Branche kompakt | Kanada | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Kanadas Chemieindustrie deckt die Petro- und Basischemie sowie die gesamte nachfolgende industrielle Wertschöpfung ab. Wichtige Chemiezentren sind Ontario, Québec und Alberta.
12.03.2024
Von Heiko Steinacher | Toronto
Kanadas Chemiesektor ist vielfältig. Die wichtigsten Segmente sind die Grundchemie und die Herstellung von Pharmazeutika: Sie vereinen zusammen rund die Hälfte der Chemieproduktion des nordamerikanischen Landes auf sich. Berechnet nach Umsatz ist Kanadas Pharmaziemarkt der achtstärkste der Welt. Darüber hinaus umfasst Kanadas Chemiesektor unter anderem Agrarchemikalien, Kunstharze, Klebstoffe, Farben und Lacke sowie Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel. Zu den wichtigsten organischen Chemikalien zählen Methanol und Fettsäuren.
Die Chemieindustrie in Kanada glänzt mit hohen Wertschöpfungsanteilen. Etwa 40 Prozent der Erlöse stammen aus kanadischer Wertschöpfung, analysiert der Branchenverband CIAC.
Branche zählt zu den bedeutendsten Industriezweigen des Landes
Grundchemikalien sind, gemessen am Umsatz, das mit Abstand größte Segment der Branche. Sie haben nach dem Ausbruch der Coronapandemie zunächst an Bedeutung verloren, seit 2021 aber wieder zu alter Umsatzstärke zurückgefunden.
Insgesamt trägt die chemische Industrie in Kanada etwa 18,5 Milliarden US$ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und gehört mit einem Anteil von gut 11 Prozent am BIP des verarbeitenden Gewerbes zu den bedeutendsten Industriezweigen des Landes.
Warengruppe (NAICS-Code) ¹⁾ | 2022 ²⁾ | Veränderung 2022/2021 ³⁾ |
---|---|---|
Chemische Erzeugnisse (325) | 55,0 | 12,7 |
Basischemikalien (3251) | 16,9 | 17,4 |
Petrochemische Erzeugnisse (32511) | 5,8 | 8,0 |
Kunstharze und -gummi (3252) | 9,3 | -0,5 |
Agrarchemikalien (3253) | 6,9 | 32,5 |
Arzneimittel (3254) | 9,8 | 7,1 |
Sonstige chemische Erzeugnisse (3259) | 5,2 | 15,2 |
Kunststoff- und Gummierzeugnisse (326) | 30,7 | 16,4 |
Kunststofferzeugnisse (3261) | 26,2 | 16,3 |
Gummierzeugnisse (3262) | 4,4 | 17,0 |
Laut Statistics Canada gab es im Jahr 2022 über 2.160 Unternehmen in der chemischen Industrie (gezählt werden nur Unternehmen, die Angestellte haben). Gemessen an der Marktkapitalisierung war Nutrien im Jahr 2022 das mit Abstand größte der Chemieunternehmen mit Hauptsitz in Kanada. Der in Saskatchewan ansässige Konzern ist weltweit führend in der Produktion von Pflanzenschutzmitteln, einschließlich Stickstoff, Phosphat und Kali. Ein weiterer wichtiger heimischer Akteur ist Methanex: Das Unternehmen mit Sitz in Vancouver ist weltweiter Marktführer in der Herstellung von Methanol, seine Produkte werden in zahlreichen Branchen eingesetzt, darunter Bau, Energie und Textilien.
Multinationale Konzerne dominieren das Geschehen
Grundsätzlich wird Kanadas Chemieindustrie aber von multinationalen Konzernen dominiert. Über regionale Niederlassungen und Produktionen bearbeiten Chemie- und Pharmakonzerne wie DowChemical, Imperial Oil, Shell Chemical, BASF, Akzo Nobel oder Pfizer, Roche und Dupont den kanadischen Markt. Industriechemikalien sowie die Petrochemie sind wichtige Sparten, in denen auch lokale Firmen wie Nova Chemicals, Petro Canada und Arclin eine Rolle spielen.
Der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant gab im Oktober bekannt, den kanadischen Hersteller von Kosmetik- und Körperpflege-Inhaltsstoffen Lucas Meyer Cosmetics für rund 810 Millionen US$ zu übernehmen. Die Transaktion soll im 1. Quartal 2024 abgeschlossen werden. Lucas Meyer Cosmetics hat seinen Hauptsitz in Québec und verfügt über eigene Forschungs- und Entwicklungs- sowie regionale Anwendungszentren.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 *) |
---|---|---|
Shell Plc. | Petrochemie | 381,3 |
BASF Group | Chemikalien, Kunststoffe, Agrarchemikalien | 87,3 |
Dow Chemical Company | Chemikalien, Kunststoffe | 56,9 |
Nutrien Ltd. | Agrarchemikalien, Düngemittel | 37,9 |
EcoSynthetix Ltd. | Biopolymere | 19,0 |
Dupont de Nemours Inc. | Chemikalien | 13,0 |
Nova Chemicals Corp. | Petrochemie | 4,5 |
Methanex Corp. | Methanol | 4,3 |
40 Prozent der Chemieproduktion entfallen auf Ontario
Etwa zwei Drittel der kanadischen Chemiefirmen sind in den beiden Provinzen Ontario und Québec angesiedelt, der Rest in Alberta und British Columbia im Westen des Landes. In Ontario sind neun der 15 größten Chemieunternehmen der Welt ansässig. Darunter sind viele internationale Pharmakonzerne wie AstraZeneca, Bayer Healthcare, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Merck, Novartis, Pfizer, Roche und Sanofi. Aufgrund der vorhandenen hochklassigen Forschungskrankenhäuser, guter Fachkräfte und des einfachen Zugangs zu klinischen Versuchen führen sie unter anderem dort klinische Tests durch.
Ontario vereint gut 40 Prozent der kanadischen Chemieproduktion auf sich – gefolgt von Alberta (25 Prozent) und Québec (16 Prozent) – und deckt die gesamte Wertschöpfungskette des Sektors ab: von Industriechemikalien und Kunstharzen über Düngemittel und raffinierte Erdölprodukte bis hin zur industriellen Biotechnologie. Die wichtigsten Hubs verteilen sich auf drei Regionen: Sarnia-Lambton, die Metropolregion Toronto und Niagara/Ost-Ontario.
Im Raum Edmonton/Calgary, Alberta, hat sich auf der Basis von Erdöl- und Kohlevorkommen ein weiterer größerer Standort der chemischen Industrie entwickelt. Nach Angaben der Provinzbehörden erwirtschaftet die Petrochemie in Alberta einen Jahresumsatz von rund 12 Milliarden US$. Im Jahr 2022 ging in der Nähe von Edmonton ein neuer Propylen- und Polypropylen-Komplex des Konzerns Inter Pipeline in Betrieb.
Ein weiteres wichtiges Chemiezentrum des Landes bildet die Provinz Québec. Schwerpunkte dort liegen auf der Erzeugung anorganischer Grundstoffe und Chemikalien, petrochemischen Produkten sowie einigen Spezialchemikalien.