Wirtschaftsumfeld | Namibia
Wenige Sektoren bestimmen die Wirtschaftsstruktur
Bevölkerung und Wirtschaftskraft sind in Namibia sehr ungleich verteilt. Auch die Unternehmensstruktur weist eine große Bandbreite auf.
09.09.2024
Von Marcus Knupp | Berlin
Namibia gehört wie sein Nachbar Botswana zu den dünn besiedelten Flächenstaaten im südlichen Afrika. Im Gegensatz zu den Binnenstaaten der Region hat das 824.292 Quadratkilometer große Land jedoch durch seine Lage am Atlantik Zugang zum Meer. Die Infrastruktur mit Straßen, Eisenbahnstrecken und dem Hafen Walvis Bay ist gut ausgebaut, insbesondere in Anbetracht der geringen Bevölkerungszahl.
Namibia ist Mitglied der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC) und der Südafrikanischen Zollunion (Southern African Customs Union, SACU), zu der auch Südafrika, Botsuana, Eswatini und Lesotho gehören. Seit der Unabhängigkeit von Südafrika 1990 regiert in Windhoek die aus einer Befreiungsbewegung hervorgegangene Partei SWAPO. Wiederholte freie demokratische Wahlen untermauern die hohe politische Stabilität. Die große sozioökonomische Ungleichheit sorgt jedoch für latente Spannungen.
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Koloniale Vergangenheit schafft besondere Beziehung
Namibia und Deutschland sind historisch eng miteinander verbunden. Von 1884 bis 1915 stand das Land unter deutscher Kolonialherrschaft. Bis heute belastet der im Krieg von 1904 bis 1908 an den Völkern der Herero und Nama begangene Völkermord die Beziehungen. Eine gemeinsame Erklärung zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen wurde im Mai 2021 formuliert, aber noch nicht unterzeichnet. Ein wesentlicher Streitpunkt ist die Höhe der Entschädigungszahlungen für das den Opfern und ihren Nachkommen zugefügte Leid und die Frage, ob diese den einzelnen Personengruppen zur Verfügung stehen oder in allgemeine Entwicklungsprogramme fließen sollen.
Dessen ungeachtet ist Namibia seit vielen Jahren ein wichtiges Zielland deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Dies strahlt auch auf wirtschaftliche Bereiche ab. So ist beispielsweise die deutsche Entwicklungsbank KfW an der Finanzierung mehrerer Projekte im Bereich Infrastruktur und Ausbau erneuerbarer Energien beteiligt. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeitet in Namibia in einer Vielzahl von Projekten. Schwerpunkte der Aktivitäten sind eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, das Management natürlicher Ressourcen und eine inklusive Stadtentwicklung.
Eine Sonderstellung in Afrika nimmt Namibia mit seiner deutschstämmigen Bevölkerung ein. Diese macht mit rund 20.000 Muttersprachlern zwar weniger als 1 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Dennoch können Kontakte den Marktzugang für deutsche Unternehmen erleichtern. Wie das am besten funktioniert, erklärt Christina Pfandl, Business Scout for Development der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) in Namibia, im Interview mit dem Africa Business Guide.
"Namibia ist grundsätzlich sehr offen gegenüber deutschen Geschäftspartnern, deutsche Technologien und Produkte aus allen Branchen sind bei lokalen Partnern sehr geschätzt."
Bergbau ist Haupteinnahmequelle
Namibias Wirtschaft hängt maßgeblich von der Förderung und Verarbeitung von Mineralien für den Export ab. Der Bergbau trägt mit wenigen Großunternehmen etwa 12 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, erwirtschaftet aber über 50 Prozent der Deviseneinnahmen. Diamanten sind das wichtigste Exportgut im Rohstoffsektor, gefolgt von Uran und Gold. Potenzial hat auch der Abbau von Lithium. Nach den Erdölfunden im Jahr 2021 im Meeresbecken des Oranje-Flusses vor der Südküste steht der Erdölexport noch am Anfang. Die Förderung von Erdöl und Erdgas könnte sich zu einem der profitabelsten Wirtschaftszweige des Landes entwickeln.
Das verarbeitende Gewerbe fällt in Namibia sehr klein aus und ist von einer kapitalintensiven Produktion (etwa Kupferschmelze) geprägt. Einer Diversifizierung der Wirtschaft stehen große strukturelle Hindernisse entgegen. Dazu zählen der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und die starke Dominanz der südafrikanischen Industrie. Viele Kleinbetriebe zählen zum informellen Sektor.
Namibia importiert über zwei Drittel seines Stroms. In Anbetracht der Schwierigkeiten des größten Stromlieferanten, Südafrika, hat Namibia ein großes Interesse am Aufbau eigener Produktionskapazitäten. Die Regierung unternimmt schrittweise Maßnahmen zur Liberalisierung des Strommarktes. Die namibische Elektrizitätswirtschaft entwickelt sich zunehmend zu einem Markt mit mehreren Anbietern, die Strom produzieren und bereitstellen. Dank der ausgezeichneten natürlichen Ressourcen des Landes, insbesondere Wind und Sonne, bestehen gute Voraussetzungen für den Ausbau von erneuerbaren Energien und entsprechende Projekte werden umgesetzt. Zudem treibt das Land den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft voran.
Sektoren | Anteil am BIP 2022 | Anteil an den Beschäftigten 2018 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 8,6 | 23,0 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 12,2 | 1,7 |
Verarbeitendes Gewerbe | 11,2 | 6,2 |
Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung) | 3,1 | 1,1 |
Baugewerbe | 1,5 | 6,2 |
Dienstleistungen | 55,5 | 61,8 |
Bevölkerungsschwerpunkt liegt im Norden
Weite Teile Namibias sind Trockengebiete. Sie sind für die Landwirtschaft wenig geeignet, die Bevölkerungsverteilung ist daher sehr ungleichmäßig. Die größte Einwohnerdichte außerhalb der Hauptstadt Windhoek liegt im Norden des Landes. Hier gibt es ausreichend Niederschläge, um Regenfeldbau zu betreiben.
Die Namibwüste, die sich entlang der Atlantikküste erstreckt, weist neben der touristischen Nutzung punktuell Standorte des Bergbaus auf. Wirtschaftliches Zentrum an der Küste ist der Tiefseehafen Walvis Bay. Große Teile des Landesinneren werden für extensive Viehwirtschaft genutzt.
Die einzige Großstadt des Landes ist Windhoek. Hier konzentrieren sich Handel, Dienstleistungen und Verwaltung. Mittelstädte wie die Minenstadt Tsumeb übernehmen regionale Zentrumsfunktionen.
Region | Anmerkungen | Wichtige Wirtschaftszweige | Bevölkerung |
---|---|---|---|
Khomas | Zentrale Region mit der Hauptstadt Windhoek | Verwaltung, Dienstleistungen und Bergbau | 494.605 |
Ohangwena | Nordregion mit höheren Niederschlägen; bessere Anbaubedingungen und höhere Bevölkerungsdichte | Landwirtschaft mit Regenfeldbau und Viehhaltung | 337.729 |
Omusati | Nordregion mit höheren Niederschlägen; bessere Anbaubedingungen und höhere Bevölkerungsdichte | Landwirtschaft mit Regenfeldbau und Viehhaltung | 316.671 |
Oshikoto | Übergangsregion vom bevölkerungsreichen Norden zum Zentrum mit Etosha Nationalpark | Landwirtschaft, Tourismus | 257.302 |
Zambezi | Lage im äußersten Nordosten; Vierländereck mit Botsuana, Sambia und Simbabwe | Landwirtschaft, Tourismus | 142.373 |
Erongo | Zentraler Küstenbereich mit Walvis Bay und Swakopmund; Prägung durch Namibwüste | Bergbau, Tourismus, Hafen | 240.206 |
Hardap | Wüste und Steppe südlich des Zentrums | Extensive Viehhaltung, Bergbau | 106.680 |
||Kharas | Sehr trockener Süden des Landes; Diamantenabbau und bei Lüderitz potenzieller Standort für Wasserstofferzeugung | Bergbau | 109.893 |