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Wirtschaftsumfeld | Lettland | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Lettland kämpft mit dem Fachkräftemangel. Experten sehen jedoch weiterhin Möglichkeiten, Arbeitskräfte zu finden und geben Tipps für Arbeitgeber.

Von Niklas Becker | Riga

Die Suche nach Fachkräften in Lettland bleibt eine Herausforderung. In den kommenden Jahren dürfte sich das Problem weiter verschärfen. Prognosen der lettischen Arbeitsagentur vom Frühjahr 2022 zufolge wird der Bedarf an Mitarbeitenden bis 2030 stetig steigen. In der Vergangenheit hat vor allem die Abwanderung den Arbeitskräftemangel verschärft. Zwar geht die Zahl der Auswanderer zurück. Jedoch verlassen weiterhin mehr Personen das Land, als dass neue einwandern. So kehrten 2020 fast 12.000 Personen Lettland den Rücken zu. Rund 9.000 sind in das Land gezogen. 

Auch deutsche Firmen betroffen

Die Herausforderungen des lettischen Arbeitsmarktes stellen auch deutsche Unternehmen vor Probleme. Das zeigt eine Umfrage der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK Baltikum) vom April 2022: Bei den befragten deutschen Investoren in Lettland landete der Standortfaktor "Verfügbarkeit von Fachkräften" auf dem letzten Platz. Zugleich ist es der Faktor, der sich im Jahresvergleich am deutlichsten verschlechtert hat. 

"Der Fachkräftemangel in Lettland kann durchaus eine Herausforderung sein", berichtet Māris Balčūns, Büroleiter Lettland bei der AHK Baltikum. Er rät deutschen Investoren deshalb, sich moderate Ziele bei den Mitarbeiterzahlen zu stecken, da Fachkräfte unter Umständen nicht immer schnell gefunden werden können.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten

Bevölkerung (2021 in Mio.)

1,9

Erwerbspersonen (15 bis 64 Jahre, 2021 in Mio.)

0,9

Arbeitslosenquote, offizielle (November 2022 in %, nach ILO-Definition)

7,2

Analphabetenquote (2021 in %)

0

Universitätsabschluss (2021 in %) *)

34,2

* Anteil der 15 bis 64-jährigen Bevölkerung mit einem tertiären BildungsabschlussQuelle: Weltbank 2023; Eurostat 2023

"Ja, es gibt einen Fachkräftemangel in Lettland. Wie schwer es ist, neue Mitarbeiter zu finden, hängt jedoch stark von der Position ab", erklärt Olga Lukša, Head of q.beyond in Riga. Die lettische Niederlassung des deutschen IT-Unternehmens fungiert als Nearshoring Centre für das Mutterhaus. "Spezialisten der mittleren Erfahrungsstufe sind nicht einfach zu finden, aber es ist nicht unmöglich", sagt Ieva Muceniece, HR & IT Recruitment Manager bei q.beyond. Aufgrund der abkühlenden Wirtschaft in Europa sei es derzeit etwas einfacher, neue Beschäftigte in Lettland zu finden. Schwieriger wird es bei sehr spezialisierten Jobanforderungen. Hier kann die Suche länger dauern.  

"Es lassen sich weiterhin Arbeitskräfte finden"

Auch nach Einschätzung von Aivis Brodins, Business Manager Latvia bei CV-Online, ist es möglich, Arbeitskräfte in Lettland zu finden. Der Prozess könnte jedoch länger dauern. Es gebe sowohl regionale als auch sektorale Unterschiede. In der Hauptstadtregion besteht ein deutlich höheres Defizit als beispielsweise im Osten des Landes. Die meisten Stellenanzeigen auf den Seiten von CV-Online gab es Ende 2022 für IT-Spezialisten, Vertriebskräfte sowie im Service. 

Der Personaldienstleister Amrop veranschlagt fünf bis sechs Wochen für die Personalsuche. Hinzu kommt die einmonatige Kündigungsfrist. Bei besonders hohen Anforderungen oder bei Führungspositionen verlängert sich die Suche unter Umständen. "Geeignete Kandidaten für Führungspositionen oder Spezialisten finden wir nicht nur in Lettland, sondern auch international wie beispielsweise in Estland, Litauen oder Polen", sagt Viesturs Liegis, geschäftsführender Partner bei Amrop. "Lettisch- oder englischsprachige Führungskräfte zu finden, ist kein Problem. Auch Russisch ist in Riga verbreitet. Wer aber deutschsprachiges Personal sucht, muss mehr Zeit einplanen."

Hohe Fluktuation 

Häufige Jobwechsel sind in Lettland nicht ungewöhnlich. Liegis erklärt dies mit der Tatsache, dass lettische Unternehmen in der Regel kleiner sind und die Angestellten so schnell keine weiteren Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb haben. "Es ist normal, dass Spezialisten nach drei bis fünf Jahren ihre Stelle wechseln", ergänzt der Experte. Höhere Löhne und mehr Flexibilität sind die häufigsten Gründe für einen Jobwechsel.

Wer seine Beschäftigten länger halten will, sollte dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden eine große Bedeutung zukommen lassen. Auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, ist sehr wichtig. Dabei ist es besonders in der IT-Branche üblich, dass Beschäftigte Vollzeit von zu Hause arbeiten wollen. Aufstiegsmöglichkeiten und regelmäßige Gehaltserhöhungen sind ebenfalls wichtig, um Mitarbeitende zu halten. Auch der Managementstil des Arbeitgebers hat für Letten eine große Bedeutung. 

Vorarbeit ist nötig

"Wichtig ist eine gute Marktrecherche: Welche Gehälter sind üblich in meiner Branche? Welche Gehaltszusatzleistungen bieten Mitbewerber?", sagt Muceniece von q.beyond und ergänzt: "Besonders wenn das Unternehmen bisher unbekannt ist in Lettland, spielt das Gehalt eine ganz große Rolle." Q.beyond hat es in Lettland bisher geschafft, häufige Jobwechsel der Mitarbeitenden zu vermeiden.

Ein möglicher Schlüssel zum Erfolg sind die vierteljährlichen Befragungen der Belegschaft des Unternehmens und entsprechende regelmäßige Anpassungen der Gehälter basierend auf den Leistungen der Angestellten sowie der Lohnzusatzleistungen. "Es ist wichtig, ein offenes Ohr für die Belange der Arbeitnehmenden zu haben", sagt Lukša. Sie empfiehlt, beim Markteintritt einen für Lettland maßgeschneiderten Zugang zu wählen, auch wenn dieser von Entgelt- und Beschäftigungsstrukturen im Mutterhaus abweichen könnte. 

Bei der Rekrutierung von neuen Angestellten spielt das Unternehmens-Branding eine große Rolle. Gut für deutsche Firmen: Für Letten ist es weiterhin sehr attraktiv, für internationale Betriebe zu arbeiten. Vor allem bei der jüngeren Generation spielt diese Frage jedoch eine zunehmend kleinere Rolle. Stattdessen rückt das Produkt und das lokale Image des Arbeitgebers in den Mittelpunkt. 

Berufsbildung ist ausbaufähig

Verbesserungsbedarf gibt es in Lettland sowohl bei der Hochschulbildung als auch der Berufsausbildung. Wie Wirtschaftsvertreter berichten, läuft die Ausbildung zum Teil an den Bedürfnissen der Firmen vorbei. Die Universitätsbildung sei stellenweise veraltet. Gewerkschaften spielen in Lettland keine große Rolle. Zuletzt gestreikt wurde 2017.

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