Indiens Start-up-Ökosystem gehört zu den größten der Welt. Es gibt klare regionale Schwerpunkte und vor allem im Dienstleistungsbereich sind die Unternehmen stark.
Unter Experten gilt das indische Start-up-Ökosystem als gut entwickelt, mittlerweile ist es das drittgrößte weltweit. Ende Juni 2025 gab es laut Regierungsangaben 180.540 Start-ups. Zwar legt das Department for Promotion of Industry and Internal Trade großzügige Kriterien für diese Bezeichnung an, dennoch ist die Menge Ausdruck des Gründergeistes im Land.
Allein im 1. Halbjahr 2025 kamen 22.834 Unternehmen neu dazu, darunter fünf Start-ups mit einer Bewertung von mehr als 1 Milliarde US-Dollar (US$), sogenannte Unicorns. Insgesamt zählte das Informationsportal Inc42 bis Ende Juni 2025 in Indien 124 Unicorns. Deutschland brachte laut der Informationsplattform Tracxn bis Juni 2025 insgesamt 48 Einhörner hervor, davon bislang zwei im Jahr 2025.
Der Fokus liegt auf Software
Indien gibt im internationalen Vergleich wenig Geld für Forschung und Entwicklung (F&E) aus. Laut World Intellectual Property Organization betrugen die Ausgaben für F&E 2023 rund 0,7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Der Vergleichswert für Deutschland liegt bei 3,1 Prozent und für China bei 2,4 Prozent. Zudem sind die F&E-Ausgaben überwiegend staatlich finanziert, die Privatwirtschaft hat nur einen Anteil von 34 Prozent. Das spiegelt sich in der Start-up-Branche wider. Deep-Tech-Unternehmen sind Mangelware, denn hierfür sind hohe Investitionen und große Ausgaben für F&E nötig, die viele Gründer in Indien scheuen.
Viel häufiger sind Unternehmen anzutreffen, die mehrheitlich softwaregetriebene Produkte im Bereich Business-to-Consumer anbieten. Dazu zählen etwa Onlinemarktplätze. Die Unternehmen liefern zumeist mit wenig Kapitaleinsatz schnelle Erfolge. Dies zeigt sich auch beim Blick auf die bisher größten Start-ups des Landes. Hier dominieren Unternehmen mit Dienstleistungen für private Konsumenten.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Bemühungen der indischen Regierung, das verarbeitende Gewerbe zu fördern, auch in Wachstum für Start-ups in den Bereichen Hardware und Smart Manufacturing widerspiegelt. Der Fokus vieler Start-ups liegt eher auf Lösungen und Dienstleistungen für Endverbraucher. Das wird sich so schnell nicht ändern.
Julian Zix
Leiter des German Indian Startup Exchange Program (GINSEP)
Gleiches gilt für aktuelle Wachstumstrends. Zuletzt sind insbesondere Unternehmen im Bereich Quick Commerce (Lieferung innerhalb von Minuten nach der Onlinebestellung) stark gewachsen. Auch bei FinTech ist Indien ein dynamisch wachsender Markt.
Business-to-Consumer dominiertTop Start-ups in IndienName | Kapitalbeschaffung in Milliarden US$ | Branche | Anmerkung |
---|
Flipkart | 14,0 | Onlinehandel | Indische Version von Amazon |
BYJU'S | 6,0 | EdTech | Unternehmen befindet sich im Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren |
Paytm | 4,9 | Fintech | Digitale Zahlungsplattform |
Ola | 4,7 | Travel Tech | Indische Version von Uber |
Zomato | 4,6 | Foodtech | Lieferservice für Essen aus Restaurants, hat 2020 Uber Eats Indien übernommen. Zunehmend auch im Bereich Quick Commerce aktiv |
ReNew Energy | 4,1 | Clean Tech | Betreiber von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien (Wind, Wasser, Solar-Fotovoltaik) |
OYO | 3,7 | Travel Tech | Digitale Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten |
Swiggy | 3,6 | Food Tech | Lieferservice für Essen aus Restaurants. Zunehmend auch im Bereich Quick Commerce aktiv |
Quelle: Inc42 2025
Künstliche Intelligenz (KI) treibt auch in Indien Start-ups um. Indien ist bei der Entwicklung eigener Modelle noch am Anfang. Start-ups und andere Unternehmen konzentrieren sich eher auf die Entwicklung von Anwendungsfällen, vor allem im Bereich Enterprise Tech. Hier kommt insbesondere generative KI zum Einsatz, bei der bereits bestehende Modelle als Plattform dienen. Zusätzlich zu KI sehen Experten aktuell die Bereiche ClimateTech sowie Elektromobilität, Robotik, Halbleiter und SpaceTech als besonders vielversprechend für Start-ups.
Es geht meist ohne Inkubatoren und Acceleratoren
Inkubatoren spielen für das Start-up-Ökosystem nur eine geringe Rolle. Eine Studie des Indian Institute of Technology (IIT) Bangalore und des IIT Madras kam 2024 zu dem Ergebnis, dass nur 8,2 Prozent der Start-ups im Land Inkubatoren nutzen. Von den jungen Unternehmen, die es tun, nutzen 98 Prozent lediglich 10 Prozent der geschätzt 1.100 Inkubatoren im Land.
Vor allem Start-ups aus den Bereichen DeepTech und BioTech nutzen Inkubatoren, so die Experten. Das dürfte daran liegen, dass in diesen Bereichen oft spezielle Räumlichkeiten und Apparate benötigt werden, zum Beispiel Labore und die dazugehörige Ausstattung. Dafür sind hohe Anschaffungskosten notwendig, die mit Hilfe eines Inkubators deutlich verringert werden können.
Auffallend ist die räumliche Verteilung der Inkubatoren. Laut Experten sind 45 Prozent der Einrichtungen in den südlichen Bundesstaaten zu finden. Zudem sind sie häufig an akademische Einrichtungen angeschlossen, insbesondere an den IIT. So verfügt das IIT Bombay mit der Society for Innovation & Entrepreneurship über einen bekannten Inkubator.
Auswahl an Inkubatoren in IndienName | Fokus | Anmerkungen |
---|
NSRCEL in Bangalore | Branchenübergreifend | Angegliedert an das IIM Bangalore |
Technology Business Incubator der Foundation for Innovation and Technology Transfer in New Delhi | Branchenübergreifend | Angegliedert an das IIT Delhi |
SINE in Mumbai | Branchenübergreifend, aber mit Fokus auf Tech, DeepTech | Angegliedert an das IIT Bombay |
Venture Center in Pune | Branchenübergreifend, aber mit Fokus auf HealthTech, GreenTech, AgriTech | Entstanden auf Initiative des National Chemical Laboratory |
Villgro in Chennai | Branchenübergreifend, aber Fokus auf Social Enterprise Start-ups, vor allem im Bereich AgriTech und HealthTech | Angesiedelt auf dem IIT Madras Research Park |
T-Hub in Hyderabad | Branchenübergreifend | Operiert als Public-Private-Partnership-Modell |
Quelle: Recherche von Germany Trade & Invest 2025
Acceleratoren sind noch weniger verbreitet als Inkubatoren. Sie sind eher in der Privatwirtschaft und an Geldgeber angedockt.
Auswahl an Acceleratoren in IndienName | Fokus | Anmerkungen |
---|
SIGMA in Bangalore | Social Start-ups mit Fokus auf HealthTech, CleanTech, AgriTech, EdTech | - |
India Accelerator in Gurugram und Noida | Sektor-agnostisch | Hat weitere Standorte in Indien, zum Beispiel in Pune |
100 Unicorns in Mumbai | Sektor-agnostisch | Verbindung von Venture Capital und Accelerator |
Founder Institute in Pune | Sektor-agnostisch | Ableger eines global agierenden Acceleratoren-Programms |
The Startup Centre in Chennai | Sektor-agnostisch | Keine Webseite vorhanden |
Spark10 in Hyderabad | Sektor-agnostisch | Ableger eines Unternehmens aus dem Vereinigten Königreich |
Quelle: Recherche von Germany Trade & Invest 2025
Wenige Städte vereinigen viel Start-up-Power
Allgemein ist die indische Start-up-Landschaft stark geclustert. Die wichtigsten Standorte sind Bangalore, die Hauptstadtregion in und um New Delhi, Mumbai und Pune. Außerdem sind Chennai und Hyderabad wichtige große Zentren der Szene.
Die Bedeutung der mittelgroßen Städte wächst jedoch. Oft finden Unternehmen hier einfacher Fachkräfte und das zu geringeren Kosten. Mitarbeitende schätzen zudem die niedrigeren Lebenshaltungskosten. Gleichzeitig entstehen in diesem Umfeld viele Start-ups mit sozialem oder ökologischem Anspruch, die gezielt einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen.
Lokale Lösungen sind gesucht
Branchenvertreter sehen ihre unternehmerische Zukunft überwiegend in Indien. Für den Standort sprechen das Reservoir an IT-Fachkräften und die große Offenheit gegenüber neuen Technologien.
Hinzu kommt der riesige Binnenmarkt. Dieser ist gleichzeitig auch ein Grund für den eher geringen Internationalisierungsgrad der indischen Start-up-Szene. Zudem sind viele der Geschäftsmodelle speziell auf den indischen Markt zugeschnitten, was den Eintritt für Start-ups aus dem Ausland anspruchsvoll macht.
Staat hilft mit Förderungen
Eine Reihe von Maßnahmen der indischen Zentralregierung soll helfen, das Start-up-Ökosystem zu stärken. Gebündelt sind sie unter der "Startup India Initiative". So gibt es Möglichkeiten einer Anschubfinanzierung in der Gründungsphase sowie Kreditgarantien, Steuervergünstigungen und beschleunigte Verfahren zum Schutz von Patenten und geistigem Eigentum.
Weiterhin möchte die Regierung in New Delhi bei Ausschreibungen verstärkt auf die Produkte und Dienstleistungen lokaler Start-ups zurückgreifen. Zusätzlich unterstützen Regierungsangaben zufolge 31 Bundesstaaten und Unionsterritorien Start-ups mit eigenen Strategien. Grundsätzlich stehen die Förderungen allen Start-ups offen, allerdings müssen die Firmen mehrheitlich in indischem Besitz und in Indien registriert sein.
Termine der wichtigsten Start-up-Events in Indien
Von Florian Wenke
|
Mumbai