Wirtschaftsumfeld | Bulgarien | Fachkräfte
Fachkräfte
Bulgariens Arbeitsmarkt offenbart strukturelle Schwächen. Der Mangel an Fachkräften steigt. Unternehmen versuchen, mit Weiterbildungen entgegenzuwirken.
01.08.2025
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Der bulgarische Arbeitsmarkt offenbart zunehmend strukturelle Probleme: Die Anzahl der offenen Stellen steigt. Aber Unternehmern fällt es zunehmend schwer, geeignet qualifiziertes Personal zu finden.
Dies liegt einerseits am demografischen Wandel. Die bulgarische arbeitsfähige Bevölkerung schrumpft weiter und wird älter, während die Geburtenraten erheblich sinken. Das Nationale Statistikinstitut prognostiziert bis 2030 einen Rückgang der Bevölkerung um rund 500.000 Menschen, davon rund 450.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter, die fehlen werden.
Anderseits verringern Bildungslücken unter den Erwerbspersonen das Angebot an geeignetem Personal auf dem Arbeitsmarkt. Den Unternehmen fehlen besonders Fachkräfte, die digitale Kompetenzen mitbringen. Gerade in der digitalen Wirtschaft ist der Bedarf an Personal sehr hoch.
Die Bevölkerung schrumpft und es fehlt an Bildungsangeboten
Mittelfristig wird die Nachfrage nach mittel- bis hochqualifiziertem Personal in Bulgarien steigen. Um mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, bietet die bulgarische Regierung Unternehmen Subventionen an, wenn sie arbeitslose Erwerbspersonen einstellen. Dafür stehen im Haushaltsjahr 2025 rund 88 Millionen Euro bereit.
Nur die Beschäftigung zu fördern, reicht jedoch nicht, stellt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer Studie über die Entwicklung des bulgarischen Arbeitsmarkts vom 28. April 2025 fest: Bulgariens Arbeitsmarkt könne sich nur weiterentwickeln, wenn die Politik verstärkt die Weiterbildung von Erwachsenen, Ausbildungsprogramme und Umschulungen von Arbeitskräften fördere. Der alternden Gesellschaft in Bulgarien steht ein zu geringes Angebot an Aus- und Weiterbildung von Fachkräften gegenüber. Mehr Angebote an Bildung und Weiterbildung benötigen in Bulgarien nicht nur junge Menschen:
"Einerseits beobachten wir Personen, die ab ihrem mittleren Alter ohne Jobs dastehen", sagt die Präsidentin des bulgarischen Arbeitgeberverbandes Nadya Vassileva im Gespräch mit Germany Trade & Invest. Andererseits sei die Jugendarbeitslosigkeit in Bulgarien sehr hoch, sagt sie. "Darum benötigen wir Weiterbildungsangebote für die arbeitslosen Jugendlichen und auch für die älteren Jahrgänge", so Vassileva.
Fachkräfte dringend gesucht
Die bulgarische Agentur für Arbeitsvermittlung registrierte von Januar bis Mai 2025 rund 12.000 offene Stellen. Die meisten Jobs finden sich demnach im Dienstleistungssektor, etwa im Hotel- und Gastgewerbe. Besonders hoch ist laut der Agentur die Nachfrage nach Pflegekräften, Verkaufspersonal, Fachkräfte in Handwerksberufen, Maschinenbedienende sowie Verwaltungsfachkräften. Dem gegenüber stehen laut der Agentur rund 144.000 Erwerbspersonen, die arbeitslos gemeldet sind.
Im Niedriglohnsektor benötige Bulgarien mehr Zuwanderung von Arbeitskräften von außerhalb der EU, erklärt die Agentur für Beschäftigung. Allerdings ist es für Unternehmen kompliziert, Arbeitskräfte aus Drittstaaten anzuwerben, weil der bürokratische Aufwand sehr hoch ist. Dennoch stellen Arbeitgeber zunehmend niedrigqualifiziertes Personal ein, das aus Indien, Sri Lanka oder Zentralasien nach Bulgarien kommt. Zunehmend gefragt sind Arbeitnehmende aus Usbekistan.
Das Arbeitsministerium verspricht, Anmeldeprozesse für Arbeitnehmende aus EU-Drittstaaten zu erleichtern. Ein erster Schritt ist die Reform der Arbeitsvisa für Selbstständige im IT-Business aus EU-Drittstaaten. Das neue, so genannte Digital Nomads Visa erleichtert es IT-Fachkräften aus EU-Drittstaaten, sich in Bulgarien niederzulassen.
Braindrain aus Bulgarien wird weitergehen
Zudem wandern junge Menschen ins westeuropäische Ausland ab. Besonders hoch qualifizierte Fachkräfte verließen das Land in Richtung Westeuropa, sagt Nadya Vassileva. Dieser Trend wird weitergehen, solange gute ausgebildete Fachkräfte in Westeuropa eine bessere Jobperspektive, ein besseres Gesundheitssystem und höhere Löhne erwartet.
In der verarbeitenden Industrie planen die meisten Arbeitgebende, Personal durch Automatisierung zu ersetzen oder Rationalisierungsmaßnahmen umzusetzen. Im Jahr 2026 werde die Arbeitslosenquote voraussichtlich steigen, von 5,2 auf 5,5 Prozent, schätzt die bulgarische Arbeitsvermittlungsagentur. Freigestellte Arbeitnehmende können dafür neue Jobs im Dienstleistungssektor finden.
Bevölkerung (in Mio.) 1) | 6,4 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.) | 3,8 |
Erwerbstätige (in Mio.) | 2,9 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) | 4,2 |
Analphabetenquote (in %) | 1,6 |
Universitätsabschluss (in %) 2) | 16,5 |
Unternehmen setzen auf Weiterbildung
Den größten Bedarf an Fachkräften gibt es in der Logistik- und Transportbranche, der Gastronomie und der IT-Branche. Firmen bieten hier Weiterbildungen oder zum Teil höhere Gehälter an. Insbesondere deutsche Unternehmen versuchen das Fachkräfteproblem mit innerbetrieblicher Ausbildung selbst zu lösen. Auch die AHK Bulgarien integriert Elemente aus dem deutschen dualen Berufsausbildungssystem im Land. Deutschen Unternehmen kommt zugute, dass viele bulgarische Fachkräfte neben Englisch auch Deutsch sprechen.
Schulen und Universitäten bieten Ausbildung in deutscher Sprache an
In Bulgarien bieten 32 Schulen ein deutsches Sprachdiplom an. Zusätzlich gibt es in Sofia eine deutsche Schule mit aus Deutschland entsandten Lehrkräften, die ein deutsches internationales Abitur anbietet. An Universitäten in Sofia gibt es deutschsprachige Studiengänge, darunter an der Technische Universität Sofia, der Universität für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie sowie der Universität für Chemische Technologie und Metallurgie.
Fünf bulgarisch-deutsche Berufsbildungszentren bieten Qualifizierungsmöglichkeiten für junge Menschen ab 16 Jahren an. Diese stehen auch arbeitslosen und beschäftigten Erwachsenen auf Basis ihrer Spezialisierung offen. Die Berufsbildungszentren besitzen eine Lizenz der Nationalen Agentur für berufliche Aus- und Weiterbildung.
Bulgarien im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |