Wirtschaftsumfeld | Ungarn | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Löhne und Gehälter
Trotz stark steigender Gehälter zählt Ungarn weiter zu den Niedriglohnländern in der EU. Die schwache Konjunktur könnte das Lohnwachstum künftig bremsen.
31.07.2025
Von Kirsten Grieß | Budapest
Seit 2017 steigen die Löhne und Gehälter in Ungarn kontinuierlich, auch 2024 setzte sich dieser Trend fort. Laut dem ungarischen Statistikamt (KSH) legten die nominalen Bruttolöhne im Jahresvergleich um 13,2 Prozent zu. Gleichzeitig kühlte sich die Inflation deutlich ab. Nach einem Durchschnittswert von 17,6 Prozent im Jahr 2023 lag sie 2024 nur noch bei 3,7 Prozent.
Nach Jahren der Reallohnverluste konnten Ungarns Haushalte 2024 wieder ein spürbares Plus verzeichnen. Im Schnitt stiegen die realen Einkommen um 9,2 Prozent. Doch die Erholung könnte von kurzer Dauer sein. Seit Ende 2024 zieht die Inflation wieder an und erreichte im Juni diesen Jahres 4,6 Prozent. Die Sorge vor neuerlichen Kaufkraftverlusten bleibt, weshalb Unternehmen weiterhin steigende Lohnkosten einkalkulieren müssen. Allerdings schwächte sich die Lohndynamik bereits leicht ab: Im 1. Quartal 2025 legten die Nominallöhne nur noch um 9,2 Prozent im Jahresvergleich zu.
Mindestlohn treibt Lohnentwicklung
Für die künftige Lohnentwicklung dürfte eine dreijährige Mindestlohnvereinbarung wegweisend sein, auf die sich die Tarifpartner verständigt haben. Grundlage waren Zielvorgaben der ungarischen Regierung, die in die Einigung übernommen wurden. Demnach steigt der Mindestlohn 2025 um 9 Prozent, 2026 um 13 Prozent und 2027 um 14 Prozent. Die Anpassung erfolgt jeweils zu Jahresbeginn.
Der ungarische Mindestlohn wurde am 1. Januar 2025 auf 290.800 Forint monatlich angehoben. Das entspricht etwa 720 Euro brutto für einfache Arbeiten. Sollte sich die Konjunktur deutlich schlechter entwickeln als erwartet, ist laut Vereinbarung eine Neuverhandlung möglich.
Bereits im April musste die ungarische Regierung ihre Wachstumsprognose für 2025 von 3,4 auf 2,5 Prozent senken. Unabhängige Analysten rechnen zur Jahresmitte sogar nur noch mit einem Plus von rund 1 Prozent oder weniger. Auch die ungarische Nationalbank (MNB) hat ihre Erwartungen inzwischen deutlich nach unten korrigiert und geht nur noch von 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Für die Löhne bleibt sie in ihrem jüngsten Inflationsbericht optimistischer: Im privaten Sektor sollen die Nominallöhne 2025 um 9,1 Prozent steigen. Real rechnet die MNB mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent.
Branche | Monatslohn |
---|---|
Durchschnittslohn | 1.636 |
Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei | 1.251 |
Verarbeitendes Gewerbe | 1.734 |
Strom-, Gas-, Wärme- und Kälteversorgung | 2.407 |
Wasserversorgung, Abfallwirtschaft | 1.566 |
Baugewerbe | 1.286 |
Groß und Einzelhandel, Reparatur von Kfz | 1.446 |
Transport und Lagerhaltung | 1.503 |
Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie | 1.051 |
Informations- und Kommunikationsleistungen | 2.582 |
Finanz- und Versicherungswesen | 2.702 |
Arbeitskosten steigen schneller als im EU-Schnitt
Die nominalen Arbeitskosten pro Stunde in der gewerblichen Wirtschaft lagen in Ungarn 2024 laut Eurostat bei durchschnittlich 14,10 Euro. Das ist der drittletzte Platz in der EU, vor Bulgarien und Rumänien. Nachdem Ungarn 2023 mit einem Anstieg von 17 Prozent noch den höchsten Lohnkostenzuwachs in der EU verzeichnete, schwächte sich die Dynamik 2024 deutlich ab. Mit einem Plus von 9,7 Prozent lag das Land aber klar über dem EU-Durchschnitt von 5 Prozent.
Position | Monatslohn |
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Durchschnittslohn | 1.636 |
Führungskraft | 2.521 |
Personal mit akademischer Ausbildung | 2.383 |
Techniker:in | 1.726 |
Unterstützende Bürokraft | 1.409 |
Dienstleistungs- und Verkaufskraft | 1.242 |
Fachkraft in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft | 1.010 |
Handwerker:in | 1.411 |
Anlagen- und Maschinenbediener:in, Montagekraft | 1.400 |
Hilfskraft | 909 |
Regionen holen beim Lohn auf
Landesweit ermittelte das ungarische Statistikamt (KSH) für 2024 einen durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn von 646.635 Forint, umgerechnet rund 1.636 Euro. Deutlich über dem Schnitt lagen nur die Hauptstadt Budapest und die Region Mittelungarn. Am wenigsten verdienen Beschäftigte im Süden und Norden des Landes.
In einigen strukturschwächeren Regionen war zuletzt jedoch eine besonders starke Lohnentwicklung zu beobachten: Die nördliche Tiefebene verzeichnete ein Plus von 15,5 Prozent, Südtransdanubien lag bei 14,5 Prozent und die südliche Tiefebene bei 14 Prozent.
Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen bleibt in Ungarn ein strukturelles Problem. Laut Eurostat vergrößerte sich das geschlechtsspezifische Lohngefälle 2023 leicht auf 17,8 Prozent.
Weitere Lohnbestandteile
Zusatzleistungen spielen in der ungarischen Arbeitswelt je nach Branche und Position eine immer größere Rolle. Leistungsprämien oder ein 13. Monatsgehalt sind weit verbreitet, ihre Höhe hängt von der Position und der allgemeinen Lohnentwicklung ab. Laut Arbeitsmarktexperten liegen die Zuschläge auf den Monat gerechnet derzeit zwischen 7 und 17 Prozent des Bruttogehalts.
Unabhängig von der Unternehmensgröße sind auch betriebliche Altersvorsorge und private Krankenzusatzversicherungen gängige Praxis. Über das sogenannte Cafeteria-System können Arbeitgeber jährlich steuerfreie oder steuerbegünstigte Zulagen gewähren, was sich faktisch vor allem auf Leistungen der Szép-Kártya beschränkt. Dabei handelt es sich um eine elektronische Guthabenkarte, die für festgelegte Zwecke wie Gastronomie, Unterkunft, Freizeitaktivitäten oder zur Hälfte auch für Wohnungssanierungen genutzt werden kann. Die jährliche Höchstgrenze liegt bei rund 1.400 Euro. Die Beträge werden zu 28 Prozent vom Arbeitgeber versteuert. Steuerfrei bleiben Leistungen, die der Arbeitgeber direkt erwirbt – etwa Eintrittskarten für Museen oder Kinderbetreuung.
Dienstwagen sind in Ungarn besonders beliebt: Rund 50 Prozent der Führungskräfte und etwa 90 Prozent aller Geschäftsführer nutzen ein Firmenfahrzeug – auch in Positionen, in denen dies in Deutschland eher unüblich wäre. Seit der Coronapandemie zahlen einige Unternehmen zudem monatliche Zuschüsse für Energie- und Ausstattungskosten im Homeoffice. Angesichts der hohen Inflation gewinnen solche Leistungen weiter an Bedeutung.
Sozialversicherungsbeiträge
Im internationalen Vergleich ist die Abgabenlast für Niedriglohnbezieher in Ungarn besonders hoch: Der sogenannte tax wedge – der Anteil von Steuern und Abgaben an den Gesamtarbeitskosten – lag 2024 bei 41,2 Prozent und damit deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 34,9 Prozent. Den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung senkt die Regierung seit Jahren schrittweise ab. Im Jahr 2025 lag der Satz bei 13 Prozent des Bruttolohns.
Vom Arbeitgeber zu tragende Sozialabgabe (umfasst Arbeitgeberanteile an Rentenversicherung, Krankenversicherung, Abgabe für Lohnfortzahlung bei Krankheit und Mutterschutz sowie Arbeitslosenversicherung) | Pauschaler Satz für alle Sozialbeiträge der Arbeitgeber: 13 Prozent. Ermäßigungen sind möglich bei gering qualifizierten Stellen, bei Beschäftigten unter 25 Jahren und anderen Gruppen. Für Mindestlohnempfänger gilt seit Juni 2025, dass die Sozialabgaben für 2025, 2026 und 2027 jeweils auf Basis des Mindestlohns des Vorjahres abzuführen sind. |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschutz (Arbeitgeberanteil) | Im Krankheitsfall 70 Prozent, für 15 Tage pro Jahr; keine Lohnfortzahlung bei Mutterschutz. |
Beitragsbemessungsgrenzen | Es gibt keine Beitragsbemessungsgrenzen. |