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Recht kompakt | Indien | Rechtsverfolgung

Rechtsverfolgung in Indien

Indien verfügt über eine unabhängige, aber chronisch überlastete Justiz mit regelmäßig überlanger Verfahrensdauer. Private Schiedsgerichte haben auf lokaler Ebene lange Tradition.

Von Julia Merle, Robert Herzner, Frauke Schmitz-Bauerdick

Gerichtsaufbau

Der Gerichtsaufbau in Indien ist dreistufig, unterteilt in Supreme Court, High Courts und District Courts. Oberstes Gericht ist der Supreme Court. Seine Entscheidungen sind Präzedenzfälle und bindend. Er ist ebenfalls insbesondere oberste Rechtsmittelinstanz. Die High Courts sind auf der Bundesstaaten- und Unionsterritorienebene angesiedelt. Ihre Urteile binden die unteren Gerichte im jeweiligen Staat und gelten in den anderen Bundesstaaten als Interpretationshilfen. Die Untergerichte (Subordinate Courts) setzen sich zusammen aus District Courts beziehungsweise in verschiedenen Städten City Civil Courts und Small Causes Courts, sowie den Spezialgerichten Familiengericht, Arbeitsgericht, Finanzgericht etc.

Im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit wurden zudem 2009 in acht Städten (unter anderem Delhi, Kalkutta und Chennai) sogenannte Dispute Resolution Panels errichtet, die Steuerstreitigkeiten hinsichtlich Verrechnungspreisen bereits im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens bereinigen sollen. Für handelsrechtliche Verfahren gibt es spezielle Handelsgerichte. Im Jahr 2016 wurde das National Company Law Tribunal (NCLT) errichtet mit Zuständigkeit für Insolvenzverfahren und alle Streitigkeiten im Gesellschaftsrecht. Als Rechtsmittelinstanz wurde das National Company Law Appellate Tribunal geschaffen.

Auf Grundlage des "Tribunals Reforms Act, 2021" (Englisch) wurden verschiedene spezielle Spruchkörper aufgelöst und ihre Aufgaben anderen zugewiesen, darunter das Intellectual Property Appellate Board (GTAI-Rechtsmeldung).

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen

Die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile ist grundsätzlich möglich. Sie erfolgt im Wege der sogenannten "action upon the foreign judgement", einer neuen Klage, in der das ausländische Ersturteil als Beweis dient, der nur unter den Voraussetzungen von Sec. 13 Code of Civil Procedure, 1908 (CPC) entkräftet werden kann. Problematisch ist, dass das deutsche Urteil den Vollstreckungsgegner nicht daran hindert, seinerseits in der gleichen Sache in Indien einen Prozess anzustrengen. Von der vertraglichen Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands sollte daher abgesehen werden.

Die Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile aus Ländern mit Verbürgung der Gegenseitigkeit (Reziprozität) hingegen ist in Sec. 44A CPC geregelt.

Anwaltszwang

In Indien besteht grundsätzlich kein Anwaltszwang. Die Höhe des Honorars richtet sich regelmäßig nicht nach dem Streitwert, sondern nach Honorar- beziehungsweise Stundensatzvereinbarungen. Die Organisation der indischen Rechtsanwälte ist die All India Bar beziehungsweise die entsprechenden State Bar Councils.

Hinweis: GTAI stellt unter Anwälte im Ausland die von den deutschen Auslandsvertretungen erstellten Anwaltslisten zum Download bereit.

Schiedsgerichtsbarkeit

Indien ist Mitglied des New Yorker Übereinkommens von 1958. Ausländische Schiedssprüche, die in einem Mitgliedstaat des Abkommens erlassen werden, können auf Antrag für vollstreckbar erklärt werden. Vollstreckungsvoraussetzung ist neben der Anerkennung des Schiedsspruches die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach den Regeln des Code of Civil Procedure, 1908, wobei die Anerkennung und Erteilung der Vollstreckungsklausel durchaus in ein und demselben Verfahren durch denselben Richter erfolgen kann.

Das indische Schiedsrecht richtet sich im Wesentlichen nach dem auf dem UNCITRAL-Modellgesetz basierenden Arbitration and Conciliation Act, 1996 sowie der Schiedsrechtsreform 2015. Inländische Schiedsverfahren unterliegen einem strikten Zeitrahmen und sollen gemäß Sec. 29A Arbitration and Conciliation Act, 1996 innerhalb von höchstens zwölf Monaten abgeschlossen werden, wobei eine Verlängerung dieser Frist um bis zu sechs Monate möglich ist. Eine sogenannte "Fast Track Arbitration" von sechs Monaten ist nach Sec. 29B Arbitration and Conciliation Act, 1996 ebenfalls möglich. Zudem war Reformziel, die Anerkennung ausländischer Schiedsentscheidungen zu vereinfachen. Zu diesem Zweck wurde gesetzlich verankert (Sec. 34, 48, 57), dass die Frage, ob ein Ordre Public-Verstoß vorliegt, keine Überprüfung des Schiedsurteils in inhaltlicher Hinsicht beinhalten darf. Einstweiliger Rechtsschutz (interim measures) durch staatliche Gerichte ist bei internationaler Schiedsgerichtsbarkeit zulässig, aber nur, wenn das Schiedsgericht sich nicht selbst helfen kann (Sec. 2 Abs. 2).

Im Arbitration and Conciliation (Amendment) Act, 2019 ist insbesondere die Einrichtung eines unabhängigen Arbitration Council of India (ACI) mit Hauptsitz in New Delhi zur Förderung alternativer Streitbeilegungsmechanismen wie Mediation und der Erstellung von Richtlinien hinsichtlich Standards im Zusammenhang mit der Schiedsverfahren vorgesehen (neuer Part IA). Der Zeitpunkt, ab dem die Frist von zwölf Monaten für inländische Schiedsverfahren beginnt, wurde auf die Fertigstellung der Schriftsätze nach hinten verlagert (Sec. 29A).

Das Gesetz wurde zuletzt mit dem Arbitration and Conciliation (Amendment) Act, 2021 überarbeitet.

Im Juli 2019 wurde der New Delhi International Arbitration Centre Act, 2019 zur Schaffung dieser Institution (NDIAC) zur Förderung der inländischen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und Etablierung des Standorts New Delhi verabschiedet. Dies bedeutet gleichfalls eine Abkehr von dem 1995 errichteten International Centre for Alternative Dispute Resolution (ICADR). Außerdem besteht beispielsweise das Mumbai Centre for International Arbitration (MCIA).

Unterhalb der Distriktebene gibt es in Indien oft private Schiedsgerichte (sogenannte lok adalats).

Das indische Justizministerium hat im November 2021 einen Entwurf einer Gesetzesvorlage zur Mediation veröffentlicht. Die "Mediation Bill, 2021" (Englisch) befindet sich seit 20. Dezember 2021 im Gesetzgebungsverfahren.

Indien trat mit Wirkung zum 1. August 2007 dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen bei.

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