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Branche kompakt | Italien | Chemische Industrie

Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Die Chemiebranche hat für Italiens grüne Transformation strategische Bedeutung. Sie hat einen hohen Schadstoffausstoß und entwickelt Produkte für ein nachhaltigeres Wirtschaften.

Von Torsten Pauly | Mailand

Zwischen 2017 und 2021 haben 60 Prozent aller italienischen Chemiefirmen in die Verbesserung ihrer ökologischen Bilanz investiert. Dies war der höchste Wert unter allen Sparten des verarbeitenden Gewerbes. Insgesamt hat Italiens Chemieindustrie ihren Kohlendioxidausstoß zwischen 1990 und 2020 um 64 Prozent gesenkt. Sie erfüllt damit die von der EU geforderte Reduktion um 55 Prozent bis 2030.

Die Emissionen sind jedoch weiterhin hoch. Chemiehersteller waren 2020 für 14 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes des verarbeitenden Gewerbes Italiens verantwortlich. Der Verband Federchimica beziffert die bis 2050 nötigen Nachhaltigkeitsinvestitionen auf 20 Milliarden Euro. Damit müssen die Maßnahmen nochmals um 40 Prozent höher ausfallen als im Schnitt der Jahre 2016 bis 2020.

Die Chemieindustrie muss auch neue Produkte entwickeln, damit Italiens Wirtschaft der Umbau zu nachhaltigerer Erzeugung gelingt. Damit ist sie zentral, um die von der EU 2018 im Green Deal formulierten Ziele für die Mitgliedsstaaten zu erreichen. Der Verband Federchimica sieht Wachstumschancen insbesondere durch neue Chemikalien für die Abfall- und Wasserwirtschaft, die Nutzung von Wind- und Solarenergie, eine digitale Elektromobilität, die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung, Energieeffizienz und smarte Gebäudesteuerung, den Gesundheitssektor und die Bioökonomie.

Teure Energiepreise zwingen zu Einsparungen

Die italienische Chemieindustrie hat ihre Energieeffizienz zwischen 2000 und 2020 um 44 Prozent gesteigert. Damit erfüllt sie die EU-Vorgabe für das Zieljahr 2030, die eine Verbesserung um 32,5 Prozent vorsieht.

Ein starker Anreiz für weitere Einsparungen sind jedoch die teuren Energiekosten. Im ersten Halbjahr 2023 musste ein industrieller Gasgroßkunde, der mindestens 4 Millionen Gigajoule im Jahr abnahm, in Italien 21,6 Prozent mehr als im EU-Schnitt bezahlen. Strom war für die Industrie ab einem Jahresbezug von 150.000 Megawattstunden in Italien 15,5 Prozent teurer als im EU-Mittel. Der Verband Federchimica hat Anfang 2024 erwartet, dass die Öl- und Gaspreise im gesamten Jahresverlauf hoch bleiben.

Nachhaltige Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette

Ein wichtiger Trend der nächsten Jahre ist die Chemieindustrie 5.0 (Industria chimica 5.0). Eine digitale Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette soll diese nachhaltiger machen. Dazu gehört die Erforschung und Entwicklung ressourcenschonender Chemikalien ebenso wie deren klimaneutrale Produktion und Auslieferung. Nach Verwendung sollen die Rückstände möglichst vollständig wiederverwertbar sein, entweder durch Recyceln einzelner Stoffe oder durch deren energetische Verwertung.

Im Jahr 2022 wurden 52,3 Prozent des italienischen Chemiemülls recycelt oder auf andere Weise umweltgerecht aufbereitet. Dagegen wurden 14,9 Prozent der Rückstände deponiert und 4,8 Prozent verbrannt. Der Rest wurde anderweitig behandelt.

Der Verband Federchimica hat für seine Mitglieder das Programm Coach (Circularity Oriented Assistance for Chemical Companies) entwickelt. Dieses verbessert die Erfassung aller Materialflüsse und ermöglicht so eine nachhaltigere Nutzung im gesamten Kreislauf. Bis 2023 hatten 14 Branchenfirmen das Programm getestet.

Rückstände werden zu Chemikalien und Wasserstoff

Einige italienische Hersteller sind führend in der Entwicklung neuer Waste-to-Chemicals-Technologien. In Porto Marghera bei Venedig ist eine Anlage geplant, die aus Klärschlamm durch chemische Behandlung Phosphor und Energie gewinnt. Das Projekt realisiert der Petrochemiekonzern Eni Rewind. Ebenfalls in Porto Marghera entwickeln die Unternehmen Versalis und Ecoplastic ein Verfahren zur Erzeugung von Polysterol und Polymeren aus Gewerbeabfällen.

Im Cluster Motor Valley bei Modena realisiert die Gruppe Heraambiente eine Anlage zum Recyceln von Karbonfasern durch chemische Behandlung. Das Projekt richtet sich an die dort ansässigen Autobauer Ferrari, Lamborghini und Maserati. Die Technologie soll später an anderen Standorten auch für Rückstände aus der Luftfahrtindustrie und anderen Hightech-Branchen Anwendung finden.

Das Start-Up Bi-rex aus Bologna hat zusammen mit der Polytechnischen Universität Mailand ein patentiertes Verfahren entwickelt, um mit umweltschonenden Lösungsmitteln Polymere und Zellstoff aus Agrarabfällen zu gewinnen.

Drei Anlagen zur Elektrolyse von grünem Wasserstoff plant der Hersteller Marie Tecnimont in Genua, im sizilianischen Gela und im toskanischen Empoli. Das Verfahren sieht zunächst die Erzeugung von Biomethanol aus Abfällen und dann dessen Nutzung für die Wasserstofferzeugung vor. Marie Tecnimont gehört zum Konzern NextChem, der sich auf nachhaltige Chemie- und Energieerzeugung spezialisiert.

EU-Fördergelder unterstützen Projekte

Italien erhält bis 2027 Fördergelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU. Diese wurde 2021 zur Überwindung der Coronarezession durch Investitionen in nachhaltige und digitale Technologien ins Leben gerufen. Chemieproduzenten können von diesen Programmen profitieren. Unter anderem stehen 2 Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte in hard-to-abate-Sektoren zur Verfügung (Programmtitel M2C2.3.2). Weitere 500 Millionen Euro können für Elektrolyseanlagen in bestehenden Brownfield-Industrieanlagen abgerufen werden (M2C2.3.1). Für sonstige Wasserstoffforschungen stellt die EU 160 Millionen Euro bereit (M2C2.3.5).

Fördermöglichkeiten für Chemieunternehmen gibt es auch bei Projekten für eine kreislaufgerechte Biomethanproduktion. Hierfür stehen 1,9 Milliarden Euro aus der EU-Fazilität zur Verfügung (M2C2.1.4). Sonstige Vorhaben in der Abfallwirtschaft unterstützt die EU mit 2,1 Milliarden Euro (M2C1.1). Ein weiteres Programm für die Abwasserwirtschaft ist mit 600 Millionen Euro aufgelegt (M2C2.4.4).

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