Der anhaltende Konjunkturaufschwung fußt auf mehreren Säulen. So steuert der Incoming-Tourismus 2025 mit erwarteten Deviseneinnahmen in Höhe von etwa 4,5 Milliarden US$ auf einen neuen Höchststand zu. Dienstleistungssektoren wie Handel, Bildung, Transport und Lagerei, Bankwesen und IKT fördern das Wirtschaftswachstum maßgeblich. Zusätzlich beleben dynamische Bruttoanlageinvestitionen und Bauprojekte die Konjunktur.
Die Prognosen sind allerdings unsicher. Innenpolitische Probleme und ein Rückbau proeuropäischer und demokratischer Reformen durch die Regierungspartei Georgischer Traum haben dazu geführt, dass die EU Georgiens Beitrittsprozess zur Gemeinschaft vorerst gestoppt hat.
Es besteht die Gefahr, dass Georgien als Wirtschaftspartner für westliche Firmen an Attraktivität verliert. Erste Anzeichen gibt es schon: weniger ausländische Investitionen und Touristen aus Westeuropa. Bisher kann das Land die Einbrüche durch Kapitalzuflüsse und Besucher aus anderen Ländern zu einem großen Teil abfangen.
Staat und Unternehmen investieren weiterhin kräftig
Die Bruttoanlageinvestitionen dürften 2025 und 2026 auf jeweils etwa 8 Milliarden US$ anziehen, nach 7,4 Milliarden US$ 2024. Der Staat investiert vorrangig in den Straßenbau, die Wasser- und Abwasserwirtschaft, die soziale Infrastruktur, vor allem in Schulbauten, sowie in den Agrarsektor. Mehr Geld fließt in die Förderung des privaten Unternehmertums. Geberbanken unterstützen Projekte in prioritären Infrastrukturbereichen.
Der Fokus privater Investitionen liegt auf touristischen Projekten, schwerpunktmäßig auf Hotels, Freizeitobjekten, dem Wohnungsbau und erneuerbaren Energien. Mit einem erwarteten Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen von jeweils mindestens 1,5 Milliarden US$ in den Jahren 2025 und 2026 bleibt das Engagement ausländischer Investoren beachtlich.
Privatverbrauch wächst, bleibt aber niedrig
Der private Verbrauch entwickelt sich positiv. Deutliche Reallohnzuwächse, rege Verbraucherdarlehen, weiterhin hohe private Geldüberweisungen aus dem Ausland und nicht zuletzt der starke Incoming-Tourismus kurbeln den Konsum an. Vorrangig in Tiflis engagieren sich private Investoren beim Aus- und Neubau von Handelseinrichtungen.
Gleichwohl bleibt die Lage auf dem Verbrauchermarkt angespannt. Armut und Arbeitslosigkeit waren 2024 mit Raten von rund 12 Prozent und 14 Prozent noch immer hoch. Trotz jüngster realer Zuwächse bleiben die Löhne weitgehend stabil, ohne deutliche Sprünge. Der geschätzte durchschnittliche Medianlohn lag 2024 bei etwa 460 US$ pro Monat.
Außenhandel wächst stetig
Laut Weltbank werden die Waren- und Dienstleistungsimporte 2025 und 2026 voraussichtlich real um etwa 5 Prozent steigen, während die Exporte um 6 bis 7 Prozent zulegen dürften. Der Außenhandel wächst seit 2021 kontinuierlich, angetrieben durch höhere Kfz-Reexporte, gestiegene Preise für Exportgüter wie Kupfererze, -konzentrate und Düngemittel sowie wert- und mengenmäßige Zuwächse bei Verbrauchsgütern.
Reexporte, vorrangig Kfz und Arzneimittel, machten 2024 hohe 46 Prozent der Gesamtexporte aus. Sie gingen vorrangig an Abnehmer in Aserbaidschan, Armenien, Kasachstan und Kirgistan. Hauptausfuhrländer lokaler Produkte waren Russland und die Türkei.
Die Importe übersteigen die Exporte um ein Mehrfaches. Georgien ist insbesondere bei strategischen Ressourcen, wie Energieträgern, Lebensmitteln und Technologien, stark auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen. Wichtige Partnerländer sind die Türkei, die USA, Russland, China und Deutschland.
Deutsche Perspektive: Der kleine liberale Markt bietet zahlreiche Chancen
Georgien nimmt innerhalb der Östlichen Partnerschaft eine Vorreiterrolle ein, sowohl bei der Handelsliberalisierung mit der EU als auch bei der Integration des EU-Regelwerks in nationales Recht. Kooperationschancen bestehen beim Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Ökostromerzeugung, Wasser- und Abwasserwirtschaft sowie Transport und Logistik. Potenzial bieten zudem die Erweiterung touristischer Einrichtungen, Vorhaben in der Ernährungswirtschaft und das Business Process Outsourcing, bei dem Geschäftsprozesse nach Georgien verlagert werden.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Länderseite Georgien.