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Wirtschaftsausblick | Iran
Irans Wirtschaft dürfte ohne politischen Wandel und eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen nur noch schwach wachsen. Auch eine erneute Rezession kann nicht ausgeschlossen werden.
07.12.2022
Von Robert Espey | Dubai
Die Hoffnungen, dass nach den Anfang November stattgefundenen US-Kongresswahlen die Verhandlungen zwischen den USA und Iran über eine Erneuerung des Atomabkommens (offizielle Bezeichnung: Joint Comprehensive Plan of Action/JCPoA) wieder in Gang kommen, haben sich nicht erfüllt. In Anbetracht der gewaltsamen Niederschlagung der im September begonnenen Proteste ist ein Vertragsabschluss mit Teheran und damit eine Lockerung der US-Wirtschaftssanktionen derzeit kaum denkbar.
Angesichts der ständigen Ausweitung des iranischen Atomprogramms ist vielmehr mit einer weiteren Verschärfung der Wirtschaftssanktionen durch die USA, die EU und andere westliche Staaten zu rechnen. Auch eine vollständige Reaktivierung der nach Inkrafttreten des JCPoA Anfang 2016 aufgehobenen EU- und UN-Sanktionen ist nicht mehr auszuschließen. Dazu könnte der im JCPoA vertraglich geregelte "Snapback"-Mechanismus genutzt werden.
Als Reaktion auf die schweren Menschenrechtsverletzungen hat die EU auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 359/2011 im Oktober und November 2022 weitere 40 Personen und 8 Organisationen mit Sanktionen belegt. Damit ist die Liste der Personen und Organisationen, die restriktiven Maßnahmen im Rahmen der EU-Sanktionsregelung für Iran im Bereich Menschenrechte unterliegen, auf 126 Personen und elf Organisationen angewachsen.
Indikator | 2020/2021 (1399) 1, 2 | 2021/2022 (1400) 1, 2 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, zu Marktpreisen, Milliarden US$) 3 | 971,2 | 1.590 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) 3 | 11.645 | 18.906 | 51.214 |
BIP (nominal, zu Marktpreisen, Milliarden US$) 4 | 178,3 | 257,3 | -- |
BIP pro Kopf (US$) 4 | 2.138 | 3.059 | -- |
Bevölkerung (Millionen) | 83,4 | 84,1 | 83,2 |
Wechselkurs (Zentralbankrate; Jahresdurchschnitt, 1 US$ = Rial) | 42.000 | 42.000 | -- |
Wechselkurs (freie Marktrate; Jahresdurchschnitt, 1 US$ = Rial) | 228.809 | 259.476 | -- |
Die derzeit vorliegenden Prognosen zur mittelfristigen Entwicklung der iranischen Wirtschaft gehen auch bei einem Fortbestand der US-Sanktionen nicht von einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Aber die Vorhersagen berücksichtigen weder die Auswirkungen der landesweiten Proteste noch die Folgen einer möglichen Eskalation im Atomstreit.
Die im Oktober 2022 veröffentlichte Vorhersage des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist gegenüber der Frühjahrprognose unverändert geblieben. Für das laufende Jahr 2022/2023 (iranisches Jahr 1401: 21. März 2022 bis 20. März 2023) kalkuliert der IWF mit einem realen (preisbereinigten) BIP-Plus von 3,0 Prozent. Im folgenden Fünfjahreszeitraum 2023/2024 bis 2027/2028 wird mit Zuwächsen von jeweils 2,0 Prozent gerechnet.
Gemäß Berechnungen der iranischen Zentralbank hat sich die 2020/2021 zu verzeichnende Belebung der Investitionstätigkeit nicht fortgesetzt. Die Bruttoanlageinvestitionen stagnierten 2021/2022 auf Vorjahresniveau (zu konstanten Preisen von 2016/2017). Einem Zuwachs bei Ausrüstungsinvestitionen von 12 Prozent stand ein Minus bei Bauinvestitionen von 7 Prozent gegenüber. Die Bruttoanlageinvestitionen waren zwischen 2016/2017 und 2019/2020 um insgesamt 22 Prozent gefallen. Ein Plus von 3 Prozent wurde für 2020/2021 ausgewiesen.
Die Weltbank rechnet für 2022/2023 mit einem Investitionsanstieg um 3,1 Prozent, die Economist Intelligence Unit nur mit 1,0 Prozent. Nach einer Lockerung der US-Sanktionen könnte es zu einem Investitionsschub kommen, der auch von westlichen Investoren Impulse erhalten würde. Aktuell ist aber nicht absehbar, ob oder wann Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Ebenso unklar ist, was aus angekündigten russischen und chinesischen Investitionen wird.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Millionen US$) | Projektstand 1, 2 | Projektträger 3 |
---|---|---|---|
North Pars Gas Field Development | 16.000 | ST | |
Shahid Ghasem Soleimani Refinery | 11.500 | ST | |
10 Gigawatt Renewable Energy Project in Iran | 10.000 | A | |
Shahid Soleymani Petro-Refinery | 7.700 | ST | |
Tehran Metro Expansion: Line 8, 9 and 10 | 5.800 | DE | |
Imam Khomeini International Airport Expansion: New Terminal 2 | 2.500 | ST | |
Chabahar Steel Plant | 1.600 | ST | Pars Kohan Diar Parsian Steel/POSCO Engineering & Construction |
Dehloran Oil Refinery | 1.500 | ||
Thermal Power Plant Expansion | 1.200 | ST | |
Petrochemical Mahshahr Polyethylene Plant 2 | 950 | ST |
Die hohe Inflation hat die Kaufkraft in den vergangenen vier Jahren stark schrumpfen lassen. Die Einkommenszuwächse sind weit hinter der Teuerung zurückgeblieben. Offiziellen Angaben zufolge haben sich die Verbraucherpreise in städtischen Regionen 2018/2019 um 26,6 Prozent (2017/2018: 8,1 Prozent), 2019/2020 um 34,4 Prozent, 2020/2021 um 36,2 Prozent und 2021/2022 um weitere 39,7 Prozent erhöht. Für 2022/2023 zeichnet sich eine Teuerung von über 40 Prozent ab.
Trotz der Kaufkraftverluste meldet die offizielle Statistik seit 2020/2021 einen anziehenden privaten Konsum. Der Zentralbank zufolge schrumpfte der private Verbrauch 2019/2020 um 4,7 Prozent. Für 2020/2021 und 2021/2022 werden Zuwächse um 0,5 und 3,9 Prozent ausgewiesen. Im 1. Halbjahr 2022/2023 dürfte sich der positive Trend noch fortgesetzt haben. Aber spätestens seit Beginn der Proteste im September ist von einem deutlichen Konsumrückgang auszugehen.
Nach drei Jahren mit starken Rückgängen zeigt Irans Außenhandel seit 2021/2022 wieder kräftiges Wachstum. Nach Angaben des iranischen Zolls erhöhten sich die Einfuhren in den ersten acht Monaten 2022/2023 (21. März bis 20. Oktober 2022) um 15 Prozent auf 37,1 Milliarden US$ (cif). Die wichtigsten Lieferanten waren die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE; vor allem Re-Exporte über Dubai), China, die Türkei, Indien und Deutschland. Irans Nicht-Öl-Ausfuhren stiegen um 4 Prozent auf 32,4 Milliarden US$ (fob). Als größte Abnehmer weist die Zollstatistik China, Irak, die VAE, die Türkei und Indien aus.
Aktuelle Angaben über den Wert der Ölexporte sind nicht verfügbar. Es ist aber von einem erneuten signifikanten Anstieg auszugehen. Dennoch bewegen sich die Ölausfuhren aufgrund der US-Sanktionen weiterhin auf niedrigem Niveau. Gemäß Zentralbank sind die Öl- und Gasexporte zwischen 2017/2018 und 2020/2021 von 63 Milliarden auf 21 Milliarden US$ gesunken, aber 2021/2022 auf 39 Milliarden US$ gestiegen.
Kategorien | 2019/2020 (1398) 1 | 2020/2021 (1399) 1, 2 | 2021/2022 (1400) 1,2 | Veränderung 2021/2022 gegenüber 2020/2021 |
---|---|---|---|---|
Importe (fob) | 58,1 | 46,6 | 63,6 | 36,5 |
Exporte (fob) 3 | 60,0 | 49,8 | 79,5 | 59,4 |
Öl und Gas | 26,0 | 21,0 | 38,7 | 84,0 |
Sonstige Waren | 33,9 | 28,8 | 40,7 | 41,5 |
Nach chinesischen Zollangaben sind die Ausfuhren nach Iran zwischen 2017 und 2021 um 55 Prozent auf 8,3 Milliarden US$ gesunken. In den ersten zehn Monaten 2022 konnte jedoch eine Erhöhung um 19 Prozent auf 7,6 Milliarden US$ verbucht werden.
Destatis zufolge haben sich die deutschen Iranexporte 2021 auf 1,4 Milliarden Euro vermindert. Das war der niedrigste Wert seit dem Jahr 2000. Für 3,0 Milliarden Euro hatte Deutschland 2017 geliefert. In den ersten neun Monaten 2022 stieg die deutsche Ausfuhr um 21 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro, verursacht vor allem durch eine Verdoppelung der Getreidelieferungen auf 435 Millionen Euro.