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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Norwegen
Dank der Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten florierte die norwegische Wirtschaft im Jahr 2022. Allmählich kühlt die Konjunktur zwar ab, bleibt jedoch auf Wachstumskurs.
20.12.2022
Von Michał Woźniak | Stockholm
Im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat wies das norwegische Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor allem im Spätfrühling 2022 zweistellige Prozentzuwächse auf. Allerdings holten Energiepreissteigerungen und der damit verbundene Inflationssprung im Hochsommer auch das Königreich ein. Seit August lässt das BIP-Wachstum sichtbar nach, bleibt aber dennoch im positiven Bereich. Insgesamt gehen aktuelle Prognosen von einem Wirtschaftswachstum um etwa 3 Prozent für das Jahr 2022 aus, werden allerdings zunehmend zurückhaltend.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 318,1 | 407,8 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 59.130 | 75.400 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.; jeweils zum 1. Januar) | 5,4 | 5,4 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = … Norwegische Kronen) | 10,7228 | 10,1633 | - |
Der schwindende Optimismus zeigt sich auch bei den Vorhersagen für die BIP-Entwicklung 2023. Nach zwei Jahren mit ähnlich dynamischem Wachstum soll sich 2023 eine größere Spreizung zwischen der sogenannten Festlands- und der Offshore-Wirtschaft zeigen. Der Offshore-Bereich, also die Öl- und Gasförderung, die Fischerei sowie der Hochsee-Schiffstransport, dürfte laut Prognosen des norwegischen Statistikamtes SSB 2023 etwa doppelt so schnell wachsen wie die restliche Wirtschaft. Daraus resultiert unter anderem auch, dass die über die letzten beiden Jahre rückläufigen Investitionen in die Öl- und Gasförderung sowie in Pipelines um 4 Prozent zulegen könnten. Die "landbasierte" Industrie soll hingegen, nach zwei investitionsstarken Jahren, nun mindestens genauso lange den roten Stift ansetzen müssen.
Laut einer im November durchgeführten Umfrage der norwegischen Zentralbank erwarten norwegische Unternehmen ein deutlich rückläufiges Geschäft bis weit in den Spätfrühling 2023. Zusätzlich schrumpfen durch die Inflation, die im Oktober 2022 mit 7,5 Prozent ihren vorläufigen Höchststand erreicht hat, die Margen. Steigende Kreditzinsen - der Leitzins könnte Anfang 2023 auf 3 Prozent steigen - erhöhen die Finanzierungskosten. Wenig motivierend auf Investitionen wirkt auch der Rückgang der bislang überdurchschnittlich hohen Kapazitätsauslastung.
Entsprechend sinken die Investitionsprognosen in weiten Teilen der Wirtschaft. So plant der Einzelhandel im Jahr 2023 bis zu 10 Prozent weniger zu investieren als 2022. Dienstleister wollen ihre Investitionen knapp unter dem Niveau von 2022 halten, die verarbeitende Industrie knapp darüber. Laut norwegischem Statistikamt SSB wird sich bei Wohninvestitionen die Talfahrt noch beschleunigen. Der Rückgang um 2,6 Prozent im Jahr 2022 könnte 2023 mehr als doppelt so hoch ausfallen. Immerhin werden sich laut Prognose Industrieinvestitionen 2023 auf Vorjahresniveau bewegen, bevor sie 2024 um 3 bis 4 Prozent nachlassen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
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Auktionen für Offshore-Windparks | k.A. | Ausschreibungen für Entwicklungslizenzen für die Offshore-Windfelder Sørlige Nordsjø II (Fundament) sowie Utsira Nord (schwimmend) sollen im 1. Quartal 2023 starten; bis 06.01.2023 laufen Anhörungen zu Präqualifizierungskriterien für Bieter | |
Wasserstoffpipeline nach Deutschland | k.A. | 18 GW Kapazität; Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde Ende 2022 begonnen; Fertigstellung frühestens 2030 | Gassco |
Entwicklung des Gasfeldes Dvalin North | 780 | drei Produktionsbohrungen; Entwicklungsplan im Dezember 2022 eingereicht; erste Inbetriebnahme Ende 2026 geplant | |
690 | Investitionsprojekt im Dezember 2022 bewilligt; Informationsveranstaltung für potenzielle Auftragnehmer am 19.12.2022; Ausschreibung Anfang 2023 | ||
Automatisches Verkehrsleitsystem für E18 | k.A. | Bewerbungsfrist läuft am 02.01.2023 ab | |
Straßenreparaturen auf E18 | k.A. | Informationsveranstaltung für potenzielle Auftragnehmer 15.12.2022; Bewerbungsfrist 19.01.2023; Fertigstellung 17.11.2023 | Statens Vegvesen |
Straßenunterhalt um Hamar | 9 | Auftrag mit 3-jähriger Laufzeit; Bewerbungsfrist 24.01.2023 | |
Wohngebiet Meekelva - Djupdalen | 7 | Bau der technischen Infrastruktur; Bewerbungsfrist 23.01.2023; Bauzeit 36 Monate |
Staatliche Ausschreibungen werden auf der Internetseite der norwegischen Digitalisierungsbehörde publiziert. Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen finden Sie in unserer Datenbank.
Die hohe Inflation sowie die seit Herbst deutlich fallenden Immobilienpreise haben den im europäischen Vergleich relativ hoch verschuldeten Norwegern die Kauflust genommen. Laut SSB fällt der Privatkonsum im Vergleich zum jeweiligem Vorjahresmonat bereits seit Mai 2022 kontinuierlich. Besonders bei Nahrungsmitteln und Kfz wurden teilweise deutliche Rückgänge verzeichnet. Entsprechend leidet auch der Einzelhandel. Nur Umsätze mit Elektronik, in Fachgeschäften sowie auf (Wochen-)Märkten liegen noch auf oder über dem Vorjahresniveau.
Dennoch dürfte der private Konsum 2022 das wichtigste Standbein des norwegischen Wirtschaftswachstums sein. Real dürfte er gegenüber dem Vorjahr um etwa 5 bis 6 Prozent zulegen. Im Gegensatz zu den beiden skandinavischen Nachbarn wird für die nächsten beiden Jahre eine positive, wenn auch schwächere Dynamik vorausgesagt: Im Jahr 2023 plus 0,5 bis 1 Prozent, 2024 etwa 1 bis 1,5 Prozent.
Nachdem die steigenden Preise für Energierohstoffe bereits 2021 für deutliche Zuwächse der norwegischen Exporte gesorgt haben, brachte 2022 nochmal einen deutlichen Sprung. In den ersten zehn Monaten stiegen die Einnahmen aus Erdölexporten um über 60 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum, diejenigen aus Erdgasausfuhren haben sich sogar mehr als verdreifacht. Das spiegelt sich auch in der deutschen Außenhandelsstatistik wieder. Laut Destatis war Norwegen nach neun Monaten 2022 Deutschlands siebtwichtigster Importlieferant weltweit. Gegenüber den ersten drei Quartalen des Vorjahres hat sich das Volumen nahezu verfünffacht.
Der nominale Wert norwegischer Importe hat zwischen Januar und Oktober 2022 um 21 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zugenommen. Der Importwert deutscher Waren stieg mit 17 Prozent etwas langsamer, bleibt aber dennoch auf einem guten Wege, um im Gesamtjahr erstmals die 1-Milliarden-Euro-Schwelle zu durchbrechen. Ein wichtiger Treiber waren Chemieerzeugnisse (darunter vor allem nicht-organische Chemikalien sowie Kunststoffe in Primärform), die nach SSB-Berechnungen 15 Prozent der norwegischen Importe aus Deutschland ausmachen und deren Wert im Jahresvergleich um 23 Prozent zulegte.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 3 | |
---|---|---|---|
Importe (cif) | 97,3 | 110,3 | 7,5 |
Exporte (fob) | 96,0 | 164,2 | 62,2 |
Deutsche Kfz-Exporteure machen gute Geschäfte in Norwegen. Von Januar bis Oktober 2022 betrug das wertmäßige Wachstum über 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Sparte ist für knapp ein Drittel der norwegischen Einfuhren aus Deutschland verantwortlich.