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Recyclingboom in Kanada: Wo ist deutsche Technik gefragt?

Von Batteriemetallen bis Biomasse: Kanadas Kreislaufwirtschaft wächst rasant. Deutsche Anbieter können mit Technologie und Know-how punkten.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Kanada investiert massiv in Recyclingzentren und innovative Verfahren. Es ist ein Markt mit vielen Chancen für deutsche Unternehmen. Besonders gefragt sind Technologien für Sortierung, Sensorik, Automatisierung und digitale Plattformen. Dabei rücken neben Batteriematerialien auch andere Wertstoffe wie Bau- und Kunststoffabfälle sowie Papier stärker in den Fokus.

Zulieferpotenzial bei neuen Recyclingzentren

Die besten Geschäftsmöglichkeiten liegen in der Industrie. Kanada treibt den Aufbau von Recyclingkapazitäten für kritische Rohstoffe, Kunststoffe und Bauabfälle voran – mit Projekten, die hohe Anforderungen an Technik und Know-how stellen. So investieren Ontario und Québec massiv in Recyclingzentren für seltene Erden und Batteriemetalle:

  • Ucore Rare Metals errichtet in Kingston (Provinz Ontario) eine Anlage zur Trennung seltener Erden, die unter anderem die Firma Vacuumschmelze in Hanau mit hochreinen Oxiden beliefern soll.
  • Ein deutsch-kanadisches Konsortium (PH7 Technologies, York University, Fraunhofer IST, TU Braunschweig, H.C. Starck Tungsten) entwickelt ein KI-gestütztes Verfahren zur Rückgewinnung von Batteriemetallen – in Toronto (Ontario), wo viele Partner ansässig sind, und in Goslar (mit Bezug auf Starck).
  • Lithion Technologies betreibt in Saint-Bruno-de-Montarville (Provinz Québec) eine Anlage, die mit einem hydrometallurgischen Verfahren bis zu 98Prozent kritischer Mineralien zurückgewinnt; dies eröffnet Zulieferchancen für Spezialmaschinenbau, Sensorik, Automatisierung und Software zur Prozesssteuerung.

Neben Batteriemetallen gewinnt die Rückführung von Eisen- und Nichteisenmetallen an Bedeutung. Der kanadische Konzern AIM Recycling betreibt im Land über 135 Standorte und verarbeitet Metalle in großem Maßstab. Green Metals Canada Inc. fokussiert sich auf Aluminium- und Stahlrecycling mit hohen Standards für Prozesssicherheit und Umweltschutz. Gefragt sind hochpräzise Sensor- und Sortiertechnik, Schmelzöfen sowie Industrie‑4.0‑Automatisierungslösungen.

Industrielles Recycling reicht von Metallen bis Biomasse

🏗  Die Bauindustrie ist ein weiterer Schlüsselbereich für Kreislaufwirtschaft:

  • Heidelberg Materials betreibt in Calgary (Alberta) eine Anlage für recycelte Zuschlagstoffe und mobiles Abbruchgeschäft
  • Ebenfalls in Calgary entwickelt Carbon Upcycling Technologies CO₂-sequestrierende Verfahren für Beton, um Emissionen zu senken und Materialien wiederzuverwenden

💡Gefragt sind Lösungen für Brechertechnik im Abbruchbereich sowie CO₂-Minderung und digitale Plattformen zur Materialverfolgung – sowohl für innovative Betonverfahren als auch für klassische Recyclingprozesse.

  Im Kunststoffbereich kommen zunehmend chemische Recyclingverfahren zum Einsatz:

  • Aduro Clean Technologies entwickelt in Sarnia, einem wichtigen Chemie-Cluster in Ontario, ein hydro-chemolytisches Verfahren, das Kunststoffe in Chemikalien und Kraftstoffe zerlegt
  • EFS-plastics (Listowel, Ontario, und Lethbridge, Alberta) setzt auf Recyclinglösungen für Polyolefine und optimiert seine Prozesse durch Automatisierung und digitale Überwachung

💡 Gefragt sind modulare Reaktoren, präzise Prozesssteuerung und Sensorik für Echtzeitüberwachung von Temperatur, Druck und chemischen Parametern.

📄 Auch die Papierbranche setzt auf Kreislaufwirtschaft:

  • Kruger Inc. (Trois-Rivières, Québec) investiert 11,4Millionen US-Dollar in ein neues Recyclingzentrum für Papier und Karton, welches das benachbarte Containerboard-Werk mit recyceltem Material versorgt.

💡 Gefragt sind Sortier- und Lagertechnik sowie Transportlösungen für Wertstofflogistik.

🔥 Die energetische Nutzung von Reststoffen wird vorangetrieben:

  • CanmetENERGY (Ottawa, Ontario) betreibt Pilotanlagen für thermochemische Umwandlung wie Pyrolyse und Vergasung von Holzreststoffen
  • Greenfield Global (Edmonton, Alberta) entwickelt Projekte für nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) und Biodiesel aus Forstabfällen – unterstützt durch Regierungsprogramme

💡 Gefragt sind Reaktorbau für Pyrolyse, Prozessleitsysteme, Emissionssensorik und dezentrale Biomasseanlagen.

Bemerkenswert verläuft die Transformation zur Kreislaufwirtschaft auch in Provinzen und Kommunen. Da ein landesweit verbindlicher Rechtsrahmen fehlt, liegt die Zuständigkeit bei den Provinzen. Zahlreiche Initiativen entstehen, von kommunalen Reparaturzentren über industrielle Recyclinganlagen bis hin zu innovativen Verfahren im Kunststoffbereich.

Provinzen verfolgen unterschiedliche Wege zur Kreislaufwirtschaft

Besonders aktiv sind die Provinzen Québec, Ontario, Alberta und British Columbia. Sie verfolgen dabei unterschiedliche Ansätze. Québec setzt auf die Förderung von Start-ups und Forschung zur Kreislaufwirtschaft, etwa über Plattformen wie Québec Circulaire und regionale Hubs wie dem in Laval, der Wissenstransfer und Pilotprojekte unterstützt. Die Provinz verfolgt eine Roadmap bis 2028, um Unternehmen beim Übergang zu zirkulären Geschäftsmodellen zu begleiten.

Ontario wiederum nutzt den regulatorischen Hebel: Ab 2026 gilt dort die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR). Produzenten müssen künftig die volle Verantwortung für Sammlung und Recycling übernehmen, was die Kosten von den Kommunen auf die Industrie verlagert und höhere Recyclingquoten erzwingen soll. Das schafft Investitionsbedarf in Sortier- und Recyclingtechnik, Digitalisierungslösungen für Stoffströme sowie Beratung zur Prozessoptimierung.

British Columbia gilt mit einer Abfallvermeidungsquote von rund 65Prozent als Vorreiter. Die Provinz war in Kanada die erste mit einem umfassenden EPR-System und sie verfolgt ehrgeizige Zero-Waste-Ziele. Programme wie der Circular Economy Accelerator begleiten Firmen bei Pilotprojekten und neuen Geschäftsmodellen. Der Großraum Vancouver entwickelt sich parallel zu einem Clean-Tech-Hub mit starker Start-up-Szene und internationalen Kooperationen – ein attraktives Umfeld für Anbieter von Recycling-Infrastruktur, Materialinnovationen und Software für Kreislaufwirtschaft.

Alberta setzt auf technologische Innovationen im Bau- sowie Kunststoffsektor und unterstützt Pilotprojekte. Die Provinz fördert Kooperationen zwischen Industrie und Forschung, etwa bei der CO₂-Abscheidung und digitalen Plattformen. Beispiele sind Carbon-Upcycling-Technologies und das von BASF initiierte reciChain-Programm: Carbon-Upcycling hat ein CO₂-sequestrierendes Verfahren für Beton entwickelt, um Emissionen zu senken und Materialien wiederzuverwenden. Neben Abscheidungstechnologien stehen dort digitale Plattformen, Anlagenbau für Recyclingprozesse und Engineering-Dienstleistungen im Fokus. Das reciChain-Programm spielt dagegen im Kunststoffbereich eine zentrale Rolle: Mithilfe von Blockchain und digitalen Marktplätzen soll die Rückverfolgbarkeit und Sortierung von Kunststoffen besser werden.

Kanadas Städte testen Abfall-Kreislaufmodelle

Auch auf kommunaler Ebene ist viel in Bewegung. Die Canadian Circular Cities and Regions Initiative (CCRI) begleitet seit 2021 rund 25 Städte und Regionen beim Aufbau zirkulärer Systeme – darunter Vancouver, Toronto, Guelph, Halifax und Edmonton. Die Maßnahmen reichen von Analysen zu Kreislaufpotenzialen über Pilotprojekte zur Wiederverwendung bis hin zu Schulungen für kommunale Entscheidungsträger. In Guelph etwa entsteht ein Kreislaufsystem für Lebensmittel, das Kompostierung, Biogasanlagen und digitale Rückverfolgung kombiniert. Unterstützt wird es von FedDev Ontario, der Bundesagentur für regionale Wirtschaftsentwicklung im Süden der Provinz.

Kanadas Weg zur Kreislaufwirtschaft ist dynamisch und technologiegetrieben. Für deutsche Firmen bedeutet das: Wer frühzeitig Partnerschaften aufbaut und innovative Lösungen anbietet, kann sich in einem wachsenden Markt positionieren. Er reicht von Sensorik über Anlagenbau bis hin zu digitalen Plattformen. Die Dynamik liegt vor allem in der Projektpipeline. Die Mengen verwerteter Materialien spiegeln dagegen bisher nur moderate Fortschritte wider.

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