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Wirtschaftsumfeld | Norwegen | Wirtschaftsstruktur

Die Energiebranche bestimmt Norwegens Wirtschaftsstruktur

Norwegens Wirtschaft ist robust und innovativ. Der Ausbau deutsch-norwegischer Kooperationen lässt sich an politischen sowie wirtschaftlichen Initiativen ablesen.

Von Judith Illerhaus | Stockholm

Norwegen ist unter den skandinavischen Ländern das mit Abstand wohlhabendste Land. Mit seinem Staatsfonds, der als der größte der Welt gilt, ist das Land für die Zukunft gut gerüstet. Aktuell speist sich der Fonds in großen Teilen aus den Gewinnen der Erdgas- und Erdölförderung. Aber auch alle übrigen Gewinne, die aus gemeinschaftlichen Ressourcen wie Wind oder den großen Fisch- und Meeresfrüchtevorkommen erwirtschaftet werden, fließen in diesen Topf. Der Fonds ermöglicht es Norwegen auch in schwierigen Zeiten notwendige Investitionen zu täigen.

Zuletzt haben die Erträge aus den Öl- und Gasexporten so stark zugelegt, dass es deutliche Abweichungen im nationalen BIP zu verzeichnen gab – je nachdem, ob die Offshore-Industrien hinzugezählt wurden oder nicht. Entsprechend geben nationale Wirtschaftsinstitute in der Regel zwei Kennzahlen an: eine für die Gesamtwirtschaft und eine für die Festlandwirtschaft. Deutsche Exporteure sollten sich an der Festlandwirtschaft orientieren. Norwegen importierte 2023 Waren im Gesamtwert von über 10 Milliarden Euro aus Deutschland - drei Viertel davon machten Chemieerzeugnisse, Maschinen und Transportmittel aus. Diese gingen überwiegend an Kunden auf dem Festland. 

Der Regierung ist bewusst, dass ihre so florierende Wirtschaft - auch naturbedingt - endlich ist und hat die sogenannte grønt industriløft, die grüne Transformation der Industrie, eingeläutet. Das vorrangige Ziel des Prestigeprojekts der Regierung ist die massive Steigerung von alternativen Exporten, die sich aus grünen Wertschöpfungsketten ergeben sollen. Untermauert wird das Szenario von einer Untersuchung der Klassifikationsgesellschaft der maritimen Industrie, Det Norske Veritas (DNV). Laut den Beratern werden die Gewinne aus Gas- und Ölexporten bis 2050 um 35 Prozent beziehungsweise 93 Prozent zurückgehen.

5,5 Mio.

Personen lebten 2023 im Land.

Quelle: Nationales Statistikamt SSB 2024

564,66 Mrd.

Euro betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022.

Quelle: Eurostat 2024

103.470

Euro machte das BIP pro Kopf damit 2022 aus.

Quelle: Eurostat 2024

Rang 29

belegte das Land 2022 unter den deutschen Exportzielen.

Quelle: Destatis 2023

Rang 4

nimmt das Land im Corruption Perceptions Index 2022 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2024

0,4 %

betrug die Analphabetenquote im Jahr 2018.

Quelle: Weltbank 2022

Ausführliche Informationen zur norwegischen Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt

Deutsch-norwegische Kooperation floriert besonders in Energiethemen

In zwei gemeinsamen Erklärungen haben Deutschland und Norwegen die Fokusbereiche Wasserstoff, Batterien, Offshore-Windkraft und die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) benannt, um in den kommenden Jahren bei der Erzeugung erneuerbarer Energien und der Entwicklung grüner Industrien enger zusammenzuarbeiten.

Ganz konkret hat sich dies zum Beispiel im November 2023 in der Veröffentlichung einer Machbarkeitsstudie für eine gemeinsame Wasserstoffwertschöpfungskette zwischen den Ländern manifestiert. Der Aufbau einer solchen Wertschöpfungskette sei technisch umsetzbar, so das Fazit der Deutschen Energieagentur (DENA) und des norwegischen Gaslieferanten GASSCO, die die Studie im Auftrag der deutschen und norwegischen Regierung durchgeführt haben.

Bei Norwegens CCS-Prestigeprojekt Langskip ist ein deutsches Unternehmen von Anfang an mit an Bord. Heidelberg Materials ist einer der Projektpartner und baut im Rahmen der Initiative sein Zementwerk in Brevik so um, dass dort bis Ende 2024 die weltweit erste großtechnische CCS-Anlage in der Zementindustrie entsteht. Insgesamt stellt die Regierung für die Investition knapp 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. 

Wir sind optimistisch, was die Nachfrage auf dem norwegischen Markt angeht. Wir haben positive Erfahrungen mit dem Langskip-Programm und der Zusammenarbeit mit den Behörden gemacht und sind überzeugt, dass der grüne Wandel an Fahrt aufnimmt. Deutsche Ingenieurstechnologie ist in allen Teilen der Welt hoch angesehen - das gilt auch in Norwegen und ebenso für Umwelttechnologieunternehmen.

Pia Prestmo Head of Public Affairs, Heidelberg Materials Norway, Oslo

Die starke Verbindung beider Länder wurde nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bewiesen. Mit Gaslieferungen konnte Norwegen die Bundesrepublik schnell in Richtung einer Unabhängigkeit von Russland unterstützen. Im Februar 2023 haben beide Länder außerdem ein Industriekooperationsabkommen beschlossen, das die Zusammenarbeit im Rahmen verteidigungspolitischer Angelegenheiten regelt.  

SWOT-Analyse Norwegen

S

Stärken Strengths

  • Zuverlässiger Wirtschaftspartner mit hoher politischer Stabilität
  • Wohlhabendes Land mit über 1 Billionen Euro Rücklagen im Staatsfonds, gemessen BIP pro Kopf eines der reichten Länder der Welt 
  • Hohes Ausbildungsniveau
  • Effiziente, leistungsfähige Verwaltung
  • Bereits hoher Anteil erneuerbarer Energien
W

Schwächen Weaknesses

  • Kleiner Binnenmarkt
  • Industriecluster in den meisten Zweigen relativ klein
  • Hohes Lohn- und Kostenniveau
  • Hohes Steuer- und Abgabenniveau
  • Gebietsweise geringe Bevölkerungsdichte
O

Chancen Opportunities

  • Starker Digitalisierungstrend
  • Umfangreiche staatliche Förderung für Diversifizierung der Wirtschaft
  • Starker Fokus auf Nachhaltigkeit
  • Umfangreicher Infrastrukturausbau sowie große Offshore-Windausbaupläne
  • Durch die angestrebte Unabhängigkeit von russischem Gas seitens der europäischen Länder kann Norwegen auf eine stark gesteigerte Nachfrage nach Öl und Gas setzen
T

Risiken Threats

  • Hohe Abhängigkeiten von Energierohstoffen mit Blick auf einen fortschreitenden, globalen Übergang zu grüner Energie
  • Zahlreiche Branchen mit wenigen, dafür großen Akteuren
  • Hohe private Verschuldungsquote
  • Große Währungsschwankungen möglich
  • Voraussichtliches Stromdefizit ab 2028

Dekarbonisierung steht oben auf norwegischer Agenda

Ein wichtiger Aspekt, der eine Veränderung der norwegischen Wirtschaftsstruktur befeuert, ist die hohe Elektrifizierung der Gesellschaft. Bereits 2023 waren 83 Prozent aller neuzugelassenen privaten Fahrzeuge elektrisch betriebene Pkw. Während Norwegen heute noch einen Teil seines Stroms exportieren kann, geht DNV davon aus, dass es bereits 2028 zu einem nennenswerten Stromdefizit kommen wird. Der Grund hierfür ist jedoch nicht im privaten Bereich zu verorten, sondern vielmehr in der Industrie.

Ein Beispiel hierfür ist die ambitionierte Wasserstoffstrategie Norwegens. Bis zum Jahr 2030 könnte die energieintensive Wasserstoffproduktion schon 2 bis 3 Gigawatt betragen, 10 bis 15 Gigawatt sind bis 2040 möglich. Auch die Bestrebungen im CCS-Bereich sind ambitioniert: Bis 2030 soll das Geschäft mit Offshore-CCS-Infrastruktur auf mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz wachsen und sich die Anzahl der Beschäftigten bis dahin von derzeit 300 Personen auf zukünftig 2800 Angestellte etwa verneunfachen.

Die Offshore-Windenergie und hierbei insbesondere schwimmende Windkraftanlagen haben wohl das größte Potenzial, in den 2030er-Jahren zusätzlichen Strom in das norwegischen Stromnetz zu speisen. 

 

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Norwegen (Anteile in Prozent)

Sektoren

Anteil am BIP 2022

Anteil an den Beschäftigten 2022

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

1,8

2,3

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

38,9

2,2

Verarbeitendes Gewerbe

5,3

7,5

Energieversorgung

3,7

0,6

Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen

0,5

0,6

Baugewerbe

4,8

8,8

Dienstleistungen

45,1

77,9

Quelle: Nationales Statistikamt SSB 2024

Region Oslo punktet mit Cluster-Vielfalt

Neben den großen wirtschaftlichen Zentren Oslo, Trondheim, Bergen und Stavanger punktet das Land mit einer Vielzahl an kleineren Clustern.

Als Cluster-Kategorien hat die nationale Innovationsbehörde verschiedene Level festgelegt. Dabei beschreiben "Arenas" Clusterregionen im Anfangsstadium, "Arena Pros" befinden sich bereits in einer weiteren Entwicklungsphase. "Global Centres of Expertise" (GCE) stellen weit entwickelte Ökosysteme mit globaler Relevanz dar. GCE kommen drei Mal in Norwegen vor, wobei auffällig ist, dass sich alle der maritimen Wirtschaft widmen: GCE Node im südlichen Kristiansand, GCE Ocean Technology in Bergen und GCE Blue Maritime in Ålesund.

Die meisten Cluster, nämlich 13, sind rund um Oslo angesiedelt. Die hier vertretenen Branchen sind sehr vielfältig und arbeiten unter anderem an der Verpackungsindustrie, der Gesundheitswirtschaft, der künstlichen Intelligenz oder auch der Bauindustrie. Weitere Informationen finden sich auf der Seite von Innovasjon Norge.

Eckdaten der wichtigsten Regionen in Norwegen (Jahr 2021)

Gebiet

Anteil am BIP (in %)

BIP pro Kopf (in Euro) 1)

Bevölkerung (in Mio.) 2)

Hauptstadt- und Zentralregion (Provinzen Oslo und Viken (2020-2023; seit 1.1.2024 Akershus, Buskerud und Østfold))

41,3

61.319

1,95

Südnorwegen (Provinzen Rogaland, Agder und Vestfold og Telemark (seit: 1.1.2024 Vestfold und Telemark))

21,0

50.084

1,21

Westnorwegen (Provinzen Vestlandet und Møre og Romsdal)

15,8

50.603

0,90

Trøndelag

8,1

49.980

0,47

Nord-Norwegen (Provinzen Nordland, Troms und Finnmark)

8,1

48.736

0,48

1 Umrechnung nach dem Durchschnittswechselkurs der Europäischen Zentralbank für das Jahr 2021: 1 Euro = 10,1633 nkr ; 2 zum 1. Januar 2021.Quelle: Nationales Statistikamt SSB 2024

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