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Special | Mexiko | Wasser - Die knappe Ressource

Mexiko: Wassermangel zwingt Versorger zu investieren

Der Wassermangel in Nord- und Zentralmexiko spitzt sich zu. Um ein Desaster zu vermeiden, muss das Land in den kommenden Jahren viel investieren.

Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt

Auf den Straßen der mexikanischen Hauptstadt begannen Menschen Ende Januar 2024 zu protestieren. In den Wochen zuvor hatten die Behörden den Trinkwasserzufluss für Teile der Hauptstadt schrittweise von 13.200 Liter pro Sekunde auf nur noch 9.200 Liter pro Sekunde gedrosselt. In mehreren Stadtvierteln kommt seitdem spürbar weniger Wasser aus den Leitungen, zeitweise bleibt es auch ganz weg.

Trinkwasserversorgung in Mexiko-Stadt am Limit

Aktueller Grund: Die wichtigste Trinkwasserquelle der Mega-Metropole, das Cutzamala-System - bestehend aus den drei Wasserspeichern El Bosque, Valle de Bravo und Villa Victoria - war Ende Januar nur noch zu 39,8 Prozent gefüllt. Das meldete die nationale Wasserkommission Conagua. Üblich sei zu dieser Jahreszeit ein Füllstand von 76,8 Prozent. Die Trockenzeit beginnt im November und hält normalweise bis Juni an. Um die Reserven nicht schneller aufzubrauchen, wurde daher der Trinkwasserzufluss für Mexiko-Stadt reduziert. Rund ein Viertel der Bevölkerung in Mexiko-Stadt und dem umliegenden Bundesstaat México wird über das Cutzamala-System mit Leitungswasser versorgt.

Ursache für die ungewöhnliche Wasserknappheit sind ausbleibende Niederschläge aufgrund des Wetterphänomens El Niño, die durch den Klimawandel verstärkt werden. Der Wetterdienst Mexikos stufte Ende Februar in seinem zweimal monatlich erscheinenden Dürremonitor insgesamt 70,7 Prozent der Landesfläche als von "anormaler Trockenheit" betroffen ein. In einem Viertel des Landes herrsche sogar extreme Trockenheit, vor allem im Nordwesten und in Zentralmexiko.

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Stadtwerke investieren in die Wasserversorgung

Für die Hauptstadt warnen Experten bereits vor dem "Tag null", an dem der 22-Millionen-Metropole das Leitungswasser ausgeht. Ohne Gegenmaßnahmen könne es bereits im Juni 2024 soweit sein. "Die Wasserknappheit wäre nicht so dramatisch, wenn mehr in die Infrastruktur investiert wird", sagt Kai Werthmann, Geschäftsführer und Mitgründer des Anbieters von Wasserfiltern Alxedo. Laut Werthmann gehen in Mexiko-Stadt rund 40 Prozent des Trinkwassers aufgrund von Lecks in den Leitungen verloren.

Um die Verfügbarkeit von Trinkwasser kurzfristig zu erhöhen, investieren die Wasserwerke von Mexiko-Stadt Sacmex derzeit umgerechnet rund 62,6 Millionen US-Dollar (US$). Mit dieser Summe sollen über 100 Brunnen und vier Trinkwasseraufbereitungsanlagen instand gesetzt werden. Zudem sollen marode Wasserleitungen erneuert werden, um die hohen Verluste zu reduzieren. 

Mittelfristig müssen jedoch nachhaltige Lösungen gefunden werden. Dazu zählt der Bau moderner Abwasseraufbereitungsanlagen. Angaben von Conagua zufolge waren in Mexiko-Stadt Ende 2022 insgesamt 30 Abwasseraufbereitungsanlagen in Betrieb, die eine Abflussmenge von knapp 2.500 Litern pro Sekunde reinigten. Der Großteil davon wird jedoch nur teilweise aufbereitet. Das Wasser ist danach zwar für den industriellen Gebrauch, die Landwirtschaft oder städtische Grünflächen, Kanäle und Seen verwendbar, nicht aber für Haushalte.

Auch in Monterrey ist die Lage ernst

Wassermangel herrscht traditionell auch in der nordmexikanischen Industriemetropole Monterrey. Als sich im Sommer 2022 die Lage verschärfte und Leitungswasser strikt rationiert werden musste, zog die Regierung des Bundesstaates Nuevo León die Notbremse. Sie ließ einen Masterplan erstellen, der bis 2050 das Angebot an Trinkwasser von derzeit 13.000 Litern pro Sekunde auf 30.000 Liter pro Sekunde erweitern soll.

 

Aktuelle Großprojekte in Mexikos Wassersektor
Projekt (Bundesstaat)

Investitionssumme (in Mio. US$)

ProjektstandBeschreibung
Speicher El Zapotillo (Jalisco)

980

Soll im Mai 2024 in Betrieb gehenDient der Trinkwasserversorgung von Guadalajara; Kapazität 3.000 l/s
Wasserleitung El Cuchillo 2 (Nuevo León)

706

Betrieb wird seit Ende 2023 hochgefahrenLänge 90 km; Kapazität 5.000 l/s; befördert Wasser vom Speicher El Cuchillo nach Monterrey
Wasserleitung zwischen der Kläranlage Dulces Nombres (Nuevo León) und dem Speicher Marte R. Gómez (Tamaulipas)

603

Studien; Bau soll Mitte 2024 beginnenLänge 133 km; Wasserwerke der Stadt Monterrey (Servicios de Agua y Drenaje de Monterrey)
Bewässerungskanäle für das Yaqui-Territorium (Sonora)

581

Im Bau, soll Mitte 2024 in Betrieb gehenLänge 77 km; dient der Landwirtschaft in acht Gemeinden der Yaqui-Indianer
Speicher La Libertad (Nuevo León)

467

Im Bau, soll im August 2024 in Betrieb gehenSoll 1.600 l/s für Monterrey liefern
Dritte Wasserleitungen des Cutzamala-Systems (Mexiko-Stadt)

370

Im Bau, soll Ende 2024 in Betrieb gehenLänge 78 km; Comisión Nacional del Agua
Wasserleitungen zwischen dem El Batán-Speicher und Querétaro

246

GeplantKapazität 1.500 l/s; soll Trinkwasserversorgung in der Metropolregion Querétaro verbessern; beinhaltet zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen; Comisión Estatal de Aguas Querétaro (CEA)
Quelle: BNamericas 2024

Deutsches Unternehmen macht mehr Geschäft mit dem Privatsektor

Für Flottweg ist der öffentliche Sektor als Kunde in Mexiko aufgrund geringer Investitionen in die Wasserinfrastruktur bislang zweitrangig. Der Spezialist für Separationstechnik mit Hauptsitz im bayerischen Vilsbiburg bietet Dekanterzentrifugen und Separatoren an. Die Produkte können zu erheblichen Wassereinsparungen führen. Flottweg verzeichnete in Mexiko in den vergangenen Jahren ein stabiles Umsatzwachstum und hat im Bundesstaat Mexiko eine Vertriebsniederlassung mit 12 Mitarbeitern.

"Die öffentlichen Projekte verzögern sich häufig aufgrund mangelnder Finanzierung. Deshalb stammen in Mexiko rund drei Viertel unseres Umsatzes aus dem Privatsektor und nur ein Viertel aus öffentlichen Projekten."

Carlos Olivo Vertriebsingenieur für die iberische Halbinsel und Lateinamerika bei Flottweg

Flottwegs wichtigste Industriekunden kommen aus dem Bergbau, dem Chemiebranche, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Als ein Vorzeigeprojekt bezeichnet Olivo die Lieferung mehrerer Zentrifugen für ein Chemiewerk in Altamira im nordöstlichen Bundesstaat Tamaulipas. "Auch sonst haben wir Projekte vor allem im Norden Mexikos, in Bundesstaaten wie Chihuahua oder Nuevo León", berichtet der Vertriebsingenieur. Im öffentlichen Sektor seien die Stadtwerke Monterrey SADM (Servicios de Agua y Drenaje de Monterrey) ein interessanter Kunde. 

Nur zwei Drittel des Abwassers wird in Mexiko aufbereitet

Ende 2020 zählte die nationale Wasserkommission Conagua landesweit 2.786 städtische Abwasseraufbereitungsanlagen (plantas de tratamiento de aguas residuales, PTAR), dazu 3.307 Aufbereitungsanlagen von Industrieunternehmen. Insgesamt wurde damit landesweit eine installierte Kapazität von 310.400 Litern pro Sekunde erreicht.

Conagua zufolge wurden in Mexiko 2020 rund 67,2 Prozent der städtischen Abwässer aufbereitet. Das ist ein gewisser Fortschritt gegenüber 2018, als die Quote bei 63,8 Prozent lag. Bei diesen Zahlen muss berücksichtigt werden, dass Abwässer in Mexiko in der Regel nur primär oder sekundär gereinigt werden. Nur ein kleiner Anteil kann zurück ins Wassersystem gehen. Der Großteil wird in Gewässer abgeleitet oder in Landwirtschaft und Industrie verbraucht.

Über einen sicheren Trinkwasseranschluss verfügten laut Conagua 2018 nur 64,4 Prozent der Bevölkerung. Das Ziel ist, bis 2030 eine universelle Abdeckung zu erreichen. 

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Größter Verbraucher ist der Agrarsektor

Rund drei Viertel des Wasserverbrauchs in Mexiko entfällt auf die Landwirtschaft. Gerade Zitrusfrüchte und Avocados, die für den nordamerikanischen Markt angebaut werden, brauchen viel Wasser. Das gilt auch für die Viehzucht, den Mais- und Getreideanbau. Besonders hoch ist der Verbrauch in Bundesstaaten, die landwirtschaftlich geprägt sind, aber gleichzeitig geringe Niederschlagsmengen aufweisen.  

Conagua beziffert die landesweite Fläche, die in Mexiko bewässert wird, Ende 2020 auf 6,7 Millionen Hektar. Gemäß der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) belegt Mexiko bei der bewässerten Fläche den 7. Platz weltweit, noch vor Brasilien. Rund 63,1 Prozent des in der Landwirtschaft verbrauchten Wassers entfällt auf Oberflächenwasser, der Rest auf Grundwasser.

Der zweitgrößte Verbraucher mit einem Anteil von rund 15 Prozent sind die Haushalte. Aufgrund des erwarteten Bevölkerungsanstiegs von 126 Millionen Einwohnern im Jahr 2020 auf 137 Millionen bis 2030 sowie einer wachsenden Mittelschicht wird auch hier der Konsum zunehmen.

Wasserintensive Industrien zieht es nach Südmexiko

Auf Platz 3 der Verbraucher stehen Industrieunternehmen. Dazu gehören Getränkehersteller wie Cervecería Cuauhtémoc (Heineken), Constellation Brands (Corona, Modelo), Coca-Cola FEMSA, Arca Continental oder GEPP (Pepsi). Arca Continental, der zweitgrößte Coca-Cola-Abfüller Lateinamerikas, warnt in einem aktuellen Finanzreport bereits davor, dass "im Bundesstaat Nuevo León keine ausreichende Wasserversorgung für die zukünftige Produktion garantiert werden kann."

Einige Getränkehersteller bauen bereits neue Produktionsstätten im Süden Mexikos, wo mehr Wasser zur Verfügung steht. Constellation Brands investiert 1,3 Milliarden US$ in eine neue Brauerei im Bundesstaat Veracruz, während es Heineken nach Yucatán (500 Millionen US$) zieht.

Rechtsrahmen und zuständige Behörden für Wasser:

Staatliche Wasserkommission Conagua (Comisión Nacional del Agua)

Umweltministerium (Secretaría de Medio Ambiente y Recursos Naturales, Semarnat)

Stadtwerke Mexiko-Stadt (Sistema de Aguas de la Ciudad de México, Sacmex)

Stadtwerke Monterrey (Servicios de Agua y Drenaje de Monterrey, SADM)

Stadtwerke Guadalajara (Servicio Intermunicipal de los Servicios de Agua Potable y Alcantarillado, SIAPA)

Meteorologischer Dienst SMN (Servicio Meteorológico Nacional)

Rechtsrahmen ist das Gesetz Ley de Aguas Nacionales (LAN) von 1992. Es sieht vor, dass Konzessionen für die Nutzung von Wasser von der Staatlichen Wasserkommission Conagua vergeben werden. Die Nutzungstitel müssen im Register Registro Público de Derechos de Agua (Repda) eingetragen werden. Aktuell sind über 0,5 Millionen Titel im Repda eingetragen. Das LAN teilt Mexiko in 757 Grundwasserbecken und 653 Grundwasserleiter (Aquifer) auf.

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