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Wirtschaftsumfeld | Italien | Energie

Vorerst genug Energie für die Industrie

Italien plant, spätestens im 2. Halbjahr 2024 unabhängig von russischem Gas zu sein. Dies sind die Maßnahmen.

Von Oliver Döhne | Mailand

Aus Erdgas wurden 2021 rund 42 Prozent der in Italien verbrauchten Energie erzeugt. Dabei kamen 95,6 Prozent aus dem Ausland und wiederum rund 38 Prozent aus Russland. Um künftig unabhängig von russischem Gas zu sein, setzt Italien einen Notfallplan in Gang, der aber bislang keine drastischen Maßnahmen beinhaltet.

Maßnahmen zur Sicherung von Italiens Energieversorgung
  • Höhere Gasimporte über die Pipelines aus Algerien und Aserbaidschan
  • Mehr Flüssiggasimporte über den Seeweg, ergänzt durch neue Flüssiggasterminals
  • Gasspeicher bis Ende Oktober 2022 zu mindestens 90 Prozent füllen
  • Energiesparmaßnahmen beim Heizen privater und öffentlicher Gebäude in den kommenden Wintern durch eine leichte Absenkung der Temperatur
  • Energieeffizienzmaßnahmen in Industrie und Gebäuden
  • Ausbau erneuerbarer Energiequellen, von On- und Offshore-Windkraft, Solarenergie bis Biomethan
  • Vorübergehender Einsatz von Kohlekraftwerken 

Mehr Gas aus alternativen Ländern 

Ziel Italiens ist es, von den im Jahr 2021 aus Russland importierten 29,2 Milliarden Kubikmetern Erdgas bis 2024 etwa 25 Milliarden Kubikmeter auf anderem Weg zu erhalten und den Rest dank Energieeffizienzmaßnahmen nicht mehr zu benötigen. Aus Algerien kommen bereits 2022 zusätzliche 4 Milliarden Kubikmeter Erdgas, aus Aserbaidschan 1,5 Milliarden Kubikmeter. Im kommenden Jahr sollen es knapp 9 Milliarden und 2024 dann 11,8 Milliarden Kubikmeter mehr Erdgas aus diesen und anderen Ländern werden.

Aus der Republik Kongo, Angola, Mosambik, Ägypten und Libyen soll verstärkt Flüssiggas (LNG) eingeschifft werden, bis Ende 2022 vorerst 1,5 Milliarden Kubikmeter, 2023 dann 7,9 Milliarden Kubikmeter und 2024 weitere 9,5 Milliarden Kubikmeter. Zusätzlich zu den drei bestehenden Regasifizierungsanlagen in Rovigo (Venetien), La Spezia (Ligurien) und Livorno (Toskana) hat Italien Mitte 2022 zwei schwimmende LNG-Terminals erworben und diese in Piombino (Toskana) und Ravenna (Emilia-Romagna) platziert. Sie können jedoch erst ab 2023 in Betrieb gehen. Pläne für weitere LNG-Terminals bestehen für Goia Tauro (Kalabrien) und Porto Empedocle (Sizilien) sowie für mehrere Standorte in Sardinien. 

Die Gasspeicher Italiens waren Ende Juli 2022 zu rund 72 Prozent gefüllt, bis Ende Oktober sollen es 90 Prozent sein, um einen einigermaßen sorgenfreien Winter zu gewährleisten. Damit lag Italien vor Deutschland und dem Durchschnitt der Europäischen Union. Italien besitzt Speicherkapazitäten von 17 Milliarden Kubikmetern, davon 4,5 Milliarden Kubikmeter strategische Reserven für den Notfall. 

Keine drastische Rationierung 

Die derzeitigen Pläne sehen für die Industrie keinerlei Energierationierungen vor, gehen aber insgesamt auch von einer Vor-Alarmstufe aus, falls Russland die Gaslieferungen nicht ganz einstellt und kein besonders kalter Winter bevorsteht. Zurzeit geht Roberto Cingolani, der scheidende Minister für ökologischen Wandel, davon aus, dass es im anstehenden Winter zu keinen größeren Energieengpässen kommen wird und maximal ab März 2023 nach einem möglichen kalten Winter leichtere Komplikationen auftreten könnten. 

Mit der Europäischen Union vereinbarte Italien ein jährliches Absinken des Gasverbrauchs von 7 Prozent des Durchschnitts der vergangenen 5 Jahre. Sparen ist vorerst beim Heizen von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden vorgesehen. Hier soll, über freiwillige Vereinbarungen, die Durchschnittstemperatur in einem bestimmten Zeitraum um ein Grad sinken. Weitere Effizienzgewinne erhofft sich die Regierung durch die laufenden Anreizprogramme für Energieeffizienz wie Superbonus und Ecobonus. Diese Sparmaßnahmen können laut Regierung bis zu 2,5 Milliarden Kubikmeter Gas einsparen.

Neue Anreize für Erneuerbare Energie

Italien will bis 2030 pro Jahr durchschnittlich 8 Gigawatt Kapazität für erneuerbare Energien aufbauen und so pro Jahr etwa 2,5 Milliarden Kubikmeter Gas einsparen. In Kürze ist mit neuen Anreizen zu rechnen, wenn die Neuauflage des Programms FER 1 (etablierte Quellen wie Fotovoltaik oder Onshore-Windkraft) und das FER 2 (innovative Quellen wie Offshore-Windkraft oder Solarthermie) anlaufen. Eine stärkere Rolle soll auch Biomethan spielen, sowohl als Ersatz für Erdgas als Kraftstoff als auch in der Stromerzeugung. Hier sind laut Regierung in den kommenden Jahren schrittweise Gaseinsparungen bis zu 1,6 Milliarden Kubikmeter möglich. 

Als temporäre Ausnahme vom eigentlich angestrebten grünen Wandel will Italien für 12 bis 24 Monate Kohlekraftwerke einsetzen und so eine weitere 1 Milliarde Kubikmeter Gas ersetzen. 

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