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Fachkräfte
Bulgariens Arbeitsmarkt offenbart strukturelle Schwächen. Der Mangel an Fachkräften steigt. Unternehmen versuchen, mit Weiterbildungen entgegenzuwirken.
18.07.2024
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Der Arbeitsmarkt in Bulgarien bleibt weiterhin angespannt. Dies liege aber nicht an der höheren Nachfrage der Unternehmen nach Personal, sondern an strukturellen Problemen, berichtet der bulgarische Arbeitgeberverband. Das Land spürt zunehmend den demografischen Wandel.
"Es gibt zu viele Erwerbstätige im mittleren Alter, die ohne Jobs dastehen", sagt die Präsidentin des bulgarischen Arbeitgeberverbandes Nadya Vassileva im Gespräch mit Germany Trade & Invest. Zudem sei die Jugendarbeitslosigkeit in Bulgarien sehr hoch, erläutert sie. "Wir müssen hier dringend handeln und passende Weiterbildungsangebote nicht nur für die arbeitslosen Jugendlichen schaffen, sondern auch für die älteren Jahrgänge", so Vassileva.
Gleichzeitig fehlen den Unternehmen Fachkräfte, die digitale Kompetenzen mitbringen. Gerade in der digitalen Wirtschaft ist der Bedarf an Personal sehr hoch. Mittelfristig wird die Nachfrage nach mittel- bis hochqualifiziertem Personal in Bulgarien steigen.
Fachkräfte dringend gesucht
Laut der bulgarischen Agentur für Beschäftigung fehlen der dortigen Unternehmen rund 150.000 Menschen mit berufsvorbereitender Schulausbildung. Weitere 46.000 Menschen mit einem Hochschulabschluss oder einer zertifizierten Ausbildung werden gesucht, etwa Pflegepersonal, ärztliches Fachpersonal oder Lehrkräfte.
Im Niedriglohnsektor benötige Bulgarien mehr Zuwanderung von Arbeitskräften außerhalb der EU, erklärt die Agentur für Beschäftigung. Allerdings ist es für Unternehmen kompliziert, Arbeitskräfte aus Drittstaaten anzuwerben, weil der bürokratische Aufwand sehr hoch ist. Dennoch stellen Arbeitgeber zunehmend niedrigqualifiziertes Personal ein, das aus Indien, Sri Lanka oder Zentralasien nach Bulgarien kommt.
Generell sei es laut der bulgarischen Beschäftigungsagentur für die Unternehmen schwieriger geworden, geeignete Fachkräfte zu finden. Der alternden Gesellschaft in Bulgarien steht ein zu geringes Angebot an Aus- und Weiterbildung von Fachkräften gegenüber.
Braindrain aus Bulgarien wird weitergehen
Zudem wandern junge Menschen ins westeuropäische Ausland ab. Besonders hoch qualifizierte Fachkräfte verließen das Land in Richtung Westeuropa, sagt Nadya Vassileva. Dieser Trend wird weitergehen, solange gute ausgebildete Fachkräfte in Westeuropa eine bessere Ausbildungsperspektive, ein besseres Gesundheitssystem und höhere Löhne finden.
In der verarbeitenden Industrie planen die meisten Arbeitgeber, Personal durch Automatisierung zu ersetzen oder Rationalisierungsmaßnahmen umzusetzen. Im Jahr 2024 werde die Arbeitslosenquote voraussichtlich steigen, von 4,3 auf 5 Prozent, schätzt die bulgarische Arbeitsvermittlungsagentur. Freigestellte Arbeitnehmer können dafür neue Jobs im Dienstleistungssektor finden.
Bevölkerung (in Mio.) 1) | 6,7 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.) | 4 |
Erwerbstätige (in Mio.) | 3 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) | 4,3 |
Analphabetenquote (in %) | 1,6 |
Universitätsabschluss (in %) 2) | 18,5 |
Unternehmen setzen auf Weiterbildung
Den größten Bedarf an Fachkräften gibt es in der Logistik- und Transportbranche, der Gastronomie und der IT-Branche. Firmen bieten hier Weiterbildungen oder zum Teil höhere Gehälter an. Insbesondere deutsche Unternehmen versuchen das Fachkräfteproblem mit innerbetrieblicher Ausbildung selbst zu lösen. Auch die AHK Bulgarien integriert Elemente aus dem deutschen dualen Berufsausbildungssystem im Land. Deutschen Unternehmen kommt zugute, dass viele bulgarische Fachkräfte neben Englisch auch Deutsch sprechen.
Schulen und Universitäten bieten Ausbildung in deutscher Sprache an
In Bulgarien bieten 32 Schulen ein deutsches Sprachdiplom an. Zusätzlich gibt es in Sofia eine deutsche Schule mit aus Deutschland entsandten Lehrkräften, die ein deutsches internationales Abitur anbietet. An Universitäten in Sofia gibt es deutschsprachige Studiengänge, darunter an der Technische Universität Sofia, der Universität für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie sowie der Universität für Chemische Technologie und Metallurgie.
Fünf bulgarisch-deutsche Berufsbildungszentren bieten Qualifizierungsmöglichkeiten für junge Menschen ab 16 Jahren an. Diese stehen auch arbeitslosen und beschäftigten Erwachsenen auf Basis ihrer Spezialisierung offen. Die Berufsbildungszentren besitzen eine Lizenz der Nationalen Agentur für berufliche Aus- und Weiterbildung.
Bulgarien im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |