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Wirtschaftsumfeld | Norwegen | Konjunktur

Der erste Eindruck kann täuschen

Norwegen hat zwar wenige Einwohner, aber trotzdem eine große Wirtschaftskraft. Dies liegt an den hohen Rohstoffvorkommen, welche die Umsätze verzerren.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Norwegen gehört zu den größten Volkswirtschaften im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Obwohl Norwegen bevölkerungsmäßig nur halb so groß ist wie Schweden, ist der Unterschied in Bezug auf die Wirtschaftsleistung zwischen beiden Ländern gering. Norwegen übertrifft auch das geringfügig größere Dänemark deutlich: Dänemark erreichte 2022 kaum mehr als zwei Drittel der norwegischen Wirtschaftsleistung.

Besonders bemerkenswert ist, dass Norwegen im Jahr 2022 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von über 100.000 Euro erreicht hat. Damit ist Norwegen erst das zweite Land im EWR nach Liechtenstein, das diese Marke geknackt hat.

Dennoch lohnt sich bei der Interpretation norwegischer Wirtschaftskennzahlen ein tieferer Blick. Denn nur innerhalb eines Jahres - von 2021 auf 2022 - ist das norwegische BIP nominal um ein Drittel gestiegen. Grund für die Verzerrung der Wirtschaftsdaten ist die Abhängigkeit von zwei Rohstoffen: Erdöl und Erdgas.

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Rohstoffpreise entscheiden über Wirtschaftsdynamik

Die letzten drei Jahre haben deutlich gezeigt, wie sehr die fluktuierenden Rohstoffpreise die norwegische Wirtschaft beeinflussen. Als die Coronapandemie 2020 die globale Wirtschaft - und somit die Rohstoffpreise - in den Keller schickte, steuerte der Sektor laut dem norwegischen Statistikamt SSB weniger als ein Zehntel zur dortigen Wirtschaftsleistung bei. Als zwei Jahre später Russland die Ukraine überfiel und der Bedarf nach norwegischem Öl und Gas sprunghaft zunahm, kletterte der Anteil auf nahezu ein Viertel.

Diese Schwankungen hatten erhebliche Auswirkungen auf das BIP Norwegens. Im Jahr 2020 verzeichnete es einen nominalen Rückgang um 12 Prozent, gefolgt von einem Wachstum von etwa 30 Prozent in den beiden darauffolgenden Jahren. Real - also unter Ausschluss von Preisveränderungen - war die Dynamik wesentlich niedriger und lag entsprechend bei minus 1,3 Prozent (2020), 3,9 Prozent (2021) sowie 3,3 Prozent (2022).

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Aufgrund der Bedeutung des Rohstoffsektors für die norwegische Wirtschaft geben dortige Wirtschaftsinstitute meistens auch zwei Kennzahlen an: eine für die Gesamtwirtschaft und eine für die sogenannte Festlandwirtschaft - also ohne Energierohstoffe und Hochseetransport. Für die Absatzchancen deutscher Exporteure ist die letztere ausschlaggebend. Norwegen importierte 2022 Waren im Gesamtwert von über 11,6 Milliarden Euro aus Deutschland - drei Viertel davon machten Chemieerzeugnisse, Maschinen und Transportmittel aus. Diese gingen überwiegend an Kunden auf dem Festland.

Zukunftsabsicherung durch Rohstoffeinnahmen

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist die Entwicklung der Festlandwirtschaft meist "extremer" als die der Gesamtwirtschaft: In 17 der vergangenen 22 Jahre waren laut des norwegischen Statistikamts SSB in guten Jahren die realen Zuwächse auf dem Festland höher und die Rückgänge geringer. Abgesehen von der Finanzkrise 2009 und dem Coronajahr 2020 blieb die Entwicklung jedoch insgesamt positiv.

Denn bei der Verteilung der Rohstoffeinnahmen setzt die norwegische Politik seit den Anfängen des Rohstoffbooms in den 1970er Jahren auf Zukunftsabsicherung. Entsprechend gehören die Vorkommen laut Gesetz der gesamten Bevölkerung. Die erhobenen Steuern werden in sogenannte Zukunftsfonds eingezahlt und dann in Aktien, Anleihen oder Immobilien investiert. Die derzeit etwa 1,3 Billionen Euro tragen aber auch dazu bei, die norwegische Wirtschaft für die fossilfreie Zukunft zu wappnen: Sie helfen beim Ausbau erneuerbarer Energien oder unterstützen norwegische Innovationen und sektorale Politiken.

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Außerdem erlauben sie der Regierung, die Festlandwirtschaft antizyklisch zu stützen. Gerät die nationale oder globale Konjunktur ins Schwanken, finden sich immer Mittel für Unterstützungsmaßnahmen. Deswegen sind Rezessionen rar, Wachstumszahlen aber nicht immer gleichzusetzen mit Geschäftschancen.

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