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Netanjahus "Sparta-Rede" verunsichert israelische Wirtschaft
Premierminister Netanjahu erwartet eine Isolation seines Landes. Die Wirtschaft zeigt sich angesichts drohender Sanktionen besorgt. Es gibt aber auch optimistischere Einschätzungen.
23.09.2025
Von Wladimir Struminski | Israel
Mitte September 2025 prophezeite Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der Wirtschaft seines Landes unruhige Zeiten. In einer Rede vor Teilnehmern einer Konferenz des Finanzministeriums räumte Netanjahu ein, Israel befinde sich international "in einer gewissen Isolation". Das bringe "das Risiko von Wirtschaftssanktionen mit sich". Die Isolation werde auch in den kommenden Jahren anhalten.
Israels Regierung will eine höhere Selbstversorgung erreichen
Daher werde Israel sich zunehmend auf eine Wirtschaft mit Merkmalen einer Autarkie einstellen müssen. Gerade Rüstungsimporte aus dem Ausland könnten blockiert werden. Infolgedessen müsse das Land seine Rüstungsindustrie stark ausbauen, um die Waffen, die es brauche, selbst herzustellen. Unter diesen Umständen werde es nicht möglich sein, andere Großprojekte aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Netanjahu zog einen historischen Vergleich zum antiken Griechenland. Bisher sei Israel "Athen und Sparta" zugleich - will heißen, eine kulturelle ebenso wie eine militärische Macht. Künftig werde es aber "Athen und Super-Sparta" sein müssen.
Industrie ist verunsichert
Netanjahus "Sparta-Rede“ sorgt in Wirtschaftskreisen für Unruhe, zumal sie mit EU-Sanktionsdebatten zusammenfiel. Ron Tomer, Präsident der israelischen Industriellenvereinigung (Israel Manufacturers‘ Association), erklärte gegenüber der Wirtschaftszeitung "The Marker", die Gefahr von Sanktionen führe jetzt schon zu Verunsicherung unter ausländischen Kunden. In bestimmten Fällen sähen diese von der Bestellung israelischer Waren ab. Tomer warnte zudem: EU-Sanktionen könnten andere Länder zu ähnlichen Schritten ermutigen.
Auch das "Forum Hightech für Israel" hat Netanjahus Rede scharf kritisiert. Dem Forum gehören Dutzende CEOs der Hightechbranche an. In einer Erklärung hieß es: "Die Hightechindustrie, der zentrale Wachstumsmotor der Wirtschaft, ist vom Zugang zu internationalen Märkten, von fortschrittlichen Technologien und vom Vertrauen ausländischer Investoren abhängig." Jede Beeinträchtigung dieser Verbindungen gefährde Israels technologischen Vorsprung. Die Hightechbranche trägt etwa 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei, Israels Start-up-Szene gehört zu den erfolgreichsten weltweit.
EU-Sanktionen unwahrscheinlich
Indessen gibt es auch optimistischere Einschätzungen. Michel Weinberg, Geschäftsführer der AHK Israel, erklärte gegenüber Germany Trade and Invest, EU-Sanktionen gegen Israel seien wegen der Haltung wichtiger Mitgliedsländer unwahrscheinlich. Das gelte nicht nur für Schritte, die von allen 27 EU-Mitgliedern einstimmig beschlossen werden müssten, sondern auch für solche, die nur einer qualifizierten Mehrheit bedürften.
Bei Abstimmungen im Rat der Europäischen Union (Ministerrat) gilt die qualifizierte Mehrheit als Standard bei Entscheidungen. Sie ist erreicht, wenn 55 Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen, die aber auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Mit dieser Mehrheit könnte eine Reihe von Maßnahmen gegen Israel beschlossen werden, darunter auch eine teilweise Suspendierung israelischer Teilnahme am europäischen Rahmenforschungsprogramm "Horizont Europa". Diesen Schritt empfahl die EU-Kommission. Für den israelischen Hightechsektor wäre das ein empfindlicher Schlag.
Industrieproduktion rückläufig
Der Krieg belastet Israels Wirtschaft. Zwar rechnet die israelische Zentralbank für 2025 mit einem realen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,3 Prozent, jedoch sind dafür die hohen Staatsausgaben für den Verteidigungs- und Sicherheitssektor maßgeblich verantwortlich. Anders sieht es im produzierenden Gewerbe aus: Im 1. Halbjahr 2025 lag die Produktion 3,5 Prozent unter dem Vergleichszeitraum 2023 – also dem Halbjahr vor Beginn des Gazakriegs. Die Bruttoanlageinvestitionen gingen im selben Zeitraum sogar um 8,3 Prozent zurück.
Robust zeigen sich dagegen die deutschen Exporte nach Israel. Im Jahr 2024 waren sie nach Angaben des Statistischen Bundesamts geringfügig um 0,2 Prozent auf 5,7 Milliarden US-Dollar (US$) zurückgegangen, stiegen im 1. Halbjahr 2025 jedoch um 5,9 Prozent. Gut die Hälfte des Importwerts entfiel auf Maschinenbauerzeugnisse, elektrotechnische Produkte und Fahrzeuge.
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