Branchen | Indien | Nahrungsmittel
Branchenstruktur
Große Unternehmensgruppen dominieren die Branche, wenngleich viele kleinere Unternehmen im Markt tätig sind. Der Wettbewerb ist hart. Exporte und Investitionen nehmen zu.
19.07.2023
Von Florian Wenke | Mumbai
Die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie ist sehr wichtig für die indische Wirtschaft. Der Subkontinent zählt zu den größten Lebensmittelproduzenten weltweit und liegt bei der Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Getreide (besonders Reis und Weizen), Obst und Gemüse sowie bei Milchprodukten mit an der Spitze. Auch Fleisch wird in größerem Umfang produziert. Die Nachfrage nach alkoholischen Getränken wächst ebenfalls und die Produktion vor Ort nimmt zu. Trotz der enormen wirtschaftlichen Bedeutung hinkt die Branche bei Effizienz und Verarbeitungstiefe im internationalen Vergleich noch oft hinterher. Volkswirte schätzten vor der Pandemie, dass weniger als 10 Prozent der hergestellten Lebensmittel auch verarbeitet werden. Obst und Gemüse zum Beispiele nur zu 2 Prozent, Milch hingegen zu 35 Prozent. Mittlerweile dürften die Werte aber gestiegen sein.
Produkt | 2022/2023 | 2023/2024* | Veränderung |
---|---|---|---|
Zuckerrohr | 490,5 | 446,4 | -9,0 |
Getreide | 303,6 | 285,9 | -5,8 |
Gemüse | 212,5 | 209,4 | -1,5 |
Obst | 110,2 | 112,1 | 1,7 |
Ölsaaten | 41,4 | 36,6 | -11,5 |
Hülsenfrüchte | 26,1 | 23,4 | -10,0 |
Gewürze | 11,8 | 11,8 | -0,2 |
Nahrungsmittelbranche ist ein wichtiger Arbeitgeber
Laut letztverfügbaren Daten des National Statistical Office gab es 2020 in Indien fast 40.400 registrierte Fabriken für die Nahrungsmittelverarbeitung. Die meisten davon liegen in den Bundesstaaten Andhra Pradesh, Tamil Nadu, Telangana und Maharashtra. Rund die Hälfte der Unternehmen befassten sich mit dem Mahlen von Getreide. Hier zählt der Bundesstaat Punjab ebenfalls zu den wichtigen Unternehmensstandorten. Mit deutlichem Abstand folgen die Herstellung von Ölen und Fetten sowie die Produktion von Getränken beziehungsweise Milch und Milchprodukten. Insgesamt beschäftigt die Branche fast 2 Millionen Personen und ist damit einer der wichtigsten Arbeitgeber.
Bereich | Anzahl Unternehmen | Beschäftigte |
---|---|---|
Herstellung von gemahlenen Getreideprodukten und Stärke | 20.102 | 358.770 |
Herstellung von pflanzlichen sowie tierischen Fetten und Ölen | 2.914 | 113.386 |
Herstellung von Getränken | 2.311 | 187.494 |
Herstellung von Milchprodukten | 2.159 | 214.845 |
Verarbeitung von Obst und Gemüse | 1.298 | 77.810 |
Verarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten | 654 | 101.211 |
Verarbeitung von Fleisch | 153 | 25.635 |
Sonstige | 10.802 | 876.546 |
Insgesamt | 40.393 | 1.955.697 |
Große Unternehmen dominieren
Viele der Firmen sind Klein- und Kleinstunternehmen. Auch der quantitativ nur schwer erfassbare informelle Sektor spielt bei der Verarbeitung von Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Dominiert wird die Nahrungsmittelindustrie aber von großen indischen Unternehmen (darunter ITC, Parle Agro, MTR Foods, Britannia Industries, Amul, Haldiram) und multinationalen Herstellern wie Nestlé, PepsiCo, Mondelez, Coca-Cola und Unilever.
Seit Ende 2022 mischt nun auch das größte Industriekonglomerat Indiens, Reliance, im Lebensmittelbereich mit. Mit der Eigenmarke Independence und einer aggressiven Preisstrategie versucht das Unternehmen derzeit, Marktanteile im Bereich der Markenlebensmittel zu erobern. Im Angebot befinden sich lokal gängige Grundnahrungsmittel wie beispielsweise Speiseöle, Salz, Zucker oder auch Hülsenfrüchte. Zudem brachte Reliance Anfang 2023 die Campa Cola zurück. Die Marke ist indischen Konsumenten aus den 1970er und 1980er Jahren als Softdrink bekannt. Mit sehr niedrigen Preisen versucht Reliance derzeit den Softdrinkmarkt aufzumischen. Ein harter Kampf um Marktanteile über die Preise ist in Indien durchaus üblich.
Fisch steht im Fokus
Sehr positiv entwickelt sich die Branche rund um Fisch und Meeresfrüchte. Laut offiziellen Angaben ist Indien mittlerweile mengenmäßig der drittgrößte Fischproduzent weltweit und liegt bei der Herstellung von Meeresfrüchten aus Aquakulturen auf Rang zwei. Der aktuelle Staatshaushalt trägt dem Rechnung. Die Regierung hat die Mittel der zuständigen Behörde um rund 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf knapp 272 Millionen US-Dollar (US$) erhöht. Zusätzlich wird ein neues Unterstützungsprogramm im Rahmen bereits bestehender Förderung aufgelegt. Dadurch sollen Investitionen von mehr als 725 Millionen US$ in den Sektor fließen. Details dazu werden derzeit erarbeitet.
Zu den Zentren der Fischverarbeitung zählen die Bundesstaaten Gujarat, Tamil Nadu und Andhra Pradesh. Letzterer ist im Bereich der Aquakulturen mit klarem Abstand Spitzenreiter in Indien. Weil Fisch und Meeresfrüchte auch für den Export immer wichtiger werden, dürften die Kapazitäten weiter ausgebaut werden.
Lebensmittelexporte wachsen zweistellig
Die Exporte von Nahrungsmitteln sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das Ministry of Commerce and Industry meldet für das Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) Ausfuhren von Nahrungsmitteln und Getränken in Höhe von 51,7 Milliarden US$. Das ist ein Plus in Höhe von 10,5 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die wichtigsten Zielländer der indischen Exporte waren die USA, China, Bangladesch, die Vereinigten Arabischen Emirate und Vietnam. Importe spielen nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich im Bereich der Pflanzenöle ist Indien stark auf Einfuhren angewiesen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Palmöl.
Exportwert | |
---|---|
Reis (inklusive Basmati) | 9,3 |
Fisch und Meeresfrüchte | 6,8 |
Gewürze | 3,7 |
Büffelfleisch | 3,4 |
Zucker | 2,5 |
Ölkuchen | 1,6 |
Kaffee | 1,1 |
Das seit Mitte Mai 2022 geltende Exportverbot für Weizen hat weiter Bestand und wird wohl auf absehbare Zeit nicht aufgehoben werden. Bei den Importen gab es zuletzt starke Diskussion um mögliche Einfuhren von Milchprodukten. Mitte 2022 kam es zu einem größeren Ausbruch der Lumpy-Skin-Krankheit bei Kühen im Nordwesten des Landes. Damit einhergehend stieg die Milchproduktion nicht so sehr wie die Nachfrage. Während ausreichend Milch vorhanden ist, sind die Lagerbestände von Milchprodukten wie beispielsweise Fetten und Butter niedriger als in den Vorjahren. Das löste Spekulation aus, ob die Regierung den Import dieser Produkte nun in größerem Umfang ermöglicht. Zuletzt war dies 2011 geschehen. Eine Entscheidung darüber steht allerdings noch aus.
Ausländische Direktinvestitionen steigen deutlich
Dem Ministry of Food Processing Industries zufolge beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung im Finanzjahr 2021/2022 auf rund 710 Millionen US$ - 80 Prozent mehr als im Zeitraum davor. Von April 2000 bis Dezember 2022 flossen in der Summe etwas weniger als 12 Milliarden US$ in den Sektor, so das Department for Promotion of Industry and Internal Trade. Eine aktuelle Investition wurde Ende Februar 2023 vom schweizerischen Verpackungsriesen SIG angekündigt. Bis 2025 soll für rund 65 Millionen US$ eine Fabrik für aseptische Kartonverpackungen in Ahmedabad entstehen.
Stand: Mai 2023