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Special Indien Stromübertragung, -verteilung, Netze

Indien baut Interkonnektoren nach Nepal, Bangladesch und Bhutan

Zwischen Indien und seinen Nachbarn gibt es bereits erste Stromtrassen. Weitere Interkonnektoren sollen folgen. Die meisten Investitionen fließen aber in nationale Netze.

Von Boris Alex | New Delhi

Die südasiatischen Volkswirtschaften sind in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Nicht nur in Indien, auch in Bangladesch, Sri Lanka und Nepal haben Industrialisierung, höhere Einkommen und verbesserte Lebensstandards dafür gesorgt, dass der Energiebedarf der Unternehmen und Haushalte stark gestiegen ist. Um damit Schritt zu halten, mussten die Staaten in den letzten 30 Jahren ihre Stromerzeugung ausbauen. Indien produziert heute mit rund 1.600 Terawattstunden fast sechsmal so viel Elektrizität wie noch 1990. Bangladesch hat seine Stromproduktion seitdem auf 85 Terawattstunden mehr als verzehnfacht, so die Daten der Internationalen Energieagentur.

Die Strommixe in den südasiatischen Staaten unterscheiden sich zum Teil erheblich. Der Großteil des Stroms wird nach wie vor aus fossilen Energieträgern erzeugt. In Indien hat Kohle einen Anteil von 73 Prozent, in Bangladesch dominiert Erdgas mit 81 Prozent und in Sri Lanka Öl und Kohle mit jeweils gut 30 Prozent. Ganz anders die Situation in Nepal: Das Land produziert seinen Strom fast zu 100 Prozent aus Wasserkraft.

Strommix Indiens und seiner Nachbarländer (2019)

Indien

Bangladesch

Sri Lanka

Nepal

Jährlich produzierte Elektrizität (in Terawattstunden)

1.623,8

84,6

16,3

6,2

Anteil der Stromproduktion aus fossilen Energieträgern (in Prozent)

73,5

98,7

66,9

0,0

Anteil der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (in Prozent)

9,3

0,4

3,4

0,1

Anteil der Stromproduktion aus Wasserkraft (in Prozent)

10,6

0,9

29,6

99,9

Spannung der Höchstspannungsleitung beim Übertragungsnetzbetreiber (in Kilovolt)

765

400

220

400

Quelle: International Energy Agency, 2022

Übertragungsnetze müssen angepasst werden

Parallel zur Erweiterung der Produktion haben die Länder ihre Stromübertragungs- und -verteilungsnetze ausgebaut und modernisiert. Indien muss zudem seine fünf regionalen Übertragungsnetze technisch anpassen. Das liegt an den Anforderungen, die mit der rasant wachsenden Stromerzeugung aus dezentralen Wind- und Solarkraftwerken verbunden sind. Ende März 2022 hatten die netzgebundenen Stromkapazitäten aus erneuerbaren Energien mit 110 Gigawatt bereits einen Anteil von 28 Prozent an der gesamten Erzeugungsleistung. Die indische Regierung will diese bis 2030 auf 450 Gigawatt ausbauen, wodurch der Druck auf die Netzinfrastruktur weiter zunehmen wird.

In Indien befinden sich rund 550 Projekte zur Stromübertragung und -verteilung mit einem Volumen von fast 120 Milliarden US-Dollar (US$) in der Pipeline. Nicht nur Indien, auch Bangladesch und Sri Lanka wollen mehr Strom aus Wind- und Solarenergie erzeugen und ihre Investitionen in die Netzinfrastruktur hochfahren.

Südasien will bei der Sicherung der Stromversorgung regional enger kooperieren. Im Jahr 2014 hatten die Mitgliedsstaaten der Südasiatischen Vereinigung für regionale Kooperation (SAARC) ein Rahmenabkommen zum grenzüberschreitenden Stromhandel geschlossen. Aufgrund von politischen Spannungen zwischen Indien und Pakistan hat SAARC in den letzten Jahren aber an Bedeutung verloren. Etwas erfolgversprechender sind die Bemühungen, im Rahmen der Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation (BIMSTEC) künftig im Energiesektor zusammenzuarbeiten. Im August 2018 unterzeichneten die Mitgliedsstaaten Indien, Bangladesch, Bhutan, Myanmar, Nepal, Sri Lanka und Thailand hierüber eine Absichtserklärung.

Zweite Höchstspannungsleitung zwischen Nepal und Indien geplant

Dabei sind transnationale Übertragungsnetze nichts Neues in der Region. Indien ist bereits mit Nepal, Bhutan und Bangladesch verbunden, weitere Interkonnektoren befinden sich in Planung. Am weitesten fortgeschritten ist die Kooperation zwischen Indien und Nepal. Im November 2020 wurde die erste grenzüberschreitende Höchstspannungsleitung mit 400 Kilovolt in Betrieb genommen. Sie verbindet das nationale Stromnetz Nepals mit dem der nördlichen Region Indiens über eine Länge von 85 Kilometern. Nepal muss die Hälfte seines Strombedarfs aus Indien importieren, will aber in Zukunft auch umgekehrt Strom aus Wasserkraft exportieren.

Die Leitung hat eine Übertragungsleistung von 1.000 Megawatt. Auf nepalesischer Seite wurde in Dhalkebar eine Umspannstation mit 400 kV errichtet - die erste in dieser Größenordnung. Lieferung und Installation erfolgten durch Linxon, einem Joint Venture von SNC Lavalin und Hitachi.

Zwischen Butwal in Nepal und dem indischen Gorakhpur soll es eine zweite 400-Kilovolt-Höchstspannungsleitung geben. Im September 2021 haben beide Länder ein entsprechendes Bauabkommen unterzeichnet. Die 240 Kilometer lange Trasse soll über eine Übertragungsleistung von 3.500 Megawatt verfügen. Das knapp 60 Millionen US$ teure Vorhaben wird von der Nepal Electricity Authority und der Power Grid Corporation of India realisiert.  

Bangladesch und Indien wollen weitere Stromtrasse bauen

Die Übertragungsnetze von Indien und Bangladesch sind seit 2016 über eine 400-kV-Leitung mit einer Leistung von 1.000 Megawatt miteinander verbunden. Seit 2017 planen beide Länder den Bau einer weiteren Trasse mit einer Spannung von bis zu 765 Kilovolt. Diese soll von Kathiar im indischen Bundesstaat Bihar Richtung Osten bis nach Bornagar (Assam) quer durch den Norden Bangladeschs verlaufen. In den beiden Städten sowie in Parbotipur (Bangladesch) sind Umspannwerke mit Leistungen von 400 Kilovolt geplant. Bislang gibt es keinen Zeitplan für die Umsetzung des Vorhabens.

Für die seit 50 Jahren diskutierte 285 Kilometer lange 400-Kilovolt-Leitung zwischen Indien und Sri Lanka wurde 2016 eine Machbarkeitsstudie erstellt. Das Projekt wurde seitdem aber nicht weiter verfolgt.

Vor allem Indien dürfte die Integration der südasiatischen Stromübertragungsnetze in den kommenden Jahren weiter vorantreiben. New Delhi will damit auch ein geopolitisches Gegengewicht zu China setzen, das in Nepal und Bangladesch im Energiesektor an Einfluss gewinnt. Die meisten Investitionen im Stromsektor fließen aber in Projekte zum Ausbau der nationalen Übertragungsnetze. Diese sind fest in öffentlicher Hand, außer in Indien. Dort kontrolliert der Privatsektor inzwischen 8 Prozent des rund 460.000 Kilometer langen Übertragungsnetzes (ab 220 Kilovolt) und 4 Prozent der Umspannkapazitäten. Wichtigster Player bleibt jedoch die staatliche Power Grid Corporation of India.

Für Anbieter von Ausrüstung für die Stromübertragung bietet die Region Wachstumspotenzial. Allerdings gibt es in Indien mit Elektronikkonzernen wie BHEL oder KEC International große Hersteller, die auch bereits in den Nachbarländern aktiv sind. 

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