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Wachstumsmarkt Indien – der neue Investitionsmagnet?
Das starke Wirtschaftswachstum ist nur einer der Gründe, warum das Land Firmen anzieht. Für Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe ist Indien eine attraktive Option.
25.06.2025
Von Florian Wenke | Mumbai
Kaum eine Diskussion über die Diversifizierung von Lieferketten oder die Suche nach neuen Wachstumsmärkten kommt ohne Nennung des Subkontinentes aus. Bereits in den frühen 2000er-Jahren schauten weite Teile der deutschen Wirtschaft hoffnungsvoll nach Indien, die Hoffnungen wurden oft enttäuscht. Seitdem hat sich an der Attraktivität des Standorts einiges getan.
Dieser Beitrag ist Teil einer umfassenden Analyse zu neuen Produktionsstandorten. Sie zeigt anhand verschiedener Länderkategorien, warum und wohin sich Fertigungskapazitäten verschieben.
Investitionstrends: Fortschritte im Wettbewerb um FDI
Indien ist offen für Direktinvestitionen aus dem Ausland (FDI) und hat Investitionsobergrenzen weitgehend aufgehoben, zuletzt im Februar 2025 für die Versicherungsbranche. Vor allem Mittelzuflüsse in das verarbeitende Gewerbe sind heiß umworben. Den Auftakt dazu machte 2014 das Programm "Make in India", das mit "Make in India Mittelstand" sogar einen eigenen Ableger für deutsche Unternehmen hat.
Ein weiteres Programm sind die Production Linked Incentives, die branchenübergreifende Subventionen für lokale Fertigung im Umfang von rund 27 Milliarden US-Dollar (US$) zur Verfügung stellen. Das Weltwirtschaftsforum bescheinigt Indien Erfolge beim Ausbau des verarbeitenden Gewerbes infolge der beiden Initiativen. Die Experten sehen die Elektronikfertigung, die Kfz-Branche und die Textilherstellung als Wachstumsbereiche. Zudem entwickelt sich Indien als Produktionsstandort von Halbleitern. Die erste indische Fab soll 2026 mit der Produktion beginnen.
Erklärtes Regierungsziel ist ein Anteil des verarbeitenden Gewerbes von 25 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, ausgehend von 13 Prozent im Jahr 2023. Dafür braucht das Land Investitionen aus dem Ausland.
Fokusbranchen: Industrieausrüstung sticht hervor
Im World Investment Report 2024 bekleidet Indien den 4. Rang mit 1.058 angekündigten Greenfield-Investitionen im Jahr 2023 und liegt vor Deutschland (1.036). Die Datenbank fDi-Markets gibt die Anzahl der FDI-Projekte (Green- und Brownfield) im verarbeitenden Gewerbe mit 179 für 2023 und 193 für 2024 an.
Im Jahr 2023 entfielen die meisten Direktinvestitionen in den Bereich Industrieausrüstung, worunter wohl zum Großteil der Maschinenbau fällt. Weitere wichtige Branchen waren Elektronik, Nahrungsmittel und Getränke, Chemie sowie Metalle.
Im Kearney Foreign Direct Investment Confidence Index 2024 schneidet Indien mit Rang 18 ebenfalls gut ab. Es ist das viertbeste Ergebnis unter den betrachteten Entwicklungsländern. Indien liegt deutlich vor anderen asiatischen Ländern wie Thailand oder Vietnam.
Bei Ansiedlungen spielen Cluster eine große Rolle. Häufig fließen Investitionen dahin, wo bereits andere Unternehmen aus dem eigenen Land oder aus derselben Branche sind, oder dahin, wo Kunden sitzen. FDI fließen eher in die Bundesstaaten im Westen und Süden des Landes.
Treiber und Risiken: Riesiger Binnenmarkt lockt
Ein wichtiger Investitionsgrund ist der große Binnenmarkt. Regelmäßig wird auch die Verfügbarkeit von Arbeitskräften als Standortvorteil genannt. Wenngleich es bei der Aus- und Weiterbildung in Indien noch Steigerungspotenzial gibt, wird es auch in den kommenden Jahrzehnten ausreichend Arbeitskräfteangebot zu wettbewerbsfähigen Löhnen geben.
Zudem verfügt Indien für die Beschaffung über eine leistungsfähige lokale Industrie. Eine Befragung der DZ Bank aus dem Sommer 2024 kommt zu dem Schluss, dass Indien nach Europa der wichtigste Ort für die Neuausrichtung von Lieferketten ist. So erfolgte im Frühjahr 2025 der Spatenstich für ein Werk der Krones AG, ein Anlagenbauer für die Getränkeindustrie und Nahrungsmittelhersteller, im Bundesstaat Karnataka.
Christine Raab, Projektleiterin Werksaufbau Indien bei Krones, bestätigt: "Nach 30 Jahren Präsenz im indischen Markt haben wir uns entschieden, eine dauerhafte Produktionspräsenz aufzubauen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Das Land ist derzeit eine der wachstumsstärksten Volkswirtschaften der Welt. Gleichzeitig ist Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde, mit einem hohen Angebot an qualifizierten Fachkräften. Hinzu kommt: Für Krones spielt eine dezentrale, regional ausgerichtete Wertschöpfung eine entscheidende Rolle. Kurze Wege sind der Schlüssel, um unsere Kunden möglichst schnell, kostengünstig und emissionsarm zu beliefern. Indem wir unsere internationalen Standorte weiter ausbauen und verstärkt lokale Beschaffungsquellen nutzen, steigern wir sowohl unsere Attraktivität als Lieferant als auch unsere Nachhaltigkeitsleistung. Dafür liefert Indien einen wichtigen Beitrag."
Zudem schätzen Investoren Indiens politische Stabilität. Die Regierung unter Premierminister Narendra Modi amtiert seit 2014 und die aktuelle Legislaturperiode läuft noch bis 2029. Die Regierung verbessert die Infrastruktur durch öffentliche Mittel, die Logistikkosten sinken in der Folge. Im Logistics Performance Index 2023 erreichte Indien den Gruppenrang 38, gleichauf mit Portugal und Litauen.
Lösung bei Handelsabkommen und Zollstruktur in Sicht
Einer der großen Nachteile ist Indiens fehlende Integration in größere Handelsabkommen. Seit 2022 wird mit der EU wieder über ein Abkommen verhandelt, in dem es auch um Investitionsschutz geht. Beide Seiten geben das Ziel aus, die Verhandlungen noch 2025 abzuschließen.
Ein weiteres Hindernis ist die Zollstruktur. Oft werden Vor- und Zwischenerzeugnisse höher bezollt als fertige Waren. Das vermindert Anreize für lokale Produktion. Mit dem Staatshaushalt für das Finanzjahr 2025/2026 (1. April bis 31. März) hat die Regierung nun erste Schritte unternommen, die Zollstruktur anzupassen und zu vereinfachen.
Institution | Anmerkung |
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Deutsch-Indische Handelskammer (AHK Indien) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Invest India | Nationale Investitionsförderagentur |
Investitionsgarantien des Bundes | Instrument zur Absicherung von Auslandsinvestitionen |