Branche kompakt | Kasachstan | Landwirtschaft
Branchenstruktur
Die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft hat in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Kasachstan kommt im Agrarsektor selten ohne Zulieferungen aus dem Ausland aus.
07.05.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Die Rolle des Agrarsektors für Kasachstans Wirtschaft hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark gewandelt. Noch Anfang der 1990er Jahre hatte er als einer der prägenden Wirtschaftszweige des jungen, unabhängigen Kasachstans einen Beitrag von etwa einem Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf sich vereinigt. In der Folgezeit nahm vor allem der Rohstoffsektor rasant an Bedeutung zu, weshalb zehn Jahre später nur noch rund 8 Prozent der Bruttowertschöpfung auf die Landwirtschaft entfielen.
Mittlerweile hat sich der Beitrag zum BIP auf 3,9 Prozent nochmals halbiert. Immerhin: Das Allzeittief von 3,8 Prozent im Jahr 2023 scheint damit überwunden. Im Jahr 2024 ist der Agrarsektor real um 13,7 Prozent gewachsen und erzielte damit das höchste Wachstum unter allen Wirtschaftsbereichen im Land. Für den Arbeitsmarkt ist die Landwirtschaft weiter ein wichtiger Faktor. Die Anzahl der Beschäftigten hat sich in den letzten Jahren bei etwa über einer Million eingependelt. Im Jahr 2024 entsprach das 11,2 Prozent aller Erwerbstätigen in Kasachstan.
Auch für einige Regionen spielt die Landwirtschaft eine überdurchschnittlich bedeutende Rolle: In sieben der insgesamt 17 Gebiete übertraf ihr Beitrag zum jeweiligen regionalen BIP 2023 die Marke von 10 Prozent. Am höchsten fiel er in den Gebieten Nordkasachstan und Turkestan mit 21,6 Prozent und 17,1 Prozent aus. Weitere wichtige Agrarregionen sind Schettisu im Südosten, Akmola im Zentrum und Schambyl im Süden des Landes.
Kennziffer | 2024 |
---|---|
Einwohner (Mio.) | 20,3 |
Ackerfläche (Mio. ha) | 23,3 |
Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (%) | 3,9 |
Exporte Agrargüter (Mrd. US$) | 5,1 |
Weizen dominiert als Getreidekultur
In der Pflanzenproduktion, auf die 2023 etwa 60 Prozent des wertmäßigen Ausstoßes der Landwirtschaft entfielen, dominiert der Anbau von Getreidekulturen. Auf ihr Konto gingen knapp 74 Prozent aller für den Ackerbau genutzten Flächen. Dabei überwiegt der Anbau von Weizen und Gerste. Für Ölsaaten, darunter vor allem Lein und Sonnenblumen, sowie Gemüse und Knollen wurden 12 Prozent und knapp 2 Prozent der Ackerflächen genutzt. Das Gros der für Ackerbau genutzten Flächen wird in Kasachstan durch größere Agrarunternehmen bewirtschaftet.
Private Hof- oder Nebenwirtschaften beschäftigen sich demgegenüber kaum mit Ackerbau. Als ihre Domäne gilt die Tierproduktion. Etwa 90 Prozent der Rinder, Schafe und Ziegen werden von Haushalten und kleinen Farmbetrieben gehalten. Größere Agrarunternehmen sind stark vertreten bei der Haltung von Hühnern und Schweinen, wo sie 2024 Anteile von 80 und 50 Prozent hatten.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2023 |
---|---|---|
Aitas KZ | Geflügelproduktion und -verarbeitung | 276,3 |
AlemAgro | Saatgut, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel | 135,7 |
Olzha Agro | Pflanzenbau, Viehzucht, Lagerung und Export von Getreide und Ölsaaten | 121,9 |
Alel Agro | Geflügelproduktion und Futtermittelherstellung | 99,3 |
Atameken Agro | Pflanzenbau, Viehzucht, Saatgutproduktion, Lagerung und Verarbeitung von Getreide | 97,2 |
Geschäftschancen in der Verarbeitung von Lebensmitteln
In den nächsten Jahren werden weitere Cluster in Schwerpunktbereichen etabliert. Große landwirtschaftliche Betriebe werden daher zunehmend an Bedeutung gewinnen. Da der Fokus auf Wertschöpfungsketten liegt, können sich ausländische Akteure als Lieferanten von Technik und Ausrüstungen sowie mit ihrem landwirtschaftlichen Know-how einbringen. Der Regierungsplan für die Lebensmittelindustrie im Zeitraum 2024 bis 2028 sieht vor, den Anteil der verarbeiteten Nahrungsmittel von 40 auf 70 Prozent zu erhöhen. Milch-, Getreide- und Fleischverarbeitung bieten das größte Potenzial.
Das haben auch internationale Investoren erkannt. Die ausländischen Direktinvestitionen in die Lebensmittelindustrie erreichten mit über einer halben Milliarde US$ im Jahr 2023 einen Rekordwert und übertrafen das Vorjahresergebnis fast um das Dreifache. Beim Anbau von Pflanzen und der Viehwirtschaft spielen Anleger aus dem Ausland hingegen keine Rolle, da sie kein Land erwerben können. Die jährlichen ausländischen Direktinvestitionen überstiegen in den vergangenen Jahren nie die Marke von 50 Millionen US$. Im Jahr 2023 betrug der Anteil der Branche an der verarbeitenden Industrie in Kasachstan 14,4 Prozent und hat noch Luft nach oben.
Produktivität in der Landwirtschaft ist noch sehr gering
Der durchschnittliche jährliche Verschleiß bei Landmaschinen liegt in Kasachstan bei 80 Prozent, die jährliche Erneuerung bei rund fünf Prozent. Verschiedene Studien, darunter von der Kazakh National Agrarian Research University, sehen das als einen der Hauptgründe für die geringe Produktivität in der kasachischen Landwirtschaft. Zwar hat sich diese laut Angaben der Regierung in den letzten fünf Jahren verdoppelt, doch sie beträgt weiterhin nur einen Bruchteil des Wertes anderer Agrarnationen. Experten empfehlen daher, jährlich zehn Prozent des Maschinenparks zu modernisieren. Finanzielle Anreize beim Kauf von Landmaschinen bereiten dafür den Boden.
Kasachstan bei Landtechnik auf Importe angewiesen
Trotz der Bestrebungen, die Versorgung der Agrarproduzenten mit verschiedenen Vorleistungen oder Ausrüstungen stärker als bisher eigenständig zu bestreiten, fielen die Importe zuletzt höher als je zuvor aus. Neben verschiedenen Landmaschinen und Zuchttieren wird häufig auch ausgewähltes Saatgut im Ausland beschafft. Bei Kali- und Phosphatdünger kann der Bedarf überwiegend selbst gedeckt werden. Stickstoffhaltiger Dünger wird zu über 50 Prozent importiert, vorwiegend aus Russland.
Sparte | 2023 | 2024 | Veränderung 2024/2023 (in Prozent) |
---|---|---|---|
Traktoren (Stückzahl) | 5.344 | 6.421 | 20,2 |
Mähdrescher (Stückzahl) | 1.036 | 1.104 | 6,6 |
Phosphatdünger (Tonnen) | 14.987 | 22.041 | 47,1 |
Stickstoffdünger (Tonnen) | 345.467 | 390.110 | 12,9 |
Saatgut (Tonnen) | 1.202.894 | 1.406.791 | 17,0 |
Laut dem staatlichen Thinktank Qazindustry bauen in Kasachstan mehr als 30 Unternehmen Landmaschinen aller Art. Um den Marktanteil heimischer Landtechnik zu stärken, hat die kasachische Regierung 2020 eine Entsorgungsabgabe für Landmaschinen eingeführt, die vor allem importierte Ausrüstung teurer macht. Beim Kauf von lokal gefertigten Maschinen wird der durch die Entsorgungsabgabe verursachte Preisaufschlag durch spezielle Kaufprämien, die nur für diese Maschinen gelten, ausgeglichen. Zudem wurden 2024 die Subventionsrichtlinien zugunsten von lokalen Produzenten verschärft.
Das und das aktive Werben der Regierung um ausländische Investoren zeigt Wirkung: Namhafte Branchenriesen montieren bereits Traktoren und Mähdrescher in Kasachstan, darunter das deutsche Unternehmen Claas. Im Lokalisierungszentrum Agromashholding in Qostanai wird zudem bald Ausrüstung der Marken John Deere und Amazone zusammengeschraubt. Der Lokalisierungsgrad soll schrittweise erhöht werden.